Die „Pandemie“ ist vorbei, Gesundheitsminister Karl Lauterbach nicht ausgelastet. Den Gästesessel bei Lanz ersetzt er nun durch einen Account auf der Plattform TikTok, um vor allem junge Leute zu beschallen.
Das chinesische Unternehmen TikTok ist wegen Bedenken in Sachen Daten- und Jugendschutz sowie Zensur und Spionage zwar umstritten, erreicht jedoch (Stand 2023) in Europa 150 Millionen Nutzer, von denen knapp 70 Prozent zwischen 16 und 24 sind.
Marianengrabentiefe Anspruchslosigkeit (jedenfalls in der westlichen Variante) ist das Hauptcharakteristikum der Plattform, auf der User kurze Videos teilen und diese mit Musik unterlegen. Genau das richtige Terrain für Gesundheitsminister Karl Lauterbach also, der eben in einem Gespräch mit dem Hohlkörper-Medium t-online ankündigte, er werde „jetzt sogar anfangen, TikTok zu nutzen“, um dort „auch ein gutes Gegengewicht zur AfD“ zu bilden. Denn über TikTok erreiche man „besonders junge Menschen sehr gut“. Den Teenies kann er dann in Kurzvideos Angst machen, vor Corona sowieso oder vor Feinstaub oder tödlicher Hitze oder schlimmer Kälte oder dem Kamineffekt der Klospülung, und seine düsteren Prophezeiungen mit Chopins Trauermarsch unterlegen.
Aber wirklich also nur also sehr kurz, für diejenigen, deren Aufmerksamkeitsspanne der eines Kolibriflügelschlags entspricht. Ein bisschen was über Cannabis will er ihnen auch noch erzählen („das interessiert junge Leute brennend“). Musikalisch vielleicht von „Legalize it”, „Sweet Leaf“ oder „Hits From the Bong“ begleitet, wer weiß. Jedenfalls möchte er „auf TikTok auf die Risiken für Kinder und Jugendliche hinweisen“, nachdem er das Verliererkraut freigegeben hat – geplant für den 1. April (!) im Bundestag.
Alder, Digga, wild!
Auch für Pflegeberufe will Lauterbach die Generation Z begeistern, „den jungen Leuten erklären, was wir eigentlich machen – und zwar in einer Sprache, die sie verstehen“. Alder, Digga, wild! Sicher sind auch noch ein paar kurze Food-Hacks drin, über „Lachsfich mit Spinat und andere fichvegetariche Gerichte“ sowie „Schpaghetti mit Gemüse, aber senza sale“.
Laut Dr. Martin Degeling besteht die Gefahr, „dass TikTok genutzt wird, um bewusst Desinformationen zu streuen und Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen“, das dürfte Lauterbach motiviert haben, seine Erleuchtungen über Jahrhundertviren und „nebenwirkungsfreie“ Impfstoffe nun auch noch über eine weitere Social-Media-Plattform zu verbreiten, auch wenn den Gemeinschaftsrichtlinien von TikTok zufolge das Verbreiten von Falschinformationen und Verschwörungsmythen, die „erhebliche Schäden“ für Einzelne oder die Öffentlichkeit verursachen können, verboten ist.
„Auf X, Instagram und Facebook zusammen erreiche ich schon jetzt fast 1,4 Millionen Follower“, bläht sich der Immunitätsleugner im Gespräch mit t-online, er sei ein „eher erfahrener Nutzer“ sozialer Medien, viel Zeit müsse er da nicht zusätzlich aufwenden für TikTok. Auch dass die App, über die man ausspioniert wird, in deutschen Ministerien auf Dienstgeräten untersagt ist, ficht Lauterbach nicht an: „Ich werde definitiv kein Diensthandy dafür nutzen.“ Schlau. Zwar könnte er sich bei Ursula von der Leyen erkundigen, wie man im Ernstfall Daten löscht, aber die sind im Fall TikTok ja nicht weg – die haben dann nur andere.
Claudio Casula arbeitet als Autor, Redakteur und Lektor bei der Achse des Guten.