Thomas Rietzschel / 16.10.2021 / 10:00 / Foto: Steffen Prößdorf / 99 / Seite ausdrucken

Lindner & Co.: Hoch auf dem gelben Wagen

Es ist die Stunde des Christian Lindner. Wer hätte damit noch gerechnet, vermutlich nicht einmal er selbst. Und dennoch, obwohl seine Partei von allen am Machtpoker beteiligten die wenigsten Stimmen bekommen hat, führt er nun die Zügel. Kleiner Mann ganz groß. Ohne ihn geht nichts bei der Bildung einer neuen Koalition. Was nachher mit ihm gehen wird, bleibt abzuwarten. Hoffnungen bestehen, Zweifel ebenso. Einerseits weiß der Mann, was er will. Andererseits ist er anpassungsfähig bis zum Umfallen, geht es um sein Ziel, als „Berufspolitiker“ mitzumischen, in welchem Rahmen auch immer. 

Das nämlich, „Berufspolitiker“ zu werden, hat er einmal erzählt, habe er bereits als Pennäler beschlossen. Das stand für ihn fest, während die Klassenkameraden noch davon träumten, Lokomotivführer oder Pilot zu werden. Nur sei ihm, gestand er freimütig, anfangs nicht klar gewesen, mit welchem Parteibuch er einsteigen würde. Die Würfel fielen dann schnell. Mit 16 stand er in den Reihen der jungen Liberalen.

Was folgte, war ein Auf und Ab. So rasant, wie der Schüler einst dachte, sollte sich der Beruf nicht rechnen. Nun aber, mit 42, ist die Rechnung aufgegangen. Jetzt endlich sitzt er hoch auf dem gelben Wagen. Wie der Kutscher auf dem Bock schwingt er die Peitsche über jene, die unter ihm Kanzler sein wollen. Er hat sie beide an der Leine und wird nicht lockerlassen, bis sie ihn an den Kabinettstisch gezogen haben. Dass dieser oder jener auf den letzten Metern schnaubend ausfallen muss, dürfte den Kutscher wenig kümmern, sieht er erst die Lichter der Schänke vor sich, drinnen den reservierten Platz des Finanzministers, auf dem er fortan beruflich politisieren will. Auch das Zugpferd, die gelbe Partei, geht weiter an seiner Lounge, immer im Kreis herum, mal vorwärts mal rückwärts.

Dabeisein ist alles für den Adabei

Der Kutscher ist flexibel, Hauptsache er bleibt auf dem Bock. Sonstige Zwecke sind für den „Berufspolitiker“ nachrangig, saisonal auswechselbar. Zwar sagte Christian Lindner erst vor wenigen Tagen, dass die größten Widersprüche im Abgleich der Parteien zur Bildung einer Koalition zwischen den Grünen und der FDP bestünden, doch hielt ihn das nicht davon ab, vor allen anderen mit eben denen zu verhandeln, einen Konsens zu suchen. So wie er als Schüler auf den politischen Beruf setzte, ohne zu ahnen, zu welchem Zweck, so steigt er nun mit den Grünen ins Boot, ohne viel danach zu fragen, was sie mit Deutschland vorhaben könnten. Dabeisein ist alles für den Adabei. Der mit Ehrgeiz ergriffene Beruf des „Berufspolitikers“ entspricht Christian Lindners Begabung.

Für das Land muss das kein Nachteil sein. Immerhin besteht so die Aussicht, dass er es tatsächlich schaffen könnte, den Stuhl des Finanzministers zu besetzen. Und das wiederum, der Liberale als Kassenwart, könnte allein schon ernüchternd auf Linke und Grüne wirken, ihren Verschwendungsrausch dämpfen – vorübergehend. 

Niemand weiß, wohin die Kutsche rollt

Im Ausland hat man es längst erkannt. Weder der Italiener Mario Draghi noch der Franzose Emmanuel Macron wünschen sich einen FDP-Mann an der Spitze des Finanzministeriums, einen, der den Abfluss deutschen Vermögens in die EU drosseln könnte. Also alles in Butter auf dem sinkenden Kutter? Mitnichten. Denn wer daheim klein beigibt, indem er gemeinsame Sache mit jenen macht, von denen ihn nahezu alles trennt, könnte das bald auch in der europäischen Finanzpolitik tun, um zu bleiben, was er schon immer werden wollte: Berufspolitiker: Kleiner Mann ganz groß, hoch oben auf dem gelben Wagen, den ein anderer FDP-Mann einst als Sänger erklomm. 

