Henryk M. Broder / 17.06.2019 / 12:00 / Foto: Frank Schwichtenberg / 110 / Seite ausdrucken

Panorama und das Recht auf Teilhabe

Das Misstrauen in die Bericherstattung der Ö-R mag ja übertrieben sein, ganz unberechtigt ist es nicht. Vor allem die Korrespondenten und Korrespondentinnen, die im Nahen und Mittleren Osten stationiert sind oder dorthin reisen, um von Kairo aus über die Ereignisse in Teheran zu berichten, färben ihre Berichte gerne subjektiv ein, um ihnen ein ordentliches Maß an Street Credibility zu geben. Deswegen sind sie ja vor Ort, statt daheim zu sitzen und CNN und BBC zu schauen.

Aber auch viele Berichte aus dem Inland sind auf eine Weise manipulativ, dass man glauben möchte, hinter ihnen sei eine höhere Macht am Werk. Genau das ist nicht der Fall. Die Redaktionen sind unabhängig und die Redakteure nutzen diese Unabhängigkeit aus, um Selbstverwirklichung zu betreiben und das Volk zu erziehen. Es muss ein tolles Gefühl sein, darüber entscheiden zu können, was die Zuschauer und Zuhörer erfahren dürfen und was nicht. Wann es um „Dinge von gesellschaftlicher, nationaler oder internationaler Relevanz" geht, Dinge, "die für die Mehrzahl der rund 83 Millionen Deutschen von Bedeutung sind“ oder eben nicht.

Das NDR-Magazin "Panorama" hat ein Gespür für Dinge von gesellschaftlicher, nationaler und internationaler Relevanz. Und Anja Reschke macht ihren Job so gut, dass man sich wünscht, sie würde bei der Deutschen Bahn die Reisenden trösten, deren Züge ausgefallen sind. Falls Sie die letzte Panorama-Sendung vom 14.6. verpasst haben, nehmen Sie sich bitte neun Minuten Zeit und holen Sie das Versäumnis nach. Es geht um eine Frge, die "viele seit langem umtreibt", nämlich, "wie man mit den Rechten umgehen" sollte. Wohlbemerkt, nicht mit den Rechtsextremen, Rechtsradikalen, Alt-Nazis, Neu-Nazis, nein mit den Rechten. Jeder anständige Bürger und jede anständige Bürgerin, Anja Reschke vorneweg, fragt sich, "wie man miteinander klarkommen soll, wenn die Wertvorstellungen so weit auseinanderdriften".

Welche Werte dürfen es sein?

Allein diese Anmoderation ist schon ein Grundsatzprogramm. Und nur wenige werden sich fragen, welche Wertvorstellungen Anja Reschke meint, die eine Volksgemeinschaft zusammenhalten und ein Auseinanderdriften verhindern sollen. Wir wissen, welche Werte es in der SU, im Dritten Reich und in der DDR waren, nämlich diejenigen, die von der jeweils herrschenden Clique vorgeschrieben wurden. Aber welche Werte sind es heute, in einer weitgehend liberalen, diversen, toleranten und horizontal organisierten Gesellschaft, in der es kein Oben und kein Unten, sondern nur noch ein Miteinander gibt, in der die "Ehe für alle" gilt, Laktoseintoleranz und Glutenunverträglichkeit zu den beliebtesten Volkskrankheiten zählen und die Bundesregierung nicht weniger als 37 Bundesbeauftragte, Koordinatoren und Koordinatorinnen beschäftigt, damit kein Problem und kein Missstand unbehandelt bleibt.

Allerdings gibt es noch keinen Bundesbeauftragten für rechte Umtriebe, also müssen Anja Reschke und ihre Truppe diese Aufgabe übernehmen. Sie machen es gut, sogar sehr gut. Mit der gleichen Technik könnte man auch beweisen, dass die Juden und die Radfahrer an allem schuld sind, und Jedermann und Jedefrau würde daraufhin nur fragen: "Wieso die Radfahrer?"

Ich habe mir diesen Beitrag angesehen und bin, ich gebe es zu, sprachlos. So sprachlos, als wäre ich vor dem KaDeWe in einen Hundehaufen reingetreten und würde nun staunen, dass es kein Eclair war. Deswegen nur dies:

Es geht nicht um die AfD

Es geht nicht um die AfD oder den Umgang mit der AfD, einer Partei, die, wie Frau Reschke anfangs feststellt, bis jetzt so behandelt wurde "wie jede andere Partei auch", wobei sie leider zu erwähnen vergaß, dass dieser Partei entgegen der Geschäftsordnung des Bundestages der Sitz eines/einer stellvertretenden Vorsitzenden verweigert wird. Ganz so wie jede andere Partei auch, wird die AfD doch nicht behandelt. Das hat vor Kurzem sogar der ARD-Faktenfinder v.D. festgestellt.

