ich gehe jede Wette ein, dass dieser Preisträger in Tanzania noch unbekannter ist als in D.
Ja, das ist wirklich schlimm - man lebt doch hier in dem stillen Bewusstsein, das den Afrikanern das Lesen und Schreiben beigebracht werden muss, und dann kommen sie mit dem Nobelpreis für Literatur. Ich fühle mich da beim Mitdenken überfordert.
Ich habe dann gleich “Afterlives” per Kindle runtergeladen und nach einem Kapitel aufgegeben: Sprachlich schlicht, die Story des passiven jungen Mannes, der in ab ca 1900 spielenden Geschichte die Hauptperson ist, Kind eines aus Indien stammenden Vaters und einer afrikanischen Mutter, diese Lebensgeschichte ist deprimierend. Das hat aber nichts mit Kolonialismus oder Rassismus zu tun. Der junge Mann war Hilfsarbeiter bei mehreren in Ostafrika tätigen indischen Geldverleihern, seine (indische) Frau hasste ihn.- Also alles sehr, sehr depri. Die historischen Zutaten bestehen aus ohne rechten Zusammenhang hineingestreute Meldungen von Greueltaten der deutschen “schutztruppe” und der von ihr requirierten heimischen Askari. Es hat wohl fortlaufend Aufstände der freiheitsliebenden Ethnien dort gegeben, die von den Deutschen brutal niedergeschlagen wurden. Als bösartig wertet der Autor auch den Bau von Straßen, Eisenbahnstrecken und auch Krankenhäusern, letztere wurden gebaut, um die zur Zwangsarbeit verpflichteten Einheimischen gesund zu machen und wieder zur Arbeit zu zwingen. Vor den bzw ohne die Kolonialisten scheint das Leben in Sansibar und Umgebung ein friedliches Miteinander von vielen befreundeten Ethnien in islamischer Hochkultur gewesen sein. Dann kamen die bösen Europäer, brachten Mittel gegen Malaria und die Schlafkrankheit, steigerten damit die Lebenserwartung erheblich. Kolonialverbrechen. (Die weiteren Kapitel mit den Nazis etc habe ich nur überflogen. Wären für modernisierte Schulbücher geeignet.)
Zitat: “Dass der Literaturnobelpreis 2021 nach Afrika gehen könnte, war nicht unwahrscheinlich. Seit der Verleihung an den Südafrikaner John Maxwell Coetzee im Jahr 2003 ist der Kontinent leer ausgegangen. “ Vielleicht sollte das Nobelpreiskommitee eine Quotierung nach Hautfarbe/Kontinent/Geschlecht/sexueller Orientierung/der Häufigkeit der Verwendung des Konditionals des Autoren oder ähnlicher Kriterien einführen. Damit könnte man dann im Vorhinein absehen, daß 2022 eine einbeinige transsexuelle Chinesin, die konjunktivische Lyrik in altmauretanischem Dialekt erdichtet, die wahrscheinlichste Preisträgerin sein wird.
Kennt keiner - will keiner. Ein rein politisch-korrekte Entscheidung. Habe das Interview mit dem Übersetzer gesehen, ja, der Flüchtling, so edel, so hilfreich, so gut, mein Gott, wie schnulzig. Da bleibe ich lieber bei Freddie Mercury. Auch von Sansibar. Hat wohl mehr für die Kultur geleistet als dieser Schreiberling.
Der Herr kam 1968 nach England. Der Laudator deutet an, daß er das als Flüchtling tat. Vor was ist er denn geflüchtet? Vor der tansanischen Unabhängigkeit? In anderen Kommentaren zur Preisvergabe wird seine Heimat Sansibar als vorkoloniales Multi-Kulti-Paradies geschildert. Dieses “Paradies” war das zentrale Drehkreuz für schwarzafrikanische Sklaven, die von hier aus in den gesamten islamischen Raum und bis Indien verschifft wurden. Bereits lange, bevor die Europäer in der Neuzeit auf die Idee kamen, mit Sklaven zu handeln. Und dieser Nachfahr von Sklavenhändlern über zig Generationen beklagt sich über das böse Erbe der Kolonialmächte, die diese wunderbare Zeit des arabischen Sklavenhandels über 1000 Jahre beendet haben. In Tanganjika (dem Festlandteil Tansanias) wird man das anders sehen. Dort wird übrigens die deutsche Kolonialzeit geradezu romantisch verklärt, im krassen Gegensatz zur nachfolgenden britischen Kolonialzeit. Und es komme mir niemand mit dem Maji-Maji-Aufstand. Das war der Versuch der einstigen Sklavenjägerstämme, das Land wieder unter ihre Terrorherrschaft zu bringen. Das wird uns unsinnigerweise heute als antikolonialer Befreiungskampf verkauft.
Es ist ein wenig absurd, dass ein Autor, der sich entschieden hat, in einem westlichen Land zu leben (und dort offenbar gut lebt), von dort das Schicksal seines armen Geburtslandes beklagt, anstatt in seinem Geburtsland zu leben, um dort die Situation zu verbessern. Es ist ein Zeichen der Großartigkeit des westlichen Lebensentwurfs, dass sich im Westen ein Mann aus der Fremde so entwickeln kann, wie er es bei sich zu Hause wohl nie könnte. – Wenn dieser Nobelpreis allein für die Qualität der Literatur vergeben worden wäre, wäre mir das egal, aber es ist (für mich jedenfalls) offensichtlich, dass hier jemand geehrt werden sollte, der dem politisch korrekten Zeitgeist entsprechend dem Westen große moralische Verfehlungen vorwirft. Ich glaube nicht, dass ich seine Bücher lesen werde. Auch Nobelpreise werden mir durch die diesjährige Vergabe immer egaler.
Man liest und hört immer wieder Abdulrazak Gurnah sei als Flüchtling nach Großbritannien gekommen. Wovor musste er fliehen?
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