So sehr man Christian Lindner im Moment vertrauen möchte, behält er die Leinen in der Hand, weiß niemand, wohin die Kutsche rollt. Sicher kann die FDP besser mit Geld umgehen als die Roten und die Grünen, sie ist aber auch ein unsicherer Kantonist, der über Nacht unverhofft auszuscheren vermag. Helmut Schmidt könnte, wenn er noch unter uns wäre, seiner Partei ein Lied davon singen. Sozial-liberale Koalitionsgebäude sind auf Treibsand gebaut, man könnte auch sagen: eine Spielwiese für gealterte Pennäler, die schon immer wussten, dass sie vor allem eines sind „Berufspolitiker“ – egal zu welchem Ziel und Zweck.

Foto: Steffen Prößdorf CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Wilfried Düring / 16.10.2021

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Genosse Linder schritt lächend durch einen (von seinen künftigen ‘Partnern’ aufgestellten und finanzierten) johlenden und kreischenden Pöbel des (grünen) Jungvolks. Wäre Linder ein MANN, hätte er die Verhandlungen mit dem Argument abgebrochen, daß er nicht zu weiteren Gesprächen unter dem Druck des gruenen Straßen-Mobs bereit ist, und sich von arbeitsscheuen Minderjährigen und Schulschwänzern weder vorführen noch erpressen läßt. Für eine solche Haltung braucht es allerdings ‘Eier’, die Lindner nicht hat. Stattdessen hat Lindner seine eigene Selbst-Entmannung und die bedingungslose Kapitulation seiner Partei unterzeichnet. Nach 31 Jahren ist die FDP zurück im ‘antifaschistisch-demokratischen Block der Parteien und Massenorganisationen unserer Republik’. Die FDP ist jetzt endlich wieder eine Block-‘Partei’ - nur, daß die Befehle beim Zentralkomitee der Gruenen abholt werden. Die Gruenen haben sich durch den Straßenterror ihrer Aktivisten, viel Lärm und ihre Einflußagenten in den öffentlichen Medien die ‘führende Rolle’ in den ‘Kämpfen der Gegenwart’ gesichert! Und Lindner wird mglw. noch vor Wanderwitz ‘Nuschke des Jahres’ (2021). Die Gleichschaltung von Parteien, Institutionen, Medien geschieht nicht über Nacht - Gleichschaltung ist ein Prozeß. Illusionisten, Opportunisten, Unauffällige und Gleich-Gültige werden eine (lange ?) Zeitlang geduldet, bis dann gekaufte Subjekte und offene Verräter den Laden übernehmen. Aus der Geschichte der Ost-LDPD und der OST-CDU könnte man viel lernen (Otto Nuschke, Erwin Köhler, Manfred Gerlach, Arno Esch). Ein Wort zu Dunkel-Deutschland: Mit der Erklärung, daß alle Kohlekraftwerke bis spätestens Ende 2030 abgeschaltet werden, haben die Bevollmächtigten des gruenen Ampel-Regimes das Todesurteil für meine dunkel-deutsche Heimat und Hunderttausende Arbeitsplätze unterzeichnet. Die Lausitz wird brennen! Und die FDP wird diesen Verrat in Dunkel-Deutschland nicht überleben.

Franck Royale / 16.10.2021

Die unsägliche Senkung der Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen von 19 auf 7 Prozent hatten wir ja damals einer Großspende des Milliardärs August Baron von Finck an die FDP zu verdanken. Genutzt hat es der Branche in der staatsgemachten “epidemischen Lage von nationaler Tragweite” nicht. Was gab es denn die letzten Jahre so für Großspenden an Universalsozialisten, Klimasozialisten und Liberale am Sondierungstisch? Irgendwie war die Sache mit dem Bierdeckel ja auch keine schlechte Idee. Muss nicht alles digital sein.

R. Schäfer / 16.10.2021

Ähnlichkeiten zu Merkels Verhalten sind nicht zu übersehen: keine eigene Linie, eine Projektionsfläche für Erwartungen und Wünsche, die nie erfüllt werden und immer der bedingungslose Wille, oben zu stehen. Muss man als Berufspolitiker mangels beruflicher Alternativen so sein?

