Rainer Grell / 24.07.2018 / 16:00 / Foto: Bundesarchiv / 27 / Seite ausdrucken

„Sie haben hier niemals Vorfahrt“

Ein alter Freund von mir, der mit einer Französin verheiratet ist und sich deshalb häufig in Frankreich aufhält, hatte dort einmal folgendes Erlebnis. Ein Auto mit französischem Kennzeichen nahm ihm die Vorfahrt. Als beide an der nächsten Ampel halten mussten, stieg mein Freund aus und machte den Fahrer in akzentfreiem Französisch darauf aufmerksam, dass dieser ihm die Vorfahrt genommen habe. Darauf der Franzose mit süffisantem Lächeln: „Monsieur, vous n’avez jamais ici la priorité.“ – Mein Herr, Sie haben hier niemals Vorfahrt.

An diesen Vorfall muss ich jedes Mal denken, wenn wieder mal irgendjemand die Rassismuskeule schwingt: Wir, die autochthonen, indigenen Deutschen können manchen, was wir wollen, wir ziehen bei Meinungsverschiedenheiten mit Ausländern, in Sonderheit mit (türkischen oder arabischen) Muslimen, immer den Kürzeren. Zu schwer hängt der Mühlstein der zwölfjährigen Schreckensherrschaft des so genannten Dritten Reiches um unserem Hals. Da hilft es auch nichts, wenn der marokkanische Schriftsteller Taher Ben Jelloun uns Schützenhilfe leistet: „Genau, wenn einem die Argumente ausgehen, bleibt immer noch der Rassismus“ („Verlassen“, Berlin Verlag). Jelloun hat seiner damals zehnjährigen Tochter Mérième auch erklärt, was Rassismus bedeutet: „Le Racisme expliqué à ma fille“ („Papa, was ist ein Fremder?“).

Vor gut zwei Jahren schrieb ich auf der Achgut.com zu diesem Thema: „Mit der Ausdehnung des Diskriminierungsbegriffs haben wir genau so einen Holzweg betreten wie beim Toleranzbegriff (lies hierzu Henryk M. Broder, Kritik der reinen Toleranz) und der sozialen Gerechtigkeit (lies hierzu August Friedrich von Hayek, Die verhängnisvolle Anmaßung: Die Irrtümer des Sozialismus) Und Holzwege landen irgendwann in der Sackgasse".

In der Rassismus-Diskussion, die eigentlich gar nicht stattfindet, befinden wir uns längst in der Sackgasse. Argumente haben in diesem Zusammenhang nichts verloren. Wenn Deutschland wirklich so rassistisch ist, wie manche meinen, fragt man sich allerdings, warum sie diesem schrecklichen Land noch nicht den Rücken gekehrt haben. Und warum so viele Migranten nach Deutschland drängen. Offenbar haben sie nicht die geringste Ahnung, wie es hier zugeht. Und wenn sie es nach ihrer Ankunft merken, ist es meistens zu spät. Oder wie muss ich mir das vorstellen?

„Zu den Gefilden hoher Ahnen“

Was soll ich von einem Deutschen mit türkischen Wurzeln, der übrigens nur die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, halten, wenn er auf Englisch erklärt: “I have two hearts, one German and one Turkish.“ – In meiner Brust schlagen zwei Herzen, ein deutsches und ein türkisches. Klingt fast wie Goethes Faust: „Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust“. Aber da endet auch schon die Gemeinsamkeit. Oder vielleicht doch nicht. Bei Goethe heißt es weiter: „Die eine will sich von der andern trennen; die eine hält, in derber Liebeslust, sich an die Welt mit klammernden Organen; die andere hebt gewaltsam sich vom Dust zu den Gefilden hoher Ahnen.“ Dass Goethe da mit seinem „dust“ (Staub) ins Englische geraten sein könnte, ist natürlich abwegig, denn es handelt sich um eines der zahllosen veralteten Wörter aus Goethes riesigem Sprachschatz, an das heute allenfalls noch die Wendung „zappenduster“ oder der Kinderreim „pinke, panke, puster, im Keller ist es duster“ erinnert.

