Warum haut man polnischen Babys nach der Geburt zweimal auf den Po? Einmal, damit sie zu schreien beginnen, und dann nochmal, damit sie dem Arzt seine Uhr zurückgeben.
Oh, oh, ich habe einen Polenwitz erzählt! Habe ich nun den Kerker der Witzpolizei zu fürchten?! Erlauben Sie mir bitte, Ihnen ein Detail über mich zu verraten und eine begleitende Anekdote zu erzählen. Meine Familie ist aus Tschechien zuerst nach Australien ausgewandert, dort hatten wir Familie. Wir gaben von Anfang an unser Bestes, uns „im Westen“ zu integrieren. Eines der Hindernisse zur Integration schien der Nachname zu sein. In meiner Geburtsurkunde steht nicht „Dushan Wegner“, sondern „Dušan Grzeszczyk“.
Wie kompliziert ist dieser Nachname? Ich habe, um diesen Text hier zu schreiben, meine Eltern angerufen und sie gebeten, mir den Namen via E-Mail zu buchstabieren, damit ich ihn richtig wiedergebe. (Und wenn Sie denken, Grzeszczyk allein sei schon kompliziert, müssen Sie wissen: Mein Großvater hieß Szczepan Grzeszczyk.)
Es erschien meinem Vater recht bald recht kommunikationsblockierend, in Australien täglich als „Mr Gr…, Mr Gr…, excuse me, you Sir“, angesprochen zu werden. Man beschloss also, den vom polnischen Großvater väterlicherseits stammenden Nachnamen auszutauschen gegen den Geburts-Nachnamen seiner deutschen Gattin und meiner Großmutter: Wegner.
In unserer Familie erzählt man sich nun folgende Anekdote: Wir saßen in Canberra im Amt und hatten die Anträge zur Namensänderung eingereicht. Die australische Dame fragte, warum wir den alten Namen ablegen wollten. Mein Vater erklärte, was für ein unmöglicher Name das sei (mit jedem Mal, dass er heute die Story erzählt, wird seine damalige Tirade zu den Nachteilen von „Grzeszczyk“ farbenreicher), und dass man im Westen mit so einem Nachnamen nichts Vernünftiges erreichen könne. Die Dame hört ihm zu, ihre Miene wird immer härter und kälter, dann atmet sie durch, beugt sich vor und rückt das Namensschild auf ihrem Tisch zurecht. Sie heißt Magdalena Grzeszczyk. Magdalena bearbeitete den Antrag dennoch und seitdem heißen wir Wegner.
Immer wieder die Polen und der Diebstahl!
Da fällt mir noch ein Witz ein: Fragt der Augenarzt den Tschechen: Können Sie die erste Reihe vorlesen? Der Tscheche sieht die Buchstaben, C K Z L V Z M, und ruft: Vorlesen? Ich kenne den Mann!
Wissen Sie, wer auch noch lustige Witze über benachbarte wie ferne Volksstämme erzählte? Harald Schmidt! Etwa diesen: Mich hat der Erfolg von Ikea in Japan nicht überrascht. Japanern ist es doch wurscht, wenn beim Tisch die Beine fehlen. – Japaner kaufen sich bei Ikea auch besonders gerne Nachtschränkchen – als Zweitwohnung! Und, natürlich: In Polen gibt es jetzt auch Viagra. Viele Polen nehmen es gar nicht selbst – sie haben in der Hose gar keinen Platz für noch eine zweite Brechstange.
Sogar Polen selbst erzählen Polen-Witze! Nein! Doch! Oh! Etwa der Boxer Dariusz Michalczewski (ich habe die korrekte Konsonantenabfolge aus Wikipedia kopiert), der bei der Harald-Schmidt-Show folgenden Witz erzählt haben soll: Kommen Sie nach Polen, Ihr Auto ist schon dort!
Wenn wir schon dabei sind, noch ein Witz, diesen erzählte mir ein Freund einmal: Kennst du polnischen Triathlon? Zu Fuß zum Schwimmbad, über den Zaun klettern und schwimmen, und am Abend dann mit dem Fahrrad zurück! Ach, was soll man da nur machen! – Immer wieder die Polen und der Diebstahl! Es geht ja nicht nur um Polen, es geht auch um ihre Nachbarn, ob sie nun Grzeszczyk oder Ckzlvzn heißen.
