Ich glaub man muss unterscheiden. Der Westen ist total dekadent. Reine Feststellung . Anderes Thema ist, welche Schlüsse man daraus zieht. Ist er deswegen militärisch leicht zu besiegen ? Sicherlich nicht. Noch zehrt er von seiner bisher angesammelten wirtschaftlichen und technologischen Macht. Der Niedergang des alten Roms zog sich auch über einen längeren Zeitraum dahin.
Bei der Lektüre des Textes musste an das Bild vom “Pfeifen im dunklen Keller” denken!
Mittlerweile glaube ich nicht mehr daran, noch ein Noll-Fan zu werden. Ich finde das zwar nicht alles verkehrt, aber ich hätte doch zuerst mal nachgeschaut, wie “Dekadenz” definiert ist. Es heißt: “kultureller Verfall und Niedergang ausgehend von einem Hochpunkt”. Gut, dann schauen wir zuerst mal nach dem Hochpunkt. Das Reich von Adenauer kann es nicht gewesen sein, das des großen kleinen Diktators auch nicht. Die goldenen Zwanziger? Der Kaiser Wilhelm? - Nä! Das muss schon länger her sein. Irgendwas zwischen Luther und Schopenhauer. Man findet freilich was, ganz sicher, aber einen Hochpunkt? Hat Luther schon mit Messer und Gabel gegessen? Hat Goethe ein Kondom benutzt? Haben die 68er Kulturrevolutionäre noch frech auf die Straße gespuckt? Oder schon wieder? Ich weiß es nicht. Alles fließt, sagt man, was für die einen Kultur und Zivilisation ist, gilt den anderen als Eitelkeit und Einbildung. Die Steigerung: Neurose. Die Fachleute sprechen von Ritualen, Gewohnheiten, Werten, Traditionen. Das Traditionen brechen ist manchmal etwas Gutes, manchmal wird es verteufelt. In den Künsten, etwa der Malerei sieht man gut, wie etwas zu Kultur erklärt wird. Wie sich der rhetorische Aufwand entwickelt zu einem konstruierten Gebirge der Begründungen. Weil man im Prinzip alles malen kann, was die Hände hergeben, der Mensch dahinter denkt immer, ob das gut ist, kann man das überhaupt ausstellen, werden die Leute schimpfen, mich verprügeln, oder auslachen. Das hat sich schon van Gogh so gefragt, und der war darüber oft verzweifelt. Ich glaube, man darf es sich nicht einfach machen, wenn man über Dekadenz schreiben will. Wer einen Teil seines Lebens in der DDR und mit der damaligen Propaganda verbracht hat, braucht nur in der Nacht gelegentlich die drittklassigen amerikanischen Filme zu schauen, die zur Unterhaltung in Deutschland heute gesendet werden. Wenn das Selbstdarstellung ist, und sei es zur Hälfte krankhafte Phantasie, dann ist der Westen dekadent. Inklusive der Zuschauer.
Lieber Herr Noll, jetzt fliegen Sie mal nach Moskau und steigen dort in die Metro. Dann fliegen Sie nach Frankfurt/M. und nehmen dort die U-Bahn. Letztere verursacht Übelkeit.
“Sie verändern sich ständig, in der ethnischen oder religiösen Zusammensetzung ihrer Bevölkerungen, in ihrer Außenpolitik und ihren Bündnissen, in ihrer inneren Struktur, im Zustand ihrer natürlichen und Umweltbedingungen.” Das nennt man Instabilität, Herr Noll. Das fehlende Subjekt im Satz sind die Verräter, Kriminellen, Räuber aus Wirtschaft und Politik, die die Völker als Beute ansehen. Die “Bevölkerung” ist ja kein Zustand, sondern ein Vorgang wie die Be-wässerung. Die westlichen Staaten, Verfassungen und das Völkerrecht werden mit Ausländerflutungen untergraben, die Völker von innen heraus von den selbstverliebten Parteioligarchen und Jubeljournalisten mit Halbwahrheiten, Unterstellungen, Verleumdungen und geschichtlichen Unwahrheiten zerstört. Die politische Pest macht nicht mal vor den Familien und Kinder halt.
Artikel zum Nachdenken, allerdings bei über 100 Gender-Lehrstühlen in Deutschland, bei Lehrmeinungen (besser Leermeinungen) , dass Frauen die Kinder gebären sei sozial und nicht biologisch bestimmt, bei einer Werbung in den Medien, die von Idioten für Idioten gemacht scheint, beim dem Hissen von Regenbogenfahnen an öffentlichen Gebäuden, bei drei Verteidigungsministerinnen nacheinander, die alle vorher nie mit Militär zu tun hatten, fällt es etwas schwer, nicht an westliche Dekadenz zu glauben. Ich hoffe, dass Putins Krieg dazu beiträgt, dass der Westen sich wieder mehr den tatsächlichen Notwendigkeiten zuwendet: Sicherheit, wirtschaftliche Selbstständigkeit, Achtung anständiger ehrlicher Arbeit. Dazu würde auch gehören: Passives Wahlrecht erst nach Jahren erfolgreicher beruflicher Arbeit, Begrenzung der Amtszeit aller führender politischer Tätigkeit auf zwei Wahlperioden.
Zum Glück, kann man die Urkaine nicht als Westen zählen, sonst wäre der Kriegsverlauf möglicherweise ein anderer. Sobald die Ukraine in der EU aufgenommen ist beginnt die Auflösung ihrer kulturellen Werte und des Patriotismus, der erst diesen wehrhaften Widerstand gegen Putin ermöglicht hat. Hätten die Russen Deutschland angegriffen, ständen deren Panzer schon am Rhein und zwar ohne nennenswerte Verluste, vermute ich mal.
Trotz einer zutreffenden Gegenwartsanalyse über die Stärke des Westens stimme ich dem Urteil zur Dekadenz keineswegs zu. Dekadenz ist der Begriff der im Niedergang befindlichen Gesellschaft. Selbstverständnis und Sexualmoral mag ein Indikator sein, viel stärker aber ist schlicht der Parameter der Geburtenrate. Eine Gesellschaft, die sich nicht selbst erhält, steigt ab. Und eine Gesellschaft, die die fehlenden Nachwuchs durch Zuwanderung ersetzen will, von dem sie keine Assimilation fordert, wird schlicht ersetzt. Neben diesen nüchternen Fakten besteht die Identität einer Gesellschaft zwar nicht aus einem statischen Selbstverständnis, sondern eine Identität, die sie als kontinuierliche Entwicklung verstehen will. Disruptive Prozesse zerstören diese Identität. Dies beobachten wir in vielen europäischen Staaten. Man kann das Verhalten der westlichen Gesellschaften zu Recht auch Infantilität nennen, aber das steht nicht im Widerspruch zur Dekadenz.
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