Henryk M. Broder / 13.07.2018 / 13:00 / Foto: Tim Maxeiner / 58 / Seite ausdrucken

SPD: Nach unten gibt es keine Obergrenze

Ein paar Wochen, nachdem Martin Schulz im März 2017 ohne eine einzige Gegenstimme zum Vorsitzenden der SPD gewählt und dementsprechend als Hoffnungsträger gefeiert wurde, trafen wir uns am Rande einer Veranstaltung in Berlin.

Schulz kam gerade von der Toilette, ich war auf dem Weg dorthin. Schulz sah mich kurz an und schaute weg. Hoppla, dachte ich, wer an mir vorbei will, entscheide ich, steuerte auf ihn zu, ergriff seine rechte Hand und sagte: „Schön, dass Sie jetzt die SPD führen. Bei der nächsten Bundestagswahl sind Ihnen 18 Prozent sicher.“ Schulz ließ meine Hand fallen und ging wortlos weiter.

Keine Ahnung, wie ich damals auf 18 Prozent gekommen bin. Jedenfalls lag ich nur knapp daneben. Bei den Bundestagswahlen am 24. September 2017 kam die SPD auf 20,5 Prozent der Stimmen. In acht der 16 Bundesländer, darunter allen fünf „Neuen Ländern“ im Osten, schnitt die Partei noch schlechter ab. In Thüringen und Sachsen, zwei historischen Hochburgen der Sozialdemokratie, stimmten nur 13,2 Prozent bzw. 10,5 Prozent für die SPD. Es eine Katastrophe zu nennen, wäre eine Untertreibung.

Aber es war noch lange nicht das Ende einer langen, ermüdenden Talfahrt.

Letzten Sonntag gab Emnid bekannt, dass die SPD von 19 auf 17 Prozentpunkte gefallen war und die AfD sich um gleich drei Prozentpunkte von 14 auf 17 verbessert hatte. Normalerweise hätte eine solche Nachricht ein Erdbeben ausgelöst. Die älteste und traditionsreichste deutsche Partei gleichauf mit einem „gärigen Haufen“ (Vorsitzender Gauland), der sich erst vor fünf Jahren als Partei konstituiert hatte. Weil aber derzeit in Deutschland nichts normal ist und die Menschen nachrichtenmüde sind, wurde diese Wasserstandsmeldung schnell unter „Verlierer des Tages“ abgelegt.

Trotzdem stellt sich die Frage: Was ist mit der SPD? Die Antwort lautet: Sie hat fertig. Ihr laufen nicht nur die Wähler davon, sie hat auch kein Personal, um ihr wichtigstes Wahlversprechen zu erfüllen – sich an Kopf und Gliedern zu erneuern. Sie schafft es nur, einen Vorsitzenden durch einen anderen zu ersetzen. Den selbstverliebten Sigmar Gabriel durch den bräsigen Martin Schulz, und den durch die zänkische Matrone Andrea Nahles.

Und jedes Mal heißt es: „Wir fangen neu an!“ Der nächste Neuanfang kommt bestimmt. Nach unten gibt es keine Obergrenze.

Zuerst erschienen in der Züricher Weltwoche

Foto: Tim Maxeiner

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Anders Dairie / 13.07.2018

Wenn man die SPD und ihre Führungen nach Helmut Schmidt kritisiert, sollte man bedenken, dass das altbekannte 3-Parteien-System, das die BRD so hervor-ragend vorangebracht und auch stabilisiert hat,  inzwischen zerfallen ist.  Rückkehr unwahrscheinlich . Analysiert man Merkels Politik, und die macht sie offenbar ganz allein, findet man gar keine Erfolge.  Von der Bildung, über den verfluchten Euro, bis zur Zuwanderungs-Katastrofe nichts, worauf man stolz und zufrieden sein könnte.  Sogar das ehedem erstklassige Verhältnis zu Amerika wurde verdorben.  Ich denke an Absicht.  Welchem Herrn dient die Frau wirklich ?

Brigitte Ernst / 13.07.2018

Die zänkische Matrone Nahles, vom misogynen, schadenfrohen Zyniker Broder gebrandmarkt. Da weiß ich aber, wer mir lieber ist. Ist es Ihnen eigentlich nicht peinlich, dass Ihre Claqueure sich nur noch aus AfD-Nachplapperern zusammensetzen? Und Sie wurden mal als Intellektueller gehandelt! Wetten, dass dieser Beitrag nicht veröffentlicht wird?

Anders Dairie / 13.07.2018

Den hochgeschätzten H.M.Broder muss ich leider korrigieren:  Thüringen ist kein SPD-Land.  Vor 1945 musste man die US-Armee des sehr forschen Gen. Patton nach Thürigen umgruppieren (April) , da eine Besetzung nicht so leicht erschien wie zB. im Rheinland.  Nach 1949 bis 1990 blieb Thüringen in der Hand der Russen und der SED, wem denn sonst ? Noch zur Kommunalwahl im April 1990, also vor dem Beitritt zur BRD, zeigte sich die rechte Tendenz, die es immer gab:  Die SED verlor über 50 Punkte und kam auf unter 30%. Eine Sensation. Die SED löste sich selbsttätig auf.  Danach regierte Bernhard Vogel 8 Jahre lang, mit der CDU und erheblichem Vorsprung.  Vogel war beliebt.  Durch die Fehler seiner Nachfolger fiel Thüringen erstmalig in die Finger der PDS,  heute die Linken.  Die 3-Parteien-Koalition unter MP Ramelow regiert noch immer mit nur einer (!) Stimme Mehrheit.  Das Pendel schlägt zurück:  Ramelows Amtszeit scheint am Ende… Die Thüringer sind konservativ.  Wenn man sie lässt,  streng konservativ.  Das mag daran liegen,  dass das “Grüne Herz Deutschlands” keine Großstädte—und die AfD einen guten Volksredner hat.  Die Linken sind aus dem öff. Spektum genauso verschwunden wie die SPD.  Muslime werden stark abgelehnt.  So ist das.