Manchmal fliegen die lustigsten Witze auch einfach so im Internet herum, wie dieser: ‚Die Kollegin ist Halb-Italienerin. Backt bestimmt leckere Pizza!‘ ‚Ich bin Halb-Spanierin und Halb-Polin. Soll ich uns ‘ne Paella klauen?‘(@aurielstrauma, 11.8.2017) Bei obigem Tweet (über 2600 mal retweetet!) gibt übrigens die charmante Debatte in den Kommentaren unter dem Witz etwas Hoffnung. So schreibt @mikelodean: „Ich bin Voll-Deutscher – Wessen Schrebergarten soll ich pflegen, während ich die Steuererklärung mache?“, worauf @aurielstrauma antwortet: „Aber bitte nur in Lederhosen & außerhalb der Ruhe- oder Nachtruhezeiten!“, und @birgitmueller ergänzt: „Und mit Gartenzwerg. Um himmelswillen nicht den Zwerg vergessen“. Es ist ja noch möglich, über uns selbst und all die verschiedenen Eigenschaften wie Klischees zu lachen, man darf nur nicht in die Fänge der Witzpolizei geraten.
Macht über den Mitmenschen mit Billigtricks
Ein weiterer Titan der deutschen TV-Geschichte, Thomas Gottschalk, hat es gewagt, heute, im verklemmten, linksgrün verhärmten, spießig-miefigen Jahr 2018 einen Witz zu erzählen, in dem Osteuropäer und Diebstahl vorkommen. „Hab meine DNA aufschlüsseln lassen. Afrika war ja klar. Aber über 50% Prozent Osteuropäer! – Deswegen hab ich als Kind so geklaut.“ (@herbstblond, 27.1.2018).
Er hat einen Polenwitz gemacht! In 2018! Weiß er denn nicht, dass wir uns wieder rückwärts entwickeln, dass wir wieder die Frauen verhüllen, dass Ex-Stasis vorgeben, was gesagt werden darf, dass die Regierung das Internet von anonymen Kontrolleuren zensieren lässt?
Ich, als geborener Osteuropäer, sehe all die armseligen Blockwarte, die laut „Rassismus“ grölen, bis hin zu Morddrohungen gegen den Witzemacher, und mich beschleicht ein böser Verdacht: Die Rassisten von damals sind die „Anti-Rassisten“ von heute – so wie die „Anti-Faschisten“ am ehesten den Faschisten von damals ähneln.
Es ist immer ein Seiltanz, dem Gegenüber die Zielrichtung einer Handlung zuzuschreiben, deshalb will ich folgenden Gedanken mit extra großer Vorsicht entwickeln: Ich erkenne im Schaum-vorm-Mund-Aktivismus der Sprachkontrolleure nicht einmal den Ansatz eines Bemühens, die Welt besser zu machen. Das Handeln jener, die heute überall „Rassismus“ wittern, richtet sich auf’s gleiche Ziel wie das Handeln tatsächlicher Rassisten: Ihr Handeln strebt nach Macht über den Mitmenschen, ohne sich diese Macht verdient zu haben.
In einer Meritokratie bekommt derjenige Macht verliehen, der durch entsprechende Verdienste belegt hat, dass der Gemeinschaft gedient ist, wenn man ihm Macht angedeihen lässt. Rassisten und Rassismus-Brüller gleichermaßen sind zu faul, zu dumm und zu verdorben, sich dem harten Wettbewerb einer Meritokratie auszusetzen. Sie wollen die erwerben.
Witze helfen, die schmerzhafte Realität aufzuarbeiten
Humor und Witze helfen uns, die schmerzhafte Differenz zwischen unseren Begriffen und der Realität aufzuarbeiten. Wir machen Witze über die Beziehung von Mann und Frau, weil unser Ideal davon und die Realität so schmerzhaft divergieren. Wir machen Witze über den Tod, weil wir uns selbst zugleich als ewig und schon-immer-dagewesen (wo waren Sie vor der Geburt?) wahrnehmen – aber sehr schmerzhaft täglich daran erinnert werden, dass vom Alter der Welt her Betracht, die Zeitspanne unserer Nicht-Daseins, unendlich länger ist als die Zeitspanne unseres Daseins.