Doch zurück zu einer eventuellen Parallele. Wenn Ulf Poschardt in der Welt von Mesut Özils „heideggerschen existenziellen Sorge“ fabuliert, dann darf hier wohl auch das Goethe-Zitat strapaziert werden.

Dass Özil sich „an die Welt mit klammernden Organen“ hält, mag man bei einem Jahresgehalt von 15,6 Millionen GBP (etwa 17,5 Millionen Euro) gerne glauben. Er verdient dieses schöne Geld allerdings in England, weshalb er vermutlich „aus Respekt“ vor seinem derzeitigen Gastland seine Auseinandersetzung mit dem DFB und anderen auf Englisch verfasst hat. Ich bin wahrlich kein Freund von Heiko Maas, aber der Ansicht, „dass der Fall eines in England lebenden und arbeitenden Multimillionärs“ keine Auskunft über die Integrationsfähigkeit in Deutschland gebe, kann ich meine Zustimmung nicht versagen. 

Beim Treffen mit Erdoğan zog es Özil dann offenbar „zu den Gefilden hoher Ahnen“, denn “my mother has never let me lose sight of my ancestry, heritage and family traditions.“ – Meine Mutter hat mich niemals den Blick auf meine Ahnen (sic!), mein Erbe und meine Familientraditionen verlieren lassen.

"Vielfalt, die nicht auf Einheit zurückgeht, ist Wirrwarr"

Allerdings scheint er für einen Moment von Größenwahn und tiefer Ignoranz gleichzeitig befallen worden zu sein, als er sein Treffen mit dem türkischen Präsidenten mit der Begegnung zwischen diesem und der Königin sowie der britischen Premierministerin in einem Atemzug nannte: „Having respect for political office is a view that I’m sure both the Queen and Prime Minister Theresa May share, when they too hosted Erdogan in London.“ Respekt vor einem politischen Amt zu haben ist ein Standpunkt, den – da bin ich mir sicher – auch die Königin und Premierministerin Theresa May teilten, als sie Erdogan in London empfingen.    

Leider ließ er diesen Respekt gegenüber dem Land vermissen, dem er so viel verdankt. Es erschien ihm offenbar attraktiver, in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft zu spielen statt in der türkischen (wie etwa der ebenfalls in Gelsenkirchen geborene Hamit Altintop). Aber damit hatte es sich dann auch. Die Nationalhymne wollte er nicht mitsingen und betete stattdessen lieber.  

Die Vielfalt in der Nationalmannschaft ist in der Tat beeindruckend. Aber schon der französische Philosoph Blaise Pascale hatte erkannt: „La multitude qui ne se réduit pas à l'unité est confusion; l'unité qui ne dépend pas de la multitude est tyrannie.“ – Vielfalt, die nicht auf Einheit zurückgeht, ist Wirrwarr. Einheit, die nicht auf Vielfalt gründet, ist Tyrannei. Nicht umsonst hat Poschardt dem derzeitigen Arsenal-Spieler einen „erratischen Charakter“ bescheinigt. Laut Duden bedeutet erratisch „im Schlingerkurs befindlich, abirrend, nicht stringent“.

Doch, wie gesagt, das wird uns alles nicht helfen, wie uns schon Dunja Hayali ins Stammbuch geschrieben hat: „Wenn Sie sich rassistisch äußern, dann sind Sie verdammt nochmal ein Rassist.“ Und was rassistisch ist, entscheidet immer noch der Mainstream oder eben Dunja Hayali oder Naika Foroutan oder Sawsan Chebli oder zur Not auch Katarina Barley oder wie sie alle heißen.

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Leserpost

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Volker Kleinophorst / 24.07.2018

Stimme dem französischen Autofahrer (und Ihnen Herr Grell) vollumfänglich zu. Die Fremdenvergottung in Deutschland ist absurd. Das kommt davon, wenn man der Dunja, der Claudia, der Katharina aber natürlich auch dem kleinen Anton und dem Robert, das Land überlässt. Und der “roten Kasner”. (Geburtsname von A.M. Der “rote Kasner” wurde ihr Vater genannt. Ach wär der stolz.)

