Henryk M. Broder / 30.09.2019 / 17:37 / Foto: Bildarchiv Pieterman / 56 / Seite ausdrucken

Kurz bleibt cool und Kleber geht baden

Am 13. März 1938 erfolgte der Anschluss der Republik Österreich an das Deutsche Reich (im Amtsdeutsch: die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich), am 27. April 1945, also noch vor der offiziellen Kapitulation, wurde der "Anschluss" für "null und nichtig" erklärt, die "Proklamation über die Selbständigkeit Österreichs" ausgerufen und eine Provisorische Staatsregierung unter dem Vorsitz des Sozialdemokraten Karl Renner gebildet. 

Das alles ist schon eine Weile her, aber es hat sich noch nicht in allen deutschen Gauen herumgesprochen. Österreich ist ein souveränes Land, die Österreicher wählen ihre Regierung in eigener Verantwortung, zuletzt gestern.

Aus diesem Anlass wurde der Wahlsieger Sebastian Kurz von Claus Kleber im heute journal interviewt. Kleber, sichtlich angesäuert, verkniff sich die sonst übliche Glückwunsch-Intro und kam gleich zur Sache. Warum Kurz eine Koalition mit den Rechtsnationalen nicht ausschließen würde, obwohl er die gar nicht bräuchte, "nach allem, was geschehen ist". 

Kurz erwiderte, er werde das tun, was er im Wahlkampf versprochen habe, nämlich "mit allen Gespräche zu führen und versuchen, eine bestmögliche Koalition auf die Beine zu stellen". Kleber war mit dieser Antwort nicht zufrieden und legte nach: "Wäre jetzt eine klare Ansage nicht das Richtige?", womit er eine Absage an die FPÖ meinte.

Mit dem Wahlergebnis respektvoll umgehen

Darauf Kurz: "Also, ja, vielleicht würden Sie besser wissen, was ich tun sollte, als ich das selbst weiß, ich hab mich immer daran gehalten, nicht zu schnell meine Meinung zu ändern, sondern das zu tun, was ich vorher versprochen habe", er werde versuchen, mit allen Parteien, die im Parlament vertreten sind, "eine Schnittmenge zu finden". Dabei wolle er "mit dem Wahlergebnis respektvoll umgehen".

Kleber war not amused. Was erlaubte sich dieser Jungspund aus der Ostmark? "Sie wissen", hob er wieder an, "dass die deutsche Regierung, die Benelux-Regierungen, die Frankreich-Regierung undsoweiter sehr darauf hoffen, dass die Allianz mit den zweifelhaften Rechtsnationalen in Österreich aufhört. Spielt ein solcher Gesichtspunkt bei den Überlegungen, die sie jetzt anstellen werden, überhaupt eine Rolle?"

Kurz: "Nein. Ich bin meinen Wählerinnen und Wählern verpflichtet, und nicht dem Ausland und auch nicht irgendwelchen Medienvertretern und anderen Tipp-Gebern..."

Kurz war cool und Kleber ging baden. Nun überlegt er, ob er seinen nächsten Urlaub im Salzkammergut verbringen oder einen Bogen um Österreich machen soll, nachdem er von Kurz so respektlos abgemeiert wurde. Das ganze Interview finden Sie hier, ab 4:02.

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Leserpost

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Gerhard Döring / 30.09.2019

Na, der Herr Kurz bekommt sowieso bald wieder Post von deutschen Haltungsjournalisten und wie es aussieht reicht es aus,das letzte Schreiben einfach in Kopie zuzustellen.Übrigens kommt mir Herr Kleber wie ein Voluntär vor,Profi mit Haltung,auch manchmal ungehalten.

Jürgen Müller / 30.09.2019

Wunderbar, wie Sebastian Kurz diesen widerlichen Herrn Kleber in die Schranken weist. Felix austria. Man muß sich als Deutscher für diese Journalisten schämen und entschuldigen.

Karina Gleiss / 30.09.2019

Was erlaube Kurz! Schlimm genug, dass die Österreicher nicht so gewählt haben, wie Madame et.al. es gewünscht haben. Dem Hofberichterstatter von DDR 2 während der Inquisition dann aber auch noch Widerworte zu geben - das geht ja mal gar nicht! Chapeau, Herr Kurz! So zeigt man den größenwahnsinnigen “Qualitätsredakteuren”, wo ihr Plaz ist.

beat schaller / 30.09.2019

Danke Herr Broder, das ist “klebrig”, aber so richtig KLEBRIG! Das im gebühren-finanzierten TV. Es passt so richtig in die Zeit und EUtschland ist damit wieder ein grosses Stück auf der Sympatie-Leiter gestiegen. Ich frage mich manchmal, ob all die Leute die sic das alles jeden Tag reinziehen, überhaupt noch merken, was da wirklich vor sich geht? Es ist nur noch tragisch und der Typ sollte doch noch etwas tiefer unten baden gehen. b.schaller

Anton Geiger / 30.09.2019

Armselig war auch der Interview-Abschluss: das Nachtreten des gescheiterten Kleber, indem er ostentativ die Expertenregierung “ohne politische Parteien” lobt. — Expertokratie, Meritokratie: das würde diesen Gestalten so passen.

ulix vanraudt / 30.09.2019

Lieber Herr Broder, ... tja, Herr Kleber hat nun einmal - ganz im Gegensatz zB zu Ihnen oder mir - DIE LEHREN aus der Ideenbesoffenheit der Jahre 1933-45 und dem dabei erlittenen Debakel gezogen. Wie hat´s doch Franz Werfel in seinem utopischen Roman “Der Stern der Ungeborenen” so schön formuliert: „Zwischen Weltkrieg Zwei und Drei drängten sich die Deutschen an die Spitze der Humanität und Allgüte. [...] Die meisten der Deutschen nahmen auch, was sie unter Humanität und Güte verstanden, äußerst ernst. Sie hatten doch seit Jahrhunderten danach gelechzt, beliebt zu sein. Humanität und Güte erschien ihnen jetzt der beste Weg zu diesem Ziel. Sie fanden ihn sogar weit bequemer als Heroismus und Rassenlehre. […] Sie waren die Erfinder der undankbaren Ethik der ›selbstlosen Zudringlichkeit‹.“ Herr Kleber ist eben durch und durch Ethiker, ideenbesoffen wie seinerzeit - nur gottseidank nur “selbstlos zudringlich”. Mit lieben Grüssen aus Wien

Jörg Plath / 30.09.2019

Da bekommt man schon 600.000 Euro für seine Genialität und dann sowas… Ne, ne, ne.

Klaus Reichert / 30.09.2019

Mit der Schlussbemerkung dass Österreich ja eine beliebte Übergangsregierung hat, versucht Kleber, noch, Kurz wenigstens zum Abschied noch eine reinzuwürgen. Man braucht fast gar nicht darüber zu sprechen, was wohl ein Wahlsieger Kurz hätte Anderes sagen sollen. Vielleicht die Grünen als Lieblingspartner beschreiben, damit die Maximalforderungen stellen können? Nein, es ist einfach eine absolute Frechheit, dass das ZDF einen Moderator beschäftigt, der den kommenden österreichischen Bundeskanzler unverhohlen auffordert, sich gefälligst an die Vorgaben aus Brüssel, Paris, Berlin und Mainz zu halten. Ein deutscher Medienvertreter spielt sich hier stellvertretend für die deutsche Politik gegenüber dem Vertreter eines kleineren Nachbarlandes als arroganter Reichsverweser auf, weil er glaubt, dass die deutsche Macht gerade noch so weit reicht, dies hier ungestraft tun zu können. Widerlich.

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