Es gibt Journalisten, die „nur“ hinter dem Schreibtisch sitzen. Und es gibt Journalisten, die sich à la James Bond auf gefährliche Mission begeben: Gestatten mein Name ist Demmel, Hans Demmel. Medienmanager und ehemaliger n-tv-Geschäftsführer. Sage und schreibe „ein knappes halbes Jahr hinweg“ informierte Demmel sich ausschließlich über „rechte“ Medien. Von „Tichys Einblick“ bis hin zu „Compact“. Seine unglaublichen Eindrücke verfasste er im neuen Buch „Anderswelt. Ein Selbstversuch mit rechten Medien, begleitet von Friedrich Küppersbusch“.
Vorneweg: Nach der frei zugänglichen Leseprobe war mir klar, warum ich nicht das ganze Buch lesen würde. Wer die Probe liest, erhält eine Kurzzusammenfassung der weit verbreiteten öffentlichen Meinung: Liberal-Konservative und Rechtsextremisten werden in einen Topf geworfen, nichtgetreue Klimawandelskeptiker werden als Klimawandelleugner abgestempelt und Corona-Ungeimpfte gelten als Verschwörungstheoretiker. Kurzum: Wer eine andere als die öffentliche Meinung vertritt, gilt als rechts.
In genau diesen vogelfreien Kosmos wagte sich unser ein-Viertel-007 alias Hans Demmel. „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“, der öffentlichen Meinung, der „Mainstream-Medien“. Oder wie Demmel in einem Interview zu seinem Buch sagte: In Mission für die „allgemeingültige Wahrheit“.
Ehrenauszeichnung für konstruktiv-kritisches Denken
Dieses Vordringen in die gefährlichen Niederungen von „allgemeingültiger Unwahrheit“ „rechter“ Medien ist ein waghalsiges. Ohne psychologische Vorbereitung. Ohne Absprache mit Claus Kleber. Ohne sicheren Ausgang. Verständlich, dass ein so gewagter Selbstversuch der Begleitung bedurfte. „Und er [Küppersbusch] sollte mir, sollte es so weit kommen, den Aluhut vom Kopf reißen“. Nota bene: Küppersbusch informierte sich weiterhin über „Mainstream-Medien“, die – nochmals zur Erinnerung – die „allgemeingültige Wahrheit“ darstellen.
Doch was konkret motivierte ihn, den Geheimagenten mit der „Lizenz zur Wahrheit", unverkleidet und im Schutze seines Schreibtisches, sich „in politisch korrekte Mission“ zu begeben? „Langsam frisst sich so fremdenfeindliches, antidemokratisches Gedankengut in die Gesellschaftsgruppen, unabhängig vom sozialen Status.“ Stellt Demmel mit dieser Aussage nicht seine Mitstreiter an den Pranger, die individuelle Freiheiten einschränken? Mit SUV-Verbot, Flugzeug-Verbot oder der Oktroyierung der Gendersprache? Mitnichten. „Die Medien, die dies befeuern, geben oder besser nennen sich mal liberal-konservativ, mal offen rechts.“ Zusammengefasst: antidemokratisches Gedankengut ist durchaus gut, solange es von der „richtigen“ Ecke für die „richtige“ Sache kommt.
Für eben diese „falsche“ Sache engagieren sich: „Namhafte und früher zu recht geschätzte Kollegen wie Roland Tichy, Matthias Matussek, Boris Reitschuster oder Ken Jebsen.“ „Ein Quantum Trost“: Demmel listet in seinem Buch die Lebensläufe weiterer Bösewichte auf. Von Prof. Dr. Sucharit Bhakdi und Prof. Dr. Karina Reiss bis hin zu Dushan Wegner. Es ist in gewisser Hinsicht eine Fahndungsliste „rechter“ Schurken. Derjenigen, die nicht zu allem Ja-und-Amen sagen. Eine Ehrenauszeichnung für unabhängiges und konstruktiv-kritisches Denken.
„Reise ins Dunkel der deutschen Medienlandschaft“
Dass „Der Mann mit der wahrhaften Feder“ hierbei auch nur ein Mensch mit Gefühlen ist, lässt er seinen Leser spüren. Seine Mission in die „rechte“ Unterwelt beunruhigte ihn schon vor der Recherche. So schreibt er: „Nach langer Erfahrung sollte ich gestählt sein für diesen Selbstversuch, für diese Reise ins Dunkel der deutschen Medienlandschaft. Angst vor dem, was mich erwartet und was die Lektüre bei mir auslöst, habe ich dennoch.“ Eine panische Angst, die man allzu gut nachvollziehen kann. Als Konsument vieler Artikel der von Demmel präferierten Medien.