Jens Richter / 13.07.2018

Der Wirklichkeit entrückt glaubt die SPD ja immer noch, der Wählerabschwung sei der schlechten Vermittlung der SPD-Inhalte geschuldet. Man müsse die Wähler einfach besser über die sagenhaften Pläne der Partei unterrichten (soziale Gerechtigkeit und so). Tu es nicht, SPD.  Deine 17% Wähler haben die Inhalte und Pläne der Partei noch nicht verstanden. Sei froh, sonst sähe es so richtig schlimm aus.

Klaus Reichert / 13.07.2018

Der Herr Broder kann schon ganz schön gemein sein. Man kann es aber als eine mit visionärer Voraussicht angereicherte Gemeinheit bezeichnen. Schließlich gingen die Umfrageergebnisse nach Schulzens 100% - Wahl zunächst auf über 30% hoch. Es sah gar nicht nach einem Absturz aus. Dann griff der Gewählte aktiv ein, propagierte die Transfer- und Haftungsunion und Rotrotgrün, lobte die gescheiterte Hannelore als neue Kraft und positionierte die SPD in der neu aufflammenden Migrationsdiskussion klar in der “open borders - off the wall” - Ecke. So schoss er seine Partei in drei Landtagswahlen ab und erfüllte im Bund fast Broders Prophezeiung. Blickt man auf 2017 zurück, dann wird das heutige Geschehen auch wieder klarer. Denn nur Schulz ist weg, der Rest der Funktionäre ist noch da. Und die Neuen, die da kommen, sind allesamt diejenigen, die Schulz 2017 mit 100 % gewählt haben und die jeden Anflug von Vernunft, zum Beispiel seitens Gabriel oder Nahles, umgehend mit 60 % - Ergebnissen bestraft haben.

Giovanni Brunner / 13.07.2018

Nachtrag Herr Broder; Sie werden sich bei meinem Statement vorhin vielleicht gefragt haben, was es mit dem “Pizzaboten” Kern von der SPÖ auf sich hat. Nun im Wahlkampf Finale 2017 entbloedete sich Herr Kern nicht “medienwirksam” an Haustüren “überraschend” mit einer Pizza aufzutauchen um für die SPÖ klinkenputzend Werbung zu machen. Blöderweise fiel einem Journalisten der Schwindel auf, handelte es sich beim ersten Besuchten um einen lokalen SPÖ Funktionär. Derartiges hat nicht einmal Herr Schulz oder Frau Nshles zusammengebracht. Dabei. wenn ich mir vorstelle…. Frau Nahles würde mit einer Pizza bei Ihnen läuten…..

Martin Wessner / 13.07.2018

@Hajo Wolf Die schlimmste der schlimmen Sozialdemokraten haben Sie in Ihrer Aufzählung leider vergessen. Frau Yasim Fahami. Liegt aber wohl daran, dass selbst die SPD erkannt hat, dass diese Dame derartig unsympathisch rüberkommt, sodass sie scharenweise die potentielle Wählerschaft vergrault. Wer die Politikerin in diversen ÖRR-Diskussionen erlebt hatte, der konnte nur mit Entsetzen feststellen, dass Yasim Fahami, die -wie sollte es auch anders sein- der Parteilinken zugehört, offensichtlich nur aus reinen Hass auf Gott und die Welt im Allgemeinen und auf Deutschland und die Deutschen im Besonderen bestand. Also hat man sie 2015 als Generalsekretärin der SPD abgesägt und sie anschliessend still und heimlich ins Backoffice verschoben, weil sie der Kundschaft im Frontoffice einfach nicht mehr zumutbar war.

Giovanni Brunner / 13.07.2018

Ja Herr Broder, Sie haben das richtig analysiert. Es gibt jedoch dabei einen Schönheitsfehler. Die Kranke linksideologische Wählerschaft hat sich deswegen leider nicht in Luft aufgelöst und hat sich auch nicht bekehren lassen. Sie wandert zu den Grünen und zur Linken, wobei ein paar sicherlich auch zur Rautenmutti. Man könnte dies in Österreich bei den letzten Wahlen sehr gut studieren. Um ÖVP und FPÖ, sprich Kurz und Strache zu verhindern, wählte vor allem die staedtische Hipster und Bobo plage statt grün rot. So wollte man den slim fit Pizzaboten den Kanzler für die SPÖ retten. Selbst die widerliche antisemitische Propaganda seitens des SPÖ Beraters Silberstein (sollte der FPÖ untergeschoben werden) störte dabei nicht!

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