Henryk M. Broder / 22.01.2019 / 08:12 / 47 / Seite ausdrucken

Marx, Murks und Europa

Seltsames passiert derzeit mit und in der katholischen Kirche in Deutschland – sie schafft sich ab. Nicht wegen der vielen Missbrauchsskandale, die nur zögerlich angegangen werden, sondern weil sie den Zeitgeist predigt. Und der ist politisch korrekt.

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki zum Beispiel, der sich gerne filmen und als „volksnah“ darstellen lässt, wenn er morgens ganz allein zum Bäcker radelt, sagte in seiner Neujahrspredigt u.a.:

„Als Christen sollten wir überzeugte Europäer sein“, der Kontinent brauche Menschen, „die sich lieber wieder in einer Volkspartei gestaltend engagieren, statt sich zynisch in Twitter oder anderen Social-Media-Debatten zurückzulehnen“.

Nun hat auch Kardinal Woelki einen eigenen Account bei Twitter, den er fleißig bespielt oder durch seine Mitarbeiter bespielen lässt, während er, entspannt zurückgelehnt, darüber nachdenkt, in welcher der beiden Volksparteien er sich gestaltend engagieren soll. Und ob Christen, die keine überzeugten Europäer sind, zwangsbekehrt oder exkommuniziert werden sollten.

Woelkis letzter Ansprechpartner vor dem Allmächtigen, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, denkt oder geht noch einen großen Schritt weiter. Letzte Woche sagte er bei einer Podiumsdiskussion in Berlin, er gebe „nicht viel“ auf das „christliche Abendland“, weil „der Begriff vor allem ausgrenzend ist“, gehe es doch derzeit in Europa vor allem darum, „dafür zu sorgen, dass verschiedene Religionen mit jeweils eigenen Wahrheitsansprüchen friedlich zusammenleben“. 

Dem Oberhaupt der deutschen Katholiken dürfte entgangen sein, dass in Europa inzwischen Religionsfrieden herrscht, von Nordirland einmal abgesehen. Sein Abgesang auf das „christliche Abendland“ ist ebenso der politischen Korrektheit geschuldet wie Woelkis Konversion zu einem „überzeugten Europäer“. Es ist ein alberner Versuch, virtuelle Gleichheit herzustellen. Die gibt es nur vor dem Gesetz, nicht aber im wirklichen Leben.

Das sollte ein älterer Herr wissen, der unverheiratet und kinderlos in einem Palast lebt, während viele seiner Brüder und Schwestern kein bezahlbares Obdach für sich und ihre Familien finden. Wenn das nicht Ausgrenzung ist.

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Leserpost

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H.Roth / 22.01.2019

Der Großteil dieser Kirche war schon immer politisch korrekt. Wer es nicht war, wurde durch die Inquisition eines Besseren belehrt. Diese simplen und bewährten Strukturen wirken heute, genauso wie vor 2000 Jahren. Noch heute würden sie ihre Kritiker, die es wagen sie als Schlangenbrut und Otterngezuecht zu bezeichnen, kreuzigen lassen, würden diese Methoden noch dem Zeitgeist entsprechen.

Sepp Kneip / 22.01.2019

“...gehe es doch derzeit in Europa vor allem darum, „dafür zu sorgen, dass verschiedene Religionen mit jeweils eigenen Wahrheitsansprüchen friedlich zusammenleben“. Ja, so bequem ist das heute. Jeder, der in seinem eigenen Wahrheitsanspruch lebt, hat die Wahrheit für sich gepachtet. Nun ist Marx Katholik und Christ. Und was hat Jesus noch in dieser Kirche zu suchen? Hat nicht er gesagt: Ich bin die Wahrheit und das Leben. Nun, niemand muss die Lehren Jesu befolgen, wenn er nicht Christ ist. Aber diejenigen, die sich als das “Bodenpersonal” Jesu verstehen, übernehmen die von irdischen Instanzen gepredigten “Wahrheiten” und legen die Wahrheit Jesu ab. Ich bin der Herr und dein Gott, steht in den Zehn Geboten. Ja, ihr Bischöfe, wer ist das denn? Der Gott Israels, den Jesus seinen Vater nennt, oder Allah. Da muss man sich doch wohl entscheiden.

Ruth Würsch / 22.01.2019

Das mit dem ausgrenzen haben grad kürzlich der emeritierte Papst Benedikt XVI mit seinem Traktat De Iudaeis und der Kardinal Kurt Koch mit dessen Veröffentlichung zelebriert.

Susanne antalic / 22.01.2019

Die christliche Kirchen gehen halt mit der Zeit, das haben sie schon immer gemacht, in der NS Zeit haben sie sich an die Nazis angewantzt, jetzt an die Linken, immer an die wovon sie am meisten profitieren, Als nächstes werden sie sich an dem Islam orientieren, erstens, neiden sie dem Islam die Hörigkeit ihre Schäfchen und zweisten wissen sie, wer in den nächsten Jahren in Deutschland herrschen wird, da muss man jetzt schon langsam anfangen.

Klaus Reichert / 22.01.2019

Ich liebe die Griechisch - Orthodoxe Kirche. Nicht Vater, Sohn und heil’ger Zeitgeist. Sondern lateinisches Rezitieren und viel Weihrauch.  Man meditiert und ist in sich gekehrt, kann sich seine eigenen Gedanken machen. Und als Grieche rennt man alle 10 Minuten raus und palavert gestikulierend über’s Handy. Dafür ist man halt Grieche.

Wilfried Cremer / 22.01.2019

Nicht alle Priester schänden Jugendliche, genauso wie nicht alle Asylanten Messerstecher sind.

Corinne Henker / 22.01.2019

Kein Religionsfrieden in Nordirland? Ich war vor ein paar Monaten dort und durfte etwas anderes hören. In Nordirland wird - ähnlich wie in den anderen westlichen Industriestaaten - die Religion immer unbedeutender. Im Nordirland-Konflikt geht es weniger um Religion (auch die Nordiren besuchen immer seltener die Kirchen) als um nationale Identität. Ähnlich wie zu anderen Zeiten in Jugoslawien, der UdSSR und der CSSR. Und das können wir als katholische, protestantische oder atheistische Deutsche doch gut nachvollziehen, oder?

Martin Rühle / 22.01.2019

Der Kardinal Vorsitzender ist die leibhaftige, Fleisch gewordene Verkörperung der Beschreibung seines leidlich bekannteren Namensvetters “... der Geist geistloser Zustände…” Nur der berühmte Drogenvergleich von Kalle will nicht so recht auf den Kardinal Vorsitzenden passen - “Opium fürs Volk”, wirklich nicht… obwohl, eine Pfeife passt zum Kreuzableger ja irgendwie schon…

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