Volker Seitz / 21.01.2020 / 06:25 / Foto: hafifmuzik.org / 55 / Seite ausdrucken

Gute Taten – oder besser mal den Mund halten? 

Der Schauspieler Don Johnson gab der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung am 5. Januar 2020 ein lesenswertes Interview. Er sagte zum Beispiel, dass er wenig davon hält, wenn Schauspieler sich politisch äußern. Er fragt sich, ob es dabei um das eigene Ego oder tatsächlich um die Sache geht. 

„Es gibt mehr als genug Kollegen und Kolleginnen, die sich zu lapidaren Kommentaren hinreißen lassen, ohne dass sie wirklich das Wissen haben, die solche Themen und Anliegen [er meint seine Kollegen und Kolleginnen, die Afrika retten wollen] verdient hätten. Wer nicht in eine Sache involviert oder überzeugt ist, tatsächlich etwas bewirken zu können, sollte meiner Meinung nach lieber den Mund halten.“ 

Als „Stimme Afrikas“ bezeichnet sich der Frontmann der irischen Rockband U2, Bono. Das hat Folgen: Zum Beispiel die, dass afrikanische Vertreter zu bestimmten Veranstaltungen gar nicht mehr eingeladen werden. Schließlich spricht Bono für sie. Auch Geldof und Grönemeyer halten sich für Afrika-Experten. „Rockende Millionäre reden von Schuldenerlass und machen in der Politik, was sie in der Musik gelernt haben: mit geistig eher übersichtlichen Statements enormen Effekt zu erzielen. Dabei hat Afrika doch genug Probleme. Jetzt muss es auch noch die Seele von wohlstandsmüden Musikern retten.“ [Vgl. Vince Ebert auf der Achse am im Jahr 2010 (leider nicht veraltet): „Entwicklungshilfe: Egotrips ins Elend“.] 

NoViolet Bulawayo aus Simbabwe schreibt in ihrem Roman „Wir brauchen neue Namen“, Suhrkamp, 2016: 

„Die NGO-Leute steigen aus, alle fünf. Es sind drei Weiße, zwei Frauen und ein Mann, denen sieht man gleich an, dass sie nicht von hier sind, und Sis Betty, die ist von hier. Sis Betty spricht unsere Sprachen, ich glaub, sie hat die Aufgabe, uns die Weißen zu erklären und die Weißen uns. Und der Fahrer ist wahrscheinlich auch von hier. Abgesehen davon, dass er fährt, sieht er nicht wichtig aus. Außer ihm tragen alle Sonnenbrillen, Augen gucken uns an, und wir können sie nicht richtig sehen, weil sie sich hinter einer Wand aus schwarzem Glas verstecken...Sobald wir sitzen, fängt der Mann mit seiner großen Kamera an zu fotografieren. Die machen einfach gern Fotos, diese NGO-Leute, wie echte Freunde und Verwandte irgendwie, die sich später zu Hause mit ihren anderen Freunden und Verwandten die Bilder angucken, auf uns zeigen und unsere Namen sagen. Es schert sie nicht, dass der Dreck und die zerfetzten Kleider uns peinlich sind, dass es uns lieber wäre, wenn sie das sein lassen; sie knipsen trotzdem, knips knips knips. Wir meckern nicht, weil wir wissen, dass nach dem Knipsen die Geschenke dran sind... Jeder von uns kriegt ein Spielzeuggewehr, ein paar Süßigkeiten und was zum Anziehen; ich krieg ein T-Shirt mit dem Wort Google vorne drauf und ein rotes Kleid, das unter den Achseln kneift...Viel danke, sag ich zu der hübschen Frau, die mir meine Sachen gibt, um ihr zu zeigen, dass ich Englisch kann. Sie sagt nichts zurück, als hätte ich irgendwie nur gebellt...Los wir spielen Krieg, und schon laufen wir und legen uns gegenseitig um mit unsere nagelneuen Spielzeuggewehren aus Amerika. (Seiten 51-56) 

„Sonst landet ihr noch auf dem Spendenaufruf"

Der Künstler und Schriftsteller Samson Kambalu aus Malawi rät afrikanischen Kindern, sich von Touristen fernzuhalten – und sich nicht fotografieren zu lassen. „Sonst landet ihr noch auf dem Spendenaufruf irgendeiner Hilfsorganisation.“ Außerdem hat er festgestellt, dass die Kinder auf solchen Fotos keine Schuhe tragen dürften, denn sonst könnten sie nicht als arm gelten. 

Unter der Überschrift „Accessoires der Promis“ schrieben Dirk Maxeiner und Michael Miersch schon vor fast 10 Jahren im März 2009 in der „Welt“:

„Messbar ist (dagegen) der Nutzen, den Gruppenfotos mit afrikanischen Kindern prominenten Künstlern einbringen. Man bleibt im Gespräch und ziert Titelblätter. Ein Schauspieler erzählte uns von einer prominenten Kollegin, die von ihrer Agentin einen Katalog diverser Hilfsorganisationen vorgelegt bekam. Mit der dringenden Bitte, sich endlich eine passende auszusuchen. Es ginge nicht, in der Öffentlichkeit ohne karitatives Engagement dazustehen. Wohltätigkeit und eine tadellose Gesinnung gehören zum unverzichtbaren Zubehör. Sie haben Pelzmantel, roten Porsche und die Villa in Malibu abgelöst. Ohne ein afrikanisches Waisenkind auf dem Arm ist man heute nicht mehr gesellschaftsfähig.“ 

Prominente, zumal Schauspieler