Dirk Maxeiner / 07.02.2021 / 10:04 / Foto: Freud / 104 / Seite ausdrucken

Panik wie bestellt – ein neuer Blick auf die Affäre Stephan Kohn

„Das Bundesinnenministerium spannte in der ersten Welle der Corona-Pandemie im März 2020 Wissenschaftler mehrerer Forschungsinstitute und Hochschulen für politische Zwecke ein. Es beauftragte die Forscher von Robert-Koch-Institut und anderen Einrichtungen mit der Erstellung eines Rechenmodells, auf dessen Basis die Behörde von Innenminister Horst Seehofer (CSU) harte Corona-Maßnahmen rechtfertigen wollte“ berichtet die Welt am Sonntag heute.

Aus einem mehr als 200 Seiten starken internen Schriftverkehr zwischen der Führungsebene des Innenministeriums und den Forschern gehe hervor, dass der Staatssekretär im Innenministerium, Markus Kerber, Anfang April des vergangenen Jahres Forscher bat, ein Modell zu erarbeiten, auf dessen Basis unter anderem  „Maßnahmen präventiver und repressiver Natur“ geplant werden könnten. Die Wissenschaftler lieferten offenbar prompt: In nur vier Tagen sei in enger Abstimmung mit dem Ministerium Inhalte entstanden für ein als geheim deklariertes Papier, das in den folgenden Tagen über verschiedene Medien verbreitet wurde. Beispielweise hier im Tagesspiegel „Innenministerium befürchtet Verrohung der Gesellschaft.“

Normalerweise besteht die Aufgabe eines Bundesministeriums darin, eine Krisensituation sorgfältig abzuwägen und nach dem Gebot der Verhältnismäßigkeit darauf zu reagieren. Hier ging es wohl mehr darum, die Öffentlichkeit mit entsprechend dramatischen Einschätzungen für repressive staatliche Maßnahmen einzunehmen.

Dies wirft auch ein ganz neues Licht auf die Affäre Stephan Kohn, die seinerzeit unter anderem von Achgut.com publik gemacht wurde. Anfang Mai hatte Kohn, Oberregierungsrat, in der Abteilung Krisenmanagement und Bevölkerungsschutz tätig (Referat KM4), in einem umfangreichen Papier Kritik an der Corona-Politik der Bundesregierung geübt und sich dabei auf eine ganze Reihe von unabhängigen Wissenschaftlern berufen, darunter auch Achgut.com-Autor Gunter Frank.

Sein Corona-Papier wurde von Achgut.com jedermann zugänglich gemacht. Es kann hier heruntergeladen werden. Es geht in der Einschäzung Kohns vom Frühjahr im Wesentlichen darum, dass die völlig überzogene Corona-Panik und die daraus resultierenden politischen Maßnahmen in Deutschland viel mehr Todesopfer fordern könnten als die eigentliche Krankheit. Von großer Sprengkraft ist auch die Feststellung, dass von politischer Seite offenbar keine ausreichende Folgenabschätzung gemacht wurde. 

Maximalen politischen Profit aus der Gefahrenlage schlagen

Bereits am auf die Veröffentlichung folgenden Sonntag – ein für ein Ministerium ungewöhnlicher Arbeitstag – wurde in einer schnell zusammengeschusterten Pressemitteilung versucht, den drohenden Flächenbrand zu ersticken und als „Privatmeinung“ des Verfassers darzustellen, der sein Papier unerlaubterweise mit dem Briefbogen des Ministeriums verschickt habe. Dies entspricht nicht der Wahrheit. Mitarbeiter des Ministeriums und Vorgesetzte waren in die Entstehung des Papiers einbezogen und äußerten sich teilweise sogar lobend, wie Achgut.com hier nachgewiesen hat. Der Referatsleiter KM4, der das Dokument seines Referenten lobte, wurde kurz zuvor allerdings sehr abrupt von seinem Posten versetzt.

In Hintergrundgesprächen wurde umgehend versucht, den Verfasser des Papiers zu pathologisieren, ihn gar als Querulanten und Spinner darzustellen. Es bestand seitens der Führung des Ministeriums ganz offensichtlich niemals die Absicht, sich mit dem Papier ernsthaft auseinanderzusetzen, man hatte sich wohl längst entschieden, maximalen politischen Profit aus der Gefahrenlage zu schlagen und entsprechend willfährige Expertise dafür einzuholen.

