Sylt 1 Von unserer Pension aus erreichte man in etwa 15 Minuten den sehr schönen und breiten Sandstrand, der zudem mit vielen Körben ausgestattet war. An diesem Teilstück lagen auch die Patienten der Klinik und so wurde der Anblick von kriegsversehrten Männern etwas Alltägliches. Hier konnte man sehen, was sich hinter den von außen nur unmerklich humpelnden Männern verbarg, wenn sie ihre Hosen auszogen - Beinstümpfe, manchmal auf beiden Seiten, ungleichmäßig lang, einige unter dem Knie abgenommen, mal sehr hoch am gewesenen Oberschenkel. Arme hatten sie oft, bei denen man die Teilung der Elle und der Speiche sehen konnte, bei vielen jedoch schaute nur noch ein Stummel in der Verlängerung des Schulterblattes heraus, ein Stummel, der sich manchmal zusammenkrampfte, wenn der Mann den Muskel des Stumpfs anspannte. Die Männer waren gar nicht so alt, - wer 1944/45 als 16 bis 20jähriger verletzt wurde, war nun, 1970, gerade mal Anfang Vierzig bis 45 Jahre alt, nur eine kleine Minderheit schätzte ich deutlich über 50. Wir frühstückten in der Ferienpension immer in einem kleinen Anbau, wo alle Gäste zusammenkamen. Einer der Gäste war auch gleichzeitig in der Nordseeklinik in Behandlung, denn er war ein so genannter Kriegsversehrter. Ich versuchte ihm bei unserer ersten Begegnung aus dem Weg zu gehen, drückte mich hinter meinen Eltern aus der zweiten Eingangstür. Bemerkenswert und nicht hoch genug zu schätzen ist der Fakt, dass meine Eltern mit mir anschließend über mein Verhalten sprachen und mir klarmachten, wie notwendig es sei, diesem Menschen freundlich zu begegnen und sogar die Hand zu geben, - die Hand, die keine war; denn hierin lag das Problem:
Sylt 2 Der Mann besaß dort nichts was den Namen „Hand“ rechtfertigen würde - es war ein formloser Klumpen Fleisch, vielleicht nicht einmal das. Wie sollte man zudem einem Wesen ins Gesicht schauen, das über keinerlei Gesichtszüge, über keine sichtbaren Regungen dort verfügte, denn: Es war auch kein „richtiges“ Gesicht vorhanden, wo das Gesicht sein sollte. Die Stelle, wo das Gesicht sein musste, war eine einzige Fleischmasse, ein erstarrtes, wächsernes, fast plastikartiges und völlig zerfurchtes Etwas, hinter dem sich Augen bewegten, die aus einem wiederum starren und verzogenen Umfeld blickten. Dieser Mann war nicht einmal 50 Jahre alt und - so erzählte man uns - im letzten Kriegsjahr als 18jähriger Soldat mit einer Brandbombe in Berührung gekommen, die im Grunde seine gesamte sichtbare Hautfläche zerstörte. Aber: Ich gab im am nächsten Morgen zur Begrüßung die Hand - meine Eltern hatten mich ihm vorgestellt und mein eiliges Verschwinden am Tage zuvor irgendwie entschuldigt. Doch es war auch gar nicht so schlimm diese Hand zu spüren, auch wenn ich sie als ungewöhnlich kalt empfand. Nur wenige hundert Meter von diesem Bereich entfernt, begann der FKK-Bereich von Wenningstedt, der mich kurzzeitig interessierte, weil ich dieses Phänomen massenhaft nackter Menschen nicht kannte. Außerdem hatte mir meine Mutter schon erzählt, wie es war, als sie Werner Höfer - oh graus - ohne alles, nein, mit Sandalen bekleidet und mit nichts als Sandalen an den Füßen und den dazu gehörenden Socken(!), gesehen hatte. So ganz ohne Frühschoppen und ohne antisemitische Pamphlete.