Denn viele dieser, von ein-Viertel-Agent Demmel geschätzten Lektüren beanspruchen für sich, was Demmel den alternativen Medien vorwirft: „Was sie [die rechten Medien] eint: Alle […] reklamieren, im Besitz der einzigen Wahrheit zu sein“. Was „rechte“ und „Mainstream-Medien“ dennoch unterscheidet? Das politische Berlin hält die Hand über Demmel und seine Kollegen. In dieser privilegierten Situation kann man schon von sich behaupten, die „allgemeingültige Wahrheit“ zu besitzen.
Da kann es einem passieren, die eigene Perspektive für die einzig wahre zu halten. Und diese auf andere zu übertragen, wie etwa auf „Tichys Einblick“: „So trifft es anscheinend den Lesergeschmack einer verunsicherten, migrations- und europaskeptischen Leserschaft“. Ebenso wie weite Teile der hiesigen Medienlandschaft eine verunsicherte, klimahysterische und heterosexuell-männerfeindliche Leserschaft erreichen, die sich gerne in Schrecken und Panik versetzen lässt – und die gerne liest, was sie hören möchte.
Angeschlagen nach einem Beitrag von Dushan Wegner
Diese Ich-Bezogenheit seines Milieus verdeutlicht der Verfechter für „allgemeingültige Wahrheit“. Nämlich als dieser sich auf seine allererste Mission begibt. Dem Kauf „rechter“ Lektüre. Der Leser fühlt mit ihm. Er weiß: Die vorherige Nacht war sicherlich keine leichte. In Anbetracht dieser großen Bürde: „Freitag früh gehe ich zum Bahnhof. An den Kiosk oder die Tankstelle, wo mich ein Nachbar sehen könnte, habe ich mich nicht getraut, erkannt zu werden wäre mir dann doch peinlich.“ Welch ein Glück, dass Demmels investigativ-wahrheitsliebender Trieb ihm Flügel des Mutes schenkte. Andernfalls könnte dieser seine Leser nicht an diesem wagemutigen Trip teilhaben lassen.
Sowie an seinem überraschenden Urteil über einen Artikel Dushan Wegners: „Es ist mein erster bewusster Kontakt, mein erster für diesen Versuch gelesener Text. Ihn nachzuvollziehen fällt mir schwer.“ Demmel ist offensichtlich stark angeschlagen. Nach diesem „ersten Kontakt“ mit Gedanken aus dem „rechten“ Untergrund.
Aber Demmel wäre nicht Demmel, würde er nicht aufrechten Hauptes aufstehen und seine Recherchemission tapfer fortsetzen. So trifft er im weiteren Verlauf auf ein Video bei „Tichys Einblick“: „Na ja, ich komme mir beim Zusehen auf YouTube ein bisschen vor wie Fozzie Bär, der nichts versteht und sich nur wundern kann.“ Das glaubt der Leser dem Wahrheitskämpfer sofort. Intellektuell anspruchsvolle Inhalte und Humor sind schwer nachzuvollziehen. Nicht alle verstehen diese.
„Umstritten“, weil man streitet?
Wie allzu oft die Sprachdesigner der politischen Korrektheit. Talkshows, in denen unterschiedliche Meinungen zu Wort kommen und Argumente um die Köpfe fliegen, sind ihnen ein Dorn im Auge. Wie etwa der Polit-Talk „Talk im Hangar-7“ beim österreichischen Privatfernsehsender Servus TV. Diesen bezeichnet Demmel als „umstrittene Talkshow“. Warum „umstritten“? Weil man im Geiste der Demokratie „streitet“? Oder weil Demmel nur die „Grandes Dames“ der deutschen Talkshow-Landschaft kennt, Anne Will und Maybritt Illner, die ihm den Kopf waschen?
Just gibt der „Warrior of Truth“, der „rechte“ Medien jagt, dem Leser die Antwort: „Das Schema wenig Fakten, sehr viel Meinung, klare Feindbilder vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk bis zur Kanzlerin, wird in den nächsten Monaten immer wiederkehren. Die Palette kennt nur zwei Farben: schwarz und weiß“. Naja. Immerhin kennt sie zwei Farben. Demmels Milieu kennt nur eine: ihre eigene. Zufälligerweise grün?
Fest steht: Wo „rechte“ Medien schwarz und weiß, ein Für und Wider kennen, gibt es bei Demmels bevorzugten Medien nur eine Meinung. Das erklärt vermutlich die undifferenzierte Sichtweise, was alles „rechts“ sei. Einige Mitbürger, vornehmlich aus dem Osten Deutschlands, werden sich erinnern. Es gab Journalisten, die tippten, was die Regierung guthieß. Und es gab Journalisten, die schrieben, was der Regierung missfiel. Letztere müssten sich nach Demmels Enthüllungen als „rechts“ entlarven.
„Anderswelt: Ein Selbstversuch mit rechten Medien“ von Hans Demmel, 2021, Verlag Antje Kunstmann: München. Hier bestellbar.