Die Diskussionen drehen sich im Kreis. Und aus dem gibt es für uns, als Tätervolk, kein Entkommen. Man stelle sich nur vor, jemand erzählt in einer größeren Gesellschaft einen Judenwitz (selbst wenn dieser jemand ein Jude ist) der antijüdische Stereotypen bedient (was übrigens Witze von Juden über Juden sehr gerne tun): Wird dann von den Anwesenden herzlich gelacht? Oder eher nicht? Gibt es Beklemmungen oder keine? Lachen wir so herzlich wie über einen guten Witz über Amerikaner oder Italiener? Wir haben und werden niemals wieder ein “normales” Verhältnis haben als nichtjüdische Deutsche zu deutschen oder nichtdeutschen Juden, als Deutschland zu Israel, egal, wer auch immer das möchte und fordert und danach schreit. Das Geschehene ist zu monströs, um vergessen zu werden - und da helfen auch keine Vergleiche mit den nordamerikanischen, südamerikanischen “first nations”, den Armeniern und wie sie alle heißen. Denn das ändert doch an unserer Schuld nichts, unserem auf alle Ewigkeit gestörten Verhältnis zu den deutschen und nichtdeutschen Juden und zu Israel. Wer das nicht begreift, ist sich selbst gegenüber unehrlich und auf dem besten Wege, zum Antisemiten zu werden: Aus Groll darüber, wie Broder so schön witzelt, dass die Juden sich haben von uns umbringen lassen. Aus dem Grund kann ich zu der Debatte nichts betragen. Meine Befangenheit ist eine totale.
Vor einiger Zeit gab es eine Demonstration in Berlin, vorwiegend Palästinenser, die auf offener Straße die israelische Flagge verbrannt haben und Tod den Juden gebrüllt haben. Mir saß der Schock in den Gliedern. Die Reaktion unserer Regierung, nichts nennenswertes gehört. Keiner wird sagen können, wir haben es nicht gewusst.
Das mit der linken “Opferhierarchie” trifft es genau. Wenn ich ein angebliches Opfer bin, stehe ich in der linken Hierarchie weit oben. Wobei ein wirkliches, echtes Opfer sein, wenig Spaß macht. Spaß macht es dagegen, wenn es mir an sich ganz gut geht, ich aber zusätzlich noch den linken Opferbonus einfahren kann. Ich vermute mal, heutige Juden wollen keine Opfer sein, weil Opfer sein nicht so lustig ist, wie es damals erleben durften. Somit stehen sie in der linken Opferhierarchie eben weit unten. Wobei ich nicht weiß, ob die damals lebenden Juden in der heutigen linken Opferhierarchie weiter oben wären. Ein Teil war wohlhabend, hatte einen Beruf, manche sogar Angestellte. Und ich denke, Opfer wollten sie schon damals nicht sein. Allgemein glaube ich, dass eine Gruppe, die zu einem linken Opfer gemacht werden soll, noch zusätzliche Eigenschaften braucht. Im zaristischen Russland hatten die ganzen sozialistischen Gruppen zuerst die russischen Bauern als Opfer auserkoren. Mit dieser Opfergruppen waren sie aber ganz unzufrieden, da zu schmutzig, zu misstrauisch gegen Fremde, zu abergläubisch, ... . Später haben sie dann die Arbeiter als Opfergruppe auserkoren. Mit der waren sie mehr zufrieden.
Sehr treffend geschrieben. Deckt sich mit meinen Erfahrungen und Empfindungen meiner Schulzeit in den spaeten 80’ern/fruehen 90’ern. Sogar die selben Buecher wurden gelesen und dieselben Interpretationen wurden gemacht.
Zu jeder Auseinandersetzung mit dem Holocaust sollte eine detaillierte Kenntnis des “Engagements"der Nazis in der Levante Pflicht sein , die hier vor allem durch den propagandistischen Einfluß der DDR unterbunden und von den westdeutschen Konservativen regelrecht “verpennt ” wurde. Die Diskussionen heute sind Resultat einer schlampigen Bildungspolitik und die Verwirrung junger Leute der historischen Unkenntnis geschuldet. Die Episode, die Orit Arfa schildert, ist EIN Modellfall unter vielen. Möglich, weil beide zu wenig wissen über die Vergangenheit und Gegenwart Deutschlands. Aber dem Jungen sei trotzdem gesagt, daß man einen Menschen erst dann zu lieben beginnt, wenn man erkennt, daß man ein gemeinsames SCHICKSAL hat. Liebe hat einen Preis.
Ich meinte natürlich, meinen Kommentar vor allem auch als zu Orit Arfas Artikel gehörig zu betrachten.
Was sich zeigt: Angst, Dummheit ( Nichtwissen(wollen) , mangelnde Rationalität, Unfähigkeit, genau hinzuschauen, echte Empathie ( leider Ideologie vor Gefühl), Würdelosigkeit (!). - Schade. Mit Bedauern abhaken. Vielleicht wird er ja noch einmal reif… \\Tip: Entdecken und hören Sie Jean Ferrat! In liebendem Verneigen…
Bitte was ist denn “Lebenskunde”? Das Fach hatte ich in der Schule nicht. Eigentlich müßte es die deutsche Übersetzung von Biologie sein, dem Zusammenhang muß man aber entnehmen, daß das nicht möglich ist. Bekommt man jetzt auf der Schule beigebracht, wie man lebt? Es muß sich mehr verändert haben als ich bislang annahm.
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