Und wir machen Witze über die Unterschiede und Mängel anderer Menschengruppen, weil diese Unterschiede zugleich ein Ärgernis sind (wer mag schon das Ungewohnte – am wenigsten zuverlässig jene, welche von „Diversity“ faseln), und immer auch, weil wir die Eigenschaften des anderen in uns selbst erkennen. Der angebliche stehlende Pole dient uns als Spiegel unserer selbst. Sind wir denn selbst als Gesellschaft frei von Dieben? Wahrlich nicht. Das ist Humor, das ist Katharsis, das ist zugleich zu hoch und zu tief für die Witzpolizei.
Gottschalk hat diese kathartische Nebenwirkung des Witzes zu Ende formuliert: Wir machen uns über eine angebliche Eigenschaft von Polen lustig – während wir dabei zuerst über uns selbst sprechen. Es fällt mir auch in der dritten Redaktion dieser Zeilen schwer, wirklich treffende Worte für die geistige Verkümmerung derjenigen zu finden, die im gottschalkschen Witz gleich „Rassismus“ wittern.
Diese traurigen Haltungsdarsteller hätten Monty Python verbieten lassen wegen „Rassismus“ gegen die Römer, wegen Verhöhnung von Sprachbehinderten oder was weiß ich, Louis de Funès hätten sie sowieso drangekriegt und Mel Brooks hätten sie wegen „Verharmlosung des Nationalsozialismus“ an die Neue Deutsche Inquisition übergeben. Die deutsche Sprache ist reich an mächtigen wie präzisen Worten, und sie ist bekannt für ihre schöpferische Kraft, doch es fehlen mir gerade die Worte, die Verachtung auszudrücken, welche diese Sprachpolizisten, Witzkontrolleure und Aushilfsdenunzianten verdienen – Herr Pirinçci, übernehmen Sie bitte.
Witzpolizisten sind Geistesbrüder der Taliban
Bei der Zwergenkritik am Showtitanen ist mir aufgefallen, dass sich praktisch keine (erkennbaren) Osteuropäer unter den Anpinklern befanden. Es war, wie meist bei dieser klebrigen politischen Korrektheit, ein stellvertretendes Beleidigtsein. Es waren zumeist kleine Was-mit-Medien-Kriecher, vermutlich mit Schlafstatt in Berlins günstigeren Bezirken, bezahlt mit einigen Cents pro Auf-in-den-Untergang-Zeile und mittwochs kostenlosem Kaffee.
Jene meinen – zu recht – dass die Sonne der Kultur derzeit tief steht und wittern darin ihre Chance, auch endlich einen Schatten zu werfen, doch nicht mal das gelingt ihnen – was diese Eckenschnecken für ihren Schatten halten, ist nur die Schleimspur der eigenen Bitterkeit. Sprachpolizei zu spielen, ist letzte Zuflucht der Lumpen und Gescheiterten. Es ist ja an sich nichts Verwerfliches, zu scheitern, ob man nun an sich selbst, an der Welt oder an beidem gleichzeitig scheitert – der Anständige rappelt sich aber irgendwann wieder auf, und nur der Lump versucht stattdessen, die anderen Menschen mit in den Dreck, in dem er liegt und sich suhlt, zu ziehen.
Leute, macht Witze, höhnt und albert! Lacht die Witzpolizei aus und furzt den Zensoren ins Gesicht! Sie leben im Gefängnis ihrer eigenen Angst, gefesselt von ihrer eigenen Beschränktheit, doch statt sich selbst daraus zu befreien, wollen sie auch uns in ihren selbstgebauten Kerker sperren.
Es gibt mindestens zwei gute Gründe, gegen die Witzpolizei anzustinken. Zuerst: Witzpolizisten sind Geistesbrüder der Taliban und streben eine ebenso freudlose Welt an. Desweiteren: Witzpolizisten sind in direkter Linie mit all den übrigens Blockwarten und Gedankenaufsehern der Geschichte geistesverwandt. Die Welt der Witzpolizisten ist grau und bedrückend, wie immer, wenn Ideologen ihr inneres, seelisches Gefängnis zum Gefängnis der gesamten Gesellschaft machen wollen. Sie sind Unterdrücker, sind alles andere als die Helden, für die sich diese fiesen Wiesel halten. Ich erlaube mir, eine Leserin zu zitieren, die mir gestern schrieb:
Und ob die, die jetzt am lautesten gegen Nazis schreien, Widerstandskämpfer gewesen wären, ist die ganz große Frage. (@UteW19, 29.1.2018)
Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com.