Gudrun Meyer / 24.07.2018

Warum machen Sie sich die Mühe, den “Fall” Özil zu kommentieren und dann noch auf die Unschärfe der üblichen Rassismus-Definitionen hinzuweisen? Es ist doch ganz einfach: RASSIST ist, wer der RASSISTISCHEN RASSE angehört, die deutsch, weiß, westeuropäisch (übrigens auch französisch, trotz Ihrer Andeutung, Franzosen wären nationalistischer und damit geistig normaler) oder jüdisch sein kann und in fast allen ausgeprägten “Fällen” männlich ist. Rassismus ist ein abendländisches Kultur- und damit nach linken Erkenntnissen ein, Rassemerkmal Selbst außerhalb diese minderwertigen Kreises kann RASSIST sein, wer vom zuständigen Wahrheitsministerium (etwa der örtlichen Zeitung oder “Anti"fa-Gruppe) dazu erklärt worden ist. Das tiefere Hassobjekt ist hier eben nicht der NS, nicht die Vergangenheit, sondern die abendländische Kultur. Als die somalischstämmige Niederländerin Ayaan Hirsi Ali sich klar hinter die abendländischen Werte stellte, wurde sie trotz politkorrekter Hautfarbe und Geschlechtszugehörigkeit zur RASSISTIN und RECHTSPOPULISTIN erklärt und nach einer sehr desinformativen “Entlarvung” im Fernsehen ausgebürgert. So gehen Gutmenschen halt mit politischen Inkorrektlingen um.

Jochen Hensel / 24.07.2018

Ich zitiere den Kabarettisten Andreas Rebers: Deutschland ist vom sadistischen Täterstaat zum masochistischen Opferstaat geworden. Frage zu Özil: Würde er es auch als türkischer Nationalspieler wagen, die Hymne nicht mitzusingen?

Helmut Bühler / 24.07.2018

Und das Tröstliche bei diesem ganzen Klamauk ist, dass uns, die wir nicht Selbsthasser sind oder als Politik- und Medienhure unser Geld verdienen, ass uns dieses ganze Rassismusgetue samt den Hajalis komplett am A…. vorbei geht.

Paul Siemons / 24.07.2018

Nazikeule, Rassismuskeule, alles aus dem selben Unterholz geschnitzt. Da ist Ignorieren angebracht.

Roland Müller / 24.07.2018

Ich sehe keinen Grund, warum man die Äußerungen der vier genannten Damen ernst nehmen müsste. Bei denen kann man sich allenfalls darüber streiten, ob sie verwirrt oder verworren sind.

Leo Hohensee / 24.07.2018

„Vielfalt, die nicht auf Einheit zurückgeht, ist Wirrwarr“ Diese Erkenntnis kann ich gut nachvollziehen. „Und was rassistisch ist, entscheidet immer noch der Mainstream oder eben Dunja Hayali oder …… „Ich habe mir meinerseits Gedanken darüber gemacht wie man diese Leute unter einem Sammelbegriff fassen kann. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass die Bezeichnung „Meinungsvorherrschafts-Erleuchtete“ wohl am treffendsten deren Anspruch auf die “richtige” Meinung beschreibt.

Gabriele Schulze / 24.07.2018

Ich stelle mir vor, niemand würde auch nur mit einer Silbe auf Rassismus- und verwandte Anwürfe reagieren, sondern nur noch gähnen. Allenfalls ein “jo, jo..”. Schulterzuckend. Kein Artikel, nirgends. Die echten Rassisten, die es zweifelsohne auch gibt, können sich ja ihren Kram selber überlegen. Ich trainiere mir inzwischen eine Gleichgültigkeit an, um den täglichen Herausforderungen zu begegnen. Wenn z.B. Kopftuchfrauen extra gucken, ob ich gucke, womöglich rassistisch gucke. Oder so. Wehe, du machst mich nicht zum Opfer! Anstrengend und langweilig zugleich.

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