Gestern nachmittag, während ich an der Urania mal wieder im Stau stand und die idiotischen Wahlplakate betrachtete ("Zeit für mehr Gerechtigkeit", SPD; "Für glaubwürdige Gerechtigkeit" Linke), fiel mir plötzlich ein, dass in diesem Jahr etwas fehlte, das sich sonst in jedem Wahlkampf zu Wort meldete - eine sozialdemokratische Wählerinitiative, angeführt und organisiert von engagierten und widerständigen Künstlern, Schriftstellern, Musikern und Querdenkern wie Klaus Staeck, Johano Strasser, Iris Berben und Friedrich Schorlemmer. Kaum hatte ich diesen Gedanken zu Ende gedacht, passierte etwas Seltsames. Der Deutschlandfunk meldete, eine Wählerinitiative unter dem Namen "Aktion für mehr Demokratie" habe zur Wahl der SPD aufgerufen. Unter den Erstunterzeichnern wären Klaus Staeck, Johano Strasser, Iris Berben und Natalia Wörner.
Es war nicht meine erste parapsychologische Erfahrung. Es passiert ab und zu, dass ich an jemand denke, den ich lange nicht mehr gesehen habe, und Minuten später ruft er oder sie an. Keine Ahnung, wie so etwas möglich ist, aber es passiert eben.
Heute früh setzte ich mich an meinen Laptop und googelte noch vor dem ersten Wacholdertee "Wählerinitiative SPD". Die einzige Meldung, die ich fand, war ein kurzer Bericht in der Wiener "Presse": Unter den 1.100 Unterstützern der "Aktion für mehr Demokratie" aus dem Kunst- und Journalismusumfeld wäre auch die in Berlin lebende Österreicherin Eva Menasse.
Ich googelte "Aktion für mehr Demokratie" und wurde fündig. Hier und hier. Die Aktion wurde gestern in der "Ständigen Vertretung" am Schiffbauerdamm vorgestellt. Das Presseecho war, sagen wir es höflich, dürftig. Aber die Liste der 1.100 "Persönlichkeiten" ist umso eindrucksvoller. Ich entdeckte viele Idole aus meiner Kindheit: Manfred Bissinger und Wibke Bruhns, Freimut Duve und Katja Ebstein, Monika Griefahn und Hilmar Hoffmann, Oskar Negt und Gesine Schwan, Wolfgang Völz und Günter Wallraff, Uwe Wesel und Uwe-Karsten Heye, Hans Eichel und Heidemarie Wieczorek-Zeul. Allerdings auch, als Vertreter der jungen Generation, den hyperaktiven Klaas Heuer-Umlauf, der sich seit kurzem "engagiert".
Elf Tage vor der Wahl trat die Initiative in das Gaslaternenlicht der Öffentlichkeit. Es hat wohl mehrere Wochen gedauert, 1.100 Leute zu mobilisieren. Jetzt frage ich mich, was die wohl wählen werden. Doch nicht etwa die SPD?