Thomas Rietzschel / 10.03.2022 / 16:30 / Foto: achgut.com / 115 / Seite ausdrucken

Putin hat noch eine Rechnung offen

Mag sein, dass Putin die Ukraine unterschätzt, dass er nicht mit dieser entschlossenen Gegenwehr gerechnet hat, nicht im Land und nicht draußen in der Welt, wo ihm fast von allen Seiten her Ablehnung und Verurteilung entgegenschlagen, aus der Politik, aus der Wirtschaft, der Kultur und dem Sport. Gut möglich, er dachte, das Land in einem Blitzkrieg zu überrollen. Stattdessen schleppt sich sein militärischer „Spezialeinsatz“ von Tag zu Tag, immer neue Kriegsverbrechen werden begangen. 

Dabei gibt es keinen Zweifel an der haushohen militärischen Überlegenheit der Russen. Putin weiß, dass sie ausreichen würde, die Ukraine über Nacht plattzumachen, trotz der sinkenden Kampfmoral seiner eigenen Truppe. Dass dies dem alten KGB-Offizier entgangen sein sollte, ist ebenfalls kaum vorstellbar. Und wenn tatsächlich so etwas wie „Wehrkraftzersetzung“ drohen sollte, dürfte sich der „lupenreine Demokrat“ kaum scheuen, durchzugreifen, so blutig wie es der Tradition der Roten Armee entspricht: Wer nicht voran stürmt, wird aus den eigenen Reihen von hinten erledigt.  

Eine Kränkung, die lange anhält

Warum also lässt der Kriegsherr die militärische Operation schleifen? Geht es am Ende gar nicht allein um die Besetzung der Ukraine? Ist die Invasion eher Mittel zum Zweck, der Weg das Ziel? Tatsächlich hat der Kreml-Despot noch eine ganz andere Rechnung offen, die mit dem Westen überhaupt. Dass seine politische Heimat, die kommunistisch-totalitär regierte Sowjetunion, Anfang der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts den kapitalistisch wirtschaftenden Demokratien unterlag, ist für den Diktator eine Kränkung, die er so schnell nicht verwinden kann. 

Alles, was er den Ukrainern an Leid und Elend zufügt, ist zugleich eine fortwährende Provokation der liberal und demokratisch organisierten Gesellschaften jenseits seiner Grenzen. Und je länger sich die Eroberung hinzieht, desto mehr Zeit bleibt Putin, mit immer neuen Kriegsverbrechen zu provozieren, so lange, bis der NATO – will sie sich nicht selbst aufgeben – nichts anderes übrig bleibt, als in den Konflikt einzugreifen. Nicht auszuschließen, dass es Putin auf den ganz großen Krach, den Dritten Weltkrieg anlegt. 

Diese meine Deutung wird Putins Sympathisanten auf die Palme bringen, besonders in Deutschland. „Starke Männer“ wie Putin dürfen deren Bewunderung allemal versichert sein. Aus dem Dschungel des Internets wird Geschichte geklittert, mit erfundenen Ereignissen angereichert, nur um den russischen Präsidenten ins Recht zu setzten, seinen Angriff auf die Ukraine als eine Art Notwehr zu verteidigen. 

Triumph der Steppe über die Zivilisation

Doch das alles ändert nichts an den Tatsachen. Putin hat den Befehl zum militärischen Überfall gegeben, und er hat schnell erkannt, wie er den Westen damit herausfordern kann. Je länger sich der Krieg hinzieht, umso größer ist seine Chance, es dem Westen heimzuzahlen. Das Unterlegenheitsgefühl, mit dem die Sowjetunion von der Bühne der Weltgeschichte abtreten musste, soll nun auch die kapitalistisch wirtschaftende freie Welt zu spüren bekommen, wenn sie ohnmächtig zuschauen muss, wie er mit Raketen auf die Zivilbevölkerung feuert. Frei nach dem Motto: Wer zuletzt siegt, siegt am besten, zerstört er unseren Glauben an die Humanität. Das ist zynisch, mit Solschenizyn zu sprechen, ein barbarischer Triumph der Steppe über die Zivilisation. 

Wenn Putins Armee ein Kernkraftwerk beschießt, weiß der Feldherr natürlich, was das schlimmstenfalls nach sich ziehen kann. Wird dabei ein Reaktor zerstört, kommt es zu einer atomaren Verstrahlung, die sich über alle Grenzen hinweg ausbreitet. Die Nachbarländer sind zwangsläufig betroffen. Sie werden angegriffen, ohne dass auch nur ein russischer Soldat seinen Fuß auf deren Boden setzen musste. Gegenschläge werden unausweichlich.

Da er das riskieren will – Putin sprach bereits vom Einsatz taktischer Atomwaffen –, wäre es nur vernünftig, gingen die Politiker künftig davon aus, dass der russische Potentat mit der Welt um den Preis ihres Untergangs va banque spielen will, nur um sich Genugtuung gegenüber dem Westen zu verschaffen.

Wer ihm jetzt nicht in den Arm fällt, wird später dazu keine Gelegenheit mehr haben. 

Foto: achgut.com

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Leserpost

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Peter Neumeyer / 10.03.2022

Ich muss eingestehen, dass ich mich getäuscht habe in meiner Einschätzung von Putin. Ja ich war ein Putinversteher. Jetzt geht es mir um so mehr auf den Wecker, dass hier die vermeintlich allwissenden Putinversteher immer noch weiter nach dem Motto ich als großer Denker kann mich doch nicht geirrt haben und Dummheit und Stolz wächst auf einem Holz, weiter die Achse so verunglimpfen. Nein dieser kleine narzistische Nazi Coronaschisser Putin, sitz in seinem Bunker, vernichtet nicht nur die Leben in der Ukraine, sondern auch die der jungen russischen Soldaten auf Deutsch ohne Umschweife ein karakterloses feiges Ar….

Peter Thomas / 10.03.2022

Der seit über 40 Jahren frustriert-grollende Sowjetstalinist will den liberal-demokratischen Nato-Westen durch fortdauernde Menschenrechtsverbrechen endlich soweit reizen, daß der dritte Weltkrieg vom Westen initiiert erscheint? Der Autor hat mich überzeugt: Freiheit ist Sklaverei. Unwissenheit ist Stärke. Die GröKaz ist die fleischgewordenen Nächstenliebe. PS: Und das BVG verteidigt das Grundgesetz, nichts als das Grundgesetz. S.w.i.G.h.

E. Runge / 10.03.2022

@beat schaller - sehe ich auch so.

Helmut Bühler / 10.03.2022

Gut, dass uns Herr Rietzschel den Putin erklärt und vor Augen führt, dass der den dritten Weltkrieg plant. Daran hindern können wir ihn nur, indem wir ihm in den Arm fallen. Ich habe lange überlegt, wie sich das der Herr Ritzschel vorstellt, das in-den-Arm-fallen. Mir fällt nichts weiter ein, außer dass der Herr Rietzschel dafür plädiert, nicht Putin, sondern vielmehr die Nato solle den Weltkrieg beginnen. Man müsse ihm da zuvor kommen. Was werden wir als nächstes erfahren? Dass Putin gar nicht Putin ist, sondern sich einer dieser Reptilienmenschen, die dem Vernehmen nach die Welt beherrschen, den nur angezogen hat?

Franz Klar / 10.03.2022

@R. Reger : “Haben Sie eine Ahnung, in welchem Maße taktische Atomwaffen bereits im Balkankrieg eingesetzt wurden? Ganz ohne spektakulären Atompilz?” Nein , keine Ahnung . Bitte klären Sie uns auf , leider erreiche ich die Internetseite Wahra.Sagenknecht.ru nicht mehr . Weiß der Deibel ...

Dieter Weingardt / 10.03.2022

Was ist denn das jetzt? Nach Ihrer Logik, Herr Rietzschel, hätte man die Russen ja vorsorglich in die Steinzeit zurückbomben müssen und gleichzeitig: den Iran, Pakistan, China, Nordkorea und vielleicht noch Düsseldorf, da wir schon dabei sind und falls Sie zufällig aus Köln sein sollten? Küchenpsychologie untere Schublade links, da wo es etwas ranzig riecht.

Karla Kuhn / 10.03.2022

“Nicht auszuschließen, dass es Putin auf den ganz großen Krach, den Dritten Weltkrieg anlegt.” Solche Aussagen sind der BILDZEITUNG würdig, hier unterstützen sie nur die KRIEGSTREIBEREI. Könnte, hätte Fahrradkette !!

Werner Grandl / 10.03.2022

Was uns gerade verschwiegen wird: Die USA unterhalten in der Ukraine geheime Biotechnik-Labore für Anthrax und ähnliches! Bitte seht euch Tucker Carlson auf FoxTV an!!!  Gegenüber dem Senator Rubio gestand die Unterstaatssekretärin Viktoria Nuland vor kurzem diesen Sachverhalt öffentlich ein! Die Realität ist schlimmer als alle “Verschwörungstheorien”!

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