Stattdessen wurde der Überbringer der schlechten Nachricht sogleich geköpft, sprich: Es erging „ein Verbot zur Führung der Dienstgeschäfte“. Dies ist besonders bemerkenswert, weil Innenminister Seehofer bei seinem Dienstantritt im Innenministerium ausdrücklich die offene Kritik der Mitarbeiter angemahnt hatte. Stephan Kohn schrieb ihm dazu

Die Begrüßungsrede, die Sie im März 2018 vor uns Beschäftigten im BMI hielten, hatte auf mich einen tiefen Eindruck gemacht. Sie sprachen über Ihre Ziele und Erwartungen. Unter anderem baten Sie die Beschäftigten ausdrücklich um ihre eigene Meinung, auch wenn sie abweichend sei. Das sei gewollt und nur das führe Ihrer Erfahrung nach zu guten Entscheidungen. Sie baten nicht nur um eigene Meinung, sondern sogar um Widerspruch, falls eine eigene fundierte Meinung dies gebiete.

Kohns Meinung war schon alleine deshalb fundiert, weil ihn gleich zehn hochkarätige deutsche Professoren und Wissenschaftler bei der Erstellung der Analyse beratend unterstützten. Womit man im Innenministerium offenbar nicht gerechnet hatte: mit Zivilcourage. Die beteiligten Wissenschaftler ergriffen in einer Stellungnahme – die Achgut.com ebenfalls veröffentlichte – Partei für Stephan Kohn und mahnten an: „Unserer Auffassung nach müssten die adressierten Fachbeamten aufgrund dieses Papiers eine sofortige Neubewertung der Schutzmaßnahmen einleiten, für die wir ebenfalls unseren Rat anbieten“. 

Das geschah natürlich nicht. Stephan Kohn wird vor Gericht gegen seinen Rauswurf kämpfen müssen. Die jetzt von der Welt am Sonntag veröffentlichten neuen Erkenntnisse könnten dabei hilfreich sein.

Das Corona-Papier: Wie das Innenministerium das Risiko heraufbeschwor

Dossier: Das Corona-Papier im Spiegel der Presse

Das Corona-Papier: Seehofer im Bunker

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Leserpost

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Joachim Bode / 07.02.2021

Dietmar Blum: “...Wolfgang Schäuble, den ich als den Savonarola der deutschen Politik bezeichne….”. Merkwürdig. Schäuble, ein Hauptvertreter der herrschenden Eliten, würde ich doch eher auf der Seite der Verfolger des aufmüpfigen Savonarola verorten.

Andreas Bitz / 07.02.2021

Bitte dranbleiben und eruieren, wer die ruchlosen korrupten WissenschaftlerLqbtqx* sind und was sie geliefert haben: Coronagate. Und dann den Fördersumpf - auch in Klimafragen, bei Energie, Gender, Migration, insbesondere auch in Medien, trockenlegen! Folgt man der Spur des Geldes landet man bei politiknahen Aktienzockern und “Philanthropen”.

Gabriele Klein / 07.02.2021

@ Herr Glumener “Die sind ihren Meistern auf EU- und UNO-Ebene vollauf ergeben. ” Falsch, sie selbst sind die Meister auf EU und UNO Ebene. Einfach nur die Fäden genauer studieren, das reicht schon.  PreisfrageNr 1: Warum könnte wohl Deutschland zu den vier wichtigsten Zahlern bei der UN gehören? Preisfrage Nr. 2: Warum bekleitet H. Achim Steiner Rang 3 in der UN (wie ich las) Preisfrage Nr. 4: Ja, und warum läuft sich gerade Herr Minister Gerd Müller warm um den Armen der Welt als deutscher UN Funktionär zu dienen? Also für die globale AGITPROP Nr. ist die UN unglaublich wichtig. Man braucht kein AGITPROP Studium zu dieser Erkenntnis.  Nur über die UN oder EU wird nämlich der kleine Blockwart zur Blockmacht. Ein paar geschickt formulierte Verträge von 100.000 Seiten , die zu lesen alleine schon den “Austritt” aus der globalen von Deutschland mit angeführten"Gemeinschaft” verhindern, bewirken mehr in Sachen Eroberung, als die Atombombe die einem einst mit gutem Grund verwehrt wurde. Jetzt fehlt nur noch’s Bio” Sigel für’n neuen Waffengang damit sich’s reimt perfekt mit dem reset.