Das ist zwar nicht ganz im Sinne einer inklusiven Gesellschaft, die jedem – egal, was er verbrochen hat – noch eine Chance gibt, aber doch im Einklang mit der Tradition einer selektiven Ausgrenzung. Die LINKE, immerhin eine Nachgeburt der SED, ist inzwischen voll resozialisiert. Gegenüber der AfD aber stellt sich die Frage: "Hat jeder ein Recht auf Teilhabe an allem?"

Natürlich nicht. Kein FKK-Verein kann verpflichtet werden, Mönche und Nonnen aufzunehmen. Und auch die deutsche Sektion des PEN International käme nicht auf die Idee, ihre Satzung so zu ändern, dass auch des Lesens und Schreibens Unkundige aufgenommen werden können – obwohl ich mir da nicht wirklich sicher bin. Deswegen lässt Panorama "prominente Vertreter von Vereinen und Verbänden" zu Wort kommen, die beschlossen haben, dass die AfD vor der Tür bleiben muss.

Wer sind nun diese Prominenten? Die üblichen Verdächtigen, deren Namen man seit gefühlt 74 Jahren unter jeder Resolution findet? Klaus Staeck, Iris Berben und Konstantin Wecker? Nein, es sind der Präsident des Evangelischen Kirchentages, formerly known als ein Investigativ-Reporter, der Präsident eines großen deutschen Fußballvereins und der Chef eines Wohlfahrtsverbandes. In einer Nebenrolle auch der Bischof der Evangelischen Kirche von Berlin-Brandenburg, der von einer Partei spricht, die "Gotteslästerung" betreibt, womit er nicht die Grünen meint, die dem Herrn ins Handwrk pfuschen und dem Klima den Weg weisen wollen.

Keine Erste Hilfe

"Die Gräben müssen tiefer sein, sie müssen unüberwindbar sein, es muss eine klare Ausgrenzung geben", sagt der Präsident des großen deutschen Fußballvereins. Der Chef des Wohlfahrtsverbandes erklärt, warum sein Verein es ablehnt, AfD-Mitglieder in Erster Hilfe auszubilden – weil die AfD "den Holocaust verharmlost, indem sie ihn als 'Vogelschiss der Geschichte' bezeichnet". Unter den Nazis seien viele jüdische Ärzte verfolgt und ermordet worden. "Und deshalb ist es für uns unmöglich, eine von Herrn Gauland geführte Bundestagsfraktion in Erster Hilfe auszubilden."

Ja, wenn man genau hinschaut, sieht man auf Gaulands Händen noch das Blut der verfolgten und ermordeten jüdischen Ärzte. Aber wieso sitzt der Mann noch im Bundestag und nicht im Knast? Allerdings, wenn "Herr Gauland beim Schwimmen in Potsdam in Not" geriete, würden "unsere Wasserretter ihn sicherlich aus dem Wasser ziehen und ihn wiederbeleben, das ist gar keine Frage", versichert der Chef des großen Wohlfahrtsverbandes mit einem Blinzeln in seinen Augen, das eher vom Gegenteil zeugt. 

Eine Stimme aus dem Off sagt, es gebe "kein Recht auf Teilhabe", niemand sei "automatisch willkommen", und "man kann nur ausgrenzen, was zuvor Teil von Etwas war". Der Präsident des Evangelischen Kirchentages schiebt ein sophistisches Argument nach. "Es ist eine Verkürzung, zu sagen, wir schließen aus. Wir laden nicht ein."

Ja, so hört sich der deutsche Humanismus anno domini 2019 an. Autosuggestiv, schamlos und strunzdumm. Die Sätze, es gebe kein Recht auf Teilhabe und man könne nur ausgrenzen, was zuvor Teil von Etwas war, merken wir uns – für den Fall, dass irgendwann wieder hunderttausende von Menschen an den deutschen Grenzen stehen und Einlass verlangen. 

Derweil freuen wir uns schon auf den kommenden Evangelischen Kirchentag und seinen "heimlichen Höhepunkt", den Workshop „Vulven malen". Jungs, wir kommen!

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Paul Braun / 17.06.2019

Wer spaltet hier die Nation? „Die Gräben müssen tiefer sein, sie müssen unüberwindbar sein, es muss eine klare Ausgrenzung geben“, sagt der Präsident des großen deutschen Fußballvereins. Und wer gibt diesem “Spalter” die Bühne? Anja Reschke? Quasi “Anja Reschke Diabolo” oder kurz ARD ;-)

Dr. Rene Brunsch / 17.06.2019

Man weiß doch, welche “Position” man bei Reschke erwarten darf. Ich wüsste auch, was Trittin, Cohn-Bendit oder Edathy beim Thema “Kinder” zu sagen hätten. Ich weiß, was mir der von Staatsaufträgen gemästete Schellnhuber zum Beitrag des Menschen zum Klimawandel erzählen würde. Ich weiß, das Bärbock davon überzeugt ist, dass man in Stromnetzen Strom speichern kann. Und wenn ich meine Nichte frage, erfahre ich sogar, dass Einhörner ganz lieb sind. Schlimm genug, dass ich sowohl privat als auch dienstlich mehrfach GEZ bezahlen muss. Dennoch muss mir den Meinungseintopf von Reschke aber nicht noch reinziehen. Ich verursache doch auch keinen Autounfall, nur weil ich für meine Haftpflicht bezahlen muss.

Heinrich Johannes / 17.06.2019

“Unterstützung für diese Haltung kommt vom CDU-Politiker Ruprecht Polenz”, heißt es übrigens auf der Seite des Deutschlandfunk. Unfassbar, diese Intoleranz der selbsternannten Toleranten!

Dorothea Paulat / 17.06.2019

Dieser Bericht war von Anfang bis Ende unsäglich tendenziös, mir fehlen die Worte. Nicht, dass ich nicht auch etwas zu kritisieren hätte an der AfD, aber da muss es dann eine ehrliche Auseinandersetzung mit ihr geben. Wie ist das Parteiprogramm, welche Leute haben sich in der Rhethorik vergriffen, oder Ähnliches. Aber hier wird wieder unreflektiert einfach draufgehauen, die AfD als rechtes Monster aufgebauscht. Leute kommen zu Wort die begründen nicht einmal, warum sie keine Teilhabe dieser Partei wollen oder welche Erfahrungen in ihrem persönlichem Leben mit der AfD gemacht haben.Ich wette, keine. Ich habe dann auch die Kommentarfunktion von Panorama angeschaut und da müssten der Redakteurin doch die Ohren ordentlich rot geworden sein bzw.  sie müsste sich wundern, wie viele böse Rechte es doch in DE gibt. Der Fernsehzuschauer ist auch nicht blöd und erkennt immer mehr die einseitige Berichterstattung. Unabhängiger Journalismus sieht anders aus. Karl Eduard von Schnitz…... lässt grüßen.( Hier geht es um eine Propagandasendung der DDR mit dem Moderator Karl Eduard von Schnitzler, dessen Sendung sofort von vielen DDR Bürgern abgeschaltet wurde, deshalb Schnitz. Nun wird es auch Frau Resch…. erwischen.

Paul J. Meier / 17.06.2019

Kein Recht auf Teilhabe!? Wenigstens haben die Zuwanderer ein Recht auf Teilhabe an unseren Steuern, Frau Reschke hat ein Recht auf Teilhabe an unseren Zwangsgebühren und wir haben ein Recht auf Teilhabe des Konsums von unverschämten TV-Produktionen mit dummdreisten Protagonisten! Argumentativ braucht man sich mit so einem geistigen Dün….. nicht auseinanderzusetzen. So wollen diese “Führer” und “Lehrer” ein gespaltenes Land wieder zusammenführen? Oder ist es ihr erklärtes Ziel eine neue Mauer zu errichten? Und jeder darf sich aussuchen auf welche Seite er/sie/es/etc.pp. ziehen? Dann wäre das durchaus zu überlegen…

Kristina Laudan / 17.06.2019

Ich guck mir das nicht an. Ich schau schon seit Jahren kein ÖR mehr - und es fehlt NICHTS!! Ich weiß, wie Reschke und Konsorten ticken. Vielfalt ist nur links von der Mitte erlaubt, alles rechts davon gehört nicht mehr zur Vielfalt. Und Teilhabe bleibt jetzt also einigen Menschen verwehrt. Hmmm…muss man dann in Zukunft, bevor man jemandem die Teilhabe an irgendetwas ermöglichst, erst mal nach der Parteizugehörigkeit oder dem Wahlverhalten fragen?

Volker Wache / 17.06.2019

Natürlich drischt der eitle Eintracht Pfau auf die AFD ein, läuft doch sein Junior bei den aufrechten Schlägertrupps der Antifa mit.

Leo Hohensee / 17.06.2019

Vorneweg, ich hatte seinerzeit die Rede von Herrn Gauland gesehen / gehört. In keinem Augenblick bin ich auf die Idee gekommen, dass er das Maß ( die Verwerflichkeit) des Verbrechen angesprochen hat sondern den Zeitraum der Naziherrschaft im Vergleich zu den Jahrhunderten, den es vorher gebraucht hat ( einschließlich Reformation ), uns zu dem Volksgebilde zu gestalten das wir heute sind. Da findet eine ständige Aussagenverfälschung statt, damit man eine Anschuldigung gegen Herrn Gauland konstruieren kann. Das zeigt mir nur, der politische und mediale Wille ist auf Vernichtung KONZERTIERT ! Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit - Grundgesetz, Rechtswesen werden verhindert, beschädigt, verbogen und diktatorisch im Sinn eigener Ideologie ausgelegt und eingesetzt. Was sich Frau Reschke erlaubt und was sich die “Herren der Götterdämmerung” in den Berichten erlauben, ist außerhalb des Bashings hochfahrende Überheblichkeit !

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