Sylt 3 Wenn man über die schmalen Holzwege durch die nahen Dünen ging, konnte man manchmal Wolken süßlichen Duftes riechen, die hier durch die klare Luft waberten, – die ersten Hippies waren angekommen! Sie rauchten sich die Revolte aus dem Kopf und jeder zweite pflegte den kleinen Charles Manson in sich. Auf Sylt perfektionierte ich meine Schwimmkünste. Der Schwimmunterricht im Jahr zuvor, gehörte zu den grauenvollsten Erinnerungen der gesamten Realschulzeit, den unser Sportlehrer, der schon recht betagt wirkende Herr K., fest verwachsen mit seinem weinroten Trainingsanzug, mit deutscher Übungsleiterpädagogik durchzog. Erst im Nordseewasser erreichte ich die Leichtigkeit, die man für die Bewegungen notwendigerweise braucht. Im Freibad Keitum, das zum Teil überdacht war, schaffte ich dann sogar meinen Frei - und Fahrtenschwimmer, letzteren jedoch nur, weil das 3 Meter - Brett an diesem Tag defekt war und ich stattdessen drei Mal vom Einer springen durfte. Da hatte ich großes Glück, denn um keinen Preis der Welt wäre ich aus drei Metern Höhe in die Tiefe gesprungen! Manchmal übrigens, kamen hier Nadja Tiller und Walter Giller vorbei. In Kampen betrieb die alte Ausdruckstänzerin Valeska Gert den „Ziegenstall“ und der aus der ZDF-Unterhaltungssendung „Der goldenen Schuss“ geschasste Lou van Burg besaß in Keitum eine Bar (”Keitumer Keller”), in der auch Kabarett aufgeführt wurde. Man hatte van Burg damals beim ZDF rausgeschmissen, weil er sich scheiden lassen wollte und dies war Ende der 60er Jahre bei jemandem, der in der Öffentlichkeit stand, für die prüden Herren des so genannten „Adenauer-Fernsehens“ noch immer nicht hinnehmbar.
Sylt 4 Wir sahen uns in van Burgs Bar einen Abend mit Jürgen von Manger an. Lou van Burg begrüßte jeden seiner Gäste persönlich, legte seinen Arm um meine Schulter und wies die Plätze an. An jenem Abend lernte ich die Kapitalistenklasse kennen und vorläufig hassen… In meiner Heimatstadt Hagen gibt es ein Gebiet, welches oberhalb der durch den Basketball bekannten Ischelandhalle und des Fußballstadions, des ehemaligen Zweitligisten SSV Hagen liegt und „der H…“ heißt. Einer dieser Hs, Schulte-H, einer sehr besitzenden westfälischen Familie, saß an diesem Abend an unserem Tisch. Er war ein feister Typ Marke Erhard, in Begleitung eines ebensolchen Individuums und zweier erheblich jüngerer, in klassischer Weise zurechtgemachter Damen, welche nur schlecht ihre Langeweile kaschierten. H beschwerte sich bei Lou van Burg, es wäre ihnen ein separater Tisch versprochen und nun säßen drei weitere Personen am Tisch. Van Burg erklärte ihm allerdings, aus Platzgründen könne man keine Änderungen herbeizuführen und die Sitzordnung wäre immer so, ohne dass sich jemand darüber beschwert hätte. Der Dickwanst wurde kleinlauter, stellte sich nun vor und machte seinen Frieden mit der Situation. Er wurde dann unerträglich gesprächig und erzählte seine Familien, Besitz und anderweitige Geschichten und ich hatte das zweifelhafte Vergnügen, Mitglieder der „feinen Gesellschaft“ den ganzen Abend beobachten zu können, wie sie lachten, aßen, tranken, mit ihren Frauen scherzten, herablassend schwadronierten und unnütz in die Gegend starrten.
Sylt 5 Das von Manger-Programm wurde für mich zur Nebensache, ich hatte in diesen Stunden erlebt, wie eine Abneigungen gegen solche Menschen entstehen konnte und der Eindruck dieses Erlebnisses sollte ein bleibender ein. 1972 hatten wir von Sylt eine Ausflugsfahrt nach Helgoland mitgemacht - bei Windstärke 8! Mein Vater und ich landeten in der Station des Roten Kreuzes. Logisch, das an diesem verhängnisvollen Tag, da mir der Stand erstmals in meinem Leben verloren ging, der FC Schalke 04 mit 5:0 gegen Kaiserslautern das DFB-Pokalendspiel 1972 gewann. Unangenehm war vor dem nächsten Urlaub im Jahre 1973, dass mein Hamster Schnüffi sich seit Tagen sterbenskrank durch den Käfig schleppte. Was sollte ich tun? Alle meine Tiere vergrub ich nach ihrem Ableben hinter der Garage, die neben dem Haus stand. Wenn ich nun in den Urlaub fahren würde und Schnüffi stürbe ein oder zwei Tage später, vielleicht schmisse man ihn einfach in den Müll - jedenfalls wüsste ich nicht wo er genau wäre und schließlich besaß ich ihn schon eine ganze Weile. Weil er mir so ans Herz gewachsen war, entschloss ich mich ihn zu erschießen. Es war eine Qual, - für mich! Ich nahm ihn aus dem Kasten, setzte ihn auf die Wiese hinter dem Haus und weinte. Immer wieder nahm ich Anlauf. Zwar konnte ich gut mit dem Luftgewehr umgehen, hatte früher dummerweiße als Kind auch schon mal beim Spatzenschießen mitgemacht, doch dieses kleine braune Geschöpf hatte ich sehr lieb. Aber was blieb mir schon anderes übrig? Nach einer halben Stunde Kampf mit mir und meinem Gewissen, entschloss ich mich zur bitteren Notwendigkeit, setzte Schnüffi den Lauf ins Genick und drückte ab. Die Kugel durchschlug den Körper, der überhaupt nicht zuckte. Ich begrub ihn an der Garage und konnte nun beruhigter in den Urlaub nach Sylt fahren.