N. Ehreke / 07.02.2021

Früher gab es mal ein Magazin, welches “Der Spiegel” genannt wurde. Es zeichnete sich dadurch aus, derartige Vorgänge und Regierungsmauscheleien (freundlich ausgedrückt) an Licht der Öffentlichkeit kamen. Es gab auch einen Öffentlich Rechtlichen Rundfunk, der immer wieder Willkür und Versagen des zumeist konservativen Regierungsapparates anprangerte. Diese Zeit ist offenbar vorbei. Jetzt werden derartige Vorgänge von kleinen Nachrichtenseiten verbreitet, die nicht nur in den zuvor genannten Medien verspottet werden, sondern auch in eine nationalistisch, totalitäre Schublade geschoben werden. Das Gegenteil ist der Fall. Achgut ist ein Vertreter freiheitlichen, kritischen Denkens, selbst wenn es Beiträge gibt, die überspitzt sind. Wir erleben ein Regierungsscheitern und die Entstehung von Staatsmedien. Es ist nicht mehr weit in eine echte Diktatur: DDR 2.0. Ich hätte nie gedacht, derartiges in meiner Heimat zu erleben. Der eklatante Gegensatz von BRD und DDR waren meiner Erfahrung nach vollkommen selbsterklärend und der gesunde Menschenverstand sollte jedem sagen, in welchem der beiden Systeme man denn wirklich leben will. Wie naiv ich doch war!

Renate Bahl / 07.02.2021

@S.Marek. Volle Zustimmung. Aber die Regierung sollte zurücktreten stimmt nicht: sie müsste. Allerdings halte ich diese ganzen Politdarsteller für derart charakterlos, dass die auch nicht im Traum daran denken. Und daraus schließe ich für mich, dass sie auch ein entsprechendes soziales Umfeld haben. Also gibt es genuegend Mitläufer, die bis zum bitteren Ende mitmachen. Und hinterher wird man dann wieder auf der richtigen Seite gestanden haben. So, wie ich diese Brut in der Politik verachte, verachte ich auch mittlerweile die Landsleute, die das noch immer gutieren. Armes Deutschland, nichts gelernt.

Carsten Bertram / 07.02.2021

@Raimund Mönig: Herr Mönig, das sind keine ” Schießbudenfiguren und Schiffschaukelbremser”! Die sind gefährlich, richtig bösartig und gefährlich ! Darüber hinaus glaube auch ich gar nichts mehr von dem was uns täglich vorgekaut wird. Alles Wesentliche ist auf Bestellung erstellt oder zumindest bearbeitet worden, auch wenn manchmal noch ein Körnchen Wahrheit als Grundlage diente. Wie sagt man so schön” Wer einmal lügt…” und die lügen nur.  Mich erreichen sie nicht mehr.

Detlef Fiedler / 07.02.2021

Herzlichen Dank, lieber Herr Maxeiner. An dem vom BMI am 19.03.2020 (durch Staatssekretär Kerber) bestellten Horror-Papier waren weder Virologen noch Epidemiologen beteiligt. Beteiligt waren Prof. Boris Augurszky (Volkswirtschaft, Mathematik), Dr. Hubertus Bardt (Volkswirtschaft, Betriebswirtschaft), Prof. Dr. Heinz Bude (Soziologie), Roland Döhm (Volkswirtschaft), Prof. Dr. Michael Hüther (Wirtschaftswissenschaft), Otto Köbl (Germanistik, Softwareentwicklung), Prof. Dr. Maximilian Mayer (Internationale Beziehungen), Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph M. Schmidt (Wirtschaftswissenschaft). In dem VS-Papier, welches die Begründung für “Massnahmen präventiver und restriktiver Natur” für die Regierung liefern sollte, wird u.a. folgendes Szenario zum Vortrag an die Öffentlichkeit vorgeschlagen, um diese in Panik zu versetzen: „Viele Schwerkranke werden von ihren Angehörigen ins Krankenhaus gebracht, aber abgewiesen, und sterben qualvoll um Luft ringend zu Hause“. Die oben genannten “Wissenschaftler” lieferten also konkrete Vorschläge, wie sich “Angst und Folgebereitschaft in der Bevölkerung” thematisieren lassen. Das RKI rechnete zu dieser Zeit mit einer Letalität von 0,56%, das war dem BMI viel zu wenig, es wurde auf Geheiss des Ministeriums von den genannten “Wissenschaftlern” also mit einem Wert von 1,2% gearbeitet. Staatssekretär Kerber formulierte per Mail am 23.03.2020 frohlockend an die o.g. Beteiligten: „Unser Papier kam (…) sehr gut an und wird ob seiner hohen Qualität und Umsicht nun den Weg ins Krisenkabinett der Bundesregierung finden”.

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