Thomas Kache / 16.10.2021

2/2 Sollte die kommende Regierung eine Ampel werden, habe ich einen Film im Kopfkino. Eine ACAB in einer Maschinenbaufabrik irgendwo in D, wie sie den um sie herum stehenden und begierig ihren weisen Worten lauschenden Damen, Herren & Diversen anhand eines FFF- Klimamodels die Geheimnisse des Maschinenbaus, sowie der Vermarktung “grüner” Maschinen nahebringt. Und die Lauschenden werden eifrig nickköppen. So, wie man es aus Nordkorea kennt. Aber zurück zu Lindner Krischan. Vielleicht will er ja Merkels Konzept kopieren, und aus der FDP eine kunterbunte Jahrmarktstruppe für Alles und Jeden machen. Na denn man tau, lieber Chris. 2029 wird es kein zurück an die Fleischtöpfe geben. Halte bitte deine Handvoll Wähler nicht für dümmer, als du es selbst bist. Ach so, und ob denn der Krischan die Finanzen übernimmt, oder aber Gleichstellungs- und Gedönsverantwortlicher wird, ist völlig wumpe, den Rahmen bestimmt Brüssel. Und wer sitzt dort doch gleich? Ach ja eine gewisse Frau von der Leyen, initialisiert von einer gewissen M. Mein seeliger Vater hat mir einen guten Spruch hinterlassen: “Männer, wir zittern nicht vor Kälte, wir zittern vor Wut.” Behalten wir dieses für die nächsten vier Jahre im Kopf. Gott schütze Deutschland

Sepp Kneip / 16.10.2021

“Niemand weiß, wohin die Kutsche rollt” Nein? Weiß das wirklich niemand? Wir wissen doch alle, wer die Strippen zieht. Alle Politiker der Altparteien sind doch Marionetten derer, die eine neue Welt wollen. Die die große Transformation anstreben. In diesem Räderwerk ist Lindner nur ein ganz kleines Rädchen, das vorgibt, große Politik für Deutschland machen zu wollen. Er kann natürlich den Leuten einiges vorgaukeln, etwas für sie tun kann er nicht. Vorgaukeln, wie beispielsweise mit der bestellten Rede eines Wolfgang Reitzle, der das Hohelied einer freiheitlichen Wirtschaft und Gesellschaft sang, wie sie nur mit der FDP zu erreichen sei. Völlig an der Realität vorbei. Das “Aufgabengebiet” der Deutschen im Dienste der globalistischen und milliardenschweren Strippenzieher ist längst fest umrissen. Und die Einheitsfront der Altparteien wird, wie schon unter Merkel, diese Aufgabe untertänigst erfüllen. Gegen die Interessen der Bürger, die das alles bezahlen müssen. Dabei ist es ziemlich egal, was für eine Konstellation die Wahl beschert hat. Da man die AfD außen vor hält, wird der restliche Parteienbrei genau das machen, was man von ihm verlangt. Die FDP ist nämlich um keinen Deut freier und bürgerfreundlicher als die anderen. Man freut sich nur, dass man jetzt wieder mit den Wölfen heulen, an den Futtertrögen sowie ganz vorne auf dem gelben Wagen sitzen darf. Die Politik in Deutschland wird sich auch mit einer FDP in der Regierung nicht ändern. Schon gar nicht zugunsten des Bürgers.

Matthias Böhnki / 16.10.2021

Alle Hoffnungen, die man noch hätte haben können hinsichtlich der Regierungsbeteiligung der FDP sind mit den ersten Verlautbarungen zu den zukünftigen Vorhaben der zukünftigen Regierungen erloschen. Alles, was gestern zu lesen war, ist ein einziges Desaster. Dazu kommt noch die elende intellektuelle Armut der zukünftigen Protagonisten: Lauterbach als Gesundheitsminister, Hofreiter als Verkehrsminister,..... - schlimmer geht immer.

Claudius Pappe / 16.10.2021

Wer glaubt denn daran, das 16 jährige bei der nächsten Wahl FDP wählen ?

Rolf Menzen / 16.10.2021

Man könnte fast meinen, der Autor hege eine persönliche Abneigung gegen Herrn Lindner. Die findet man sonst eher im linken Lager.

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