Ein schwacher Artikel, C. Casula. In “Chronik des Irrsinn für Monat Juli” noch über den BlackRocker abgelästert, weil er mit dem Privatflieger zur Proletenhochzeit, die mit Steuergeldern gesichert wurde, eingeschwebt ist, und nun sich in kleinbürgerlicher Manier über ein paar Punks aufregen, die in einen Dorfbrunnen pinkeln und die Proleten auf Sylt ärgern wollen. Was bitte schön soll an der AdG überhaupt ‘alternativ’ sein ? Wie wär’s denn stattdessen mit einem Artikel darüber, daß die Häkeloma aus dem BMV ein paar Fighter-Jets nach Australien demnächst sendet, damit die sich dort schon mal an einen etwaigen Einsatz an der Seite der “guten USA” gegen China vorbereiten können ? Oder ein paar Clowns aus dem Kiga Bullerbü in Berlin im Herbst auch mal kurz nach Taiwan rübermachen, um Flagge und Haltung zu zeigen ? Man darf gespannt sein, wenn die USA auch in der Taiwan-Frage zündeln, in welche Rtg. dann das Fähnchen auf der Achse wehen wird. Dann ist bestimmt an allem Unheil der böse Xi schuld; nur womit sollen wir den dann noch sanktionieren ? Ist ja nix mehr da zum Sanktionieren. Nur nebenbei: Auf Sylt war ich noch nie u will ich auch nicht hin. Und die Proleten dort sind mir so egal wie andere Nobelorte wie Nizza oder Monaco auch. Kann man sich mal anschauen, muß man aber nicht - und schön ist’s dort auch nicht.
“Wer will nicht mit Gammlern verwechselt werden, wir | Wer sorgt sich um den Frieden auf Erden, wir | Ihr lungert herum in Parks und in Gassen | Wer kann eure sinnlose Faulheit nicht fassen | Wir, wir , wir ||| Wer hat den Mut für euch sich zu schämen, wir | Wer lässt sich unsere Zukunft nicht nehmen, wir | Wer sieht euch alte Kirchen beschmieren | Und muss vor jede Achtung verlieren | Wir, wir, wir ||| Denn jemand muss da sein, der nicht nur vernichtet | Der uns unsren Glauben erhält | Der Lärm der sich bildet sein Pensum verrichtet | Zum Aufbau der morgigen Welt ||| Die Welt von morgen sind bereits heute, wir | Wer bleibt nicht ewig die lautstarke Meute, wir | Wer sagt sogar, dass Arbeit nur schändet | Wer ist so gelangweilt, so maßlos geblendet | Ihr, ihr, ihr ||| Wer will nochmal mit euch offen sprechen, wir | Wer hat natürlich auch seine Schwächen, wir | Wer hat sogar so ähnliche Maschen | Auch lange Haare, nur sind sie gewaschen | Wir, wir, wir ||| Auch wir sind für Härte | auch wir tragen Bärte | Auch wir gehen auch oft viel zu weit | Doch manchmal im Guten in stillen Minuten | Da tut uns verschiedenes leid ||| Wer hat noch nicht die Hoffnung verloren, wir | Wer dankt auch denen die uns geboren, wir | Doch wer will weiter nur protestieren | Bis nichts mehr da ist zum Protestieren | Ihr, ihr, ihr! ||| ” Für dieses Lied wurde der Sänger und Schauspieler aus der Gesinnungsgemeinschaft der Gutmenschen und der ehrenwerten Gesellschaft der 68’er ausgestoßen! Deutschland braucht einen NOSKE!
@Ilona Grimm: Dieser Satzanfang von Scholz: “Niemand hat…” ist so verräterisch, dass es mich graust! Nun weiß ich, was auf uns Spaziergänger und friedliche Demonstranten im Herbst und Winter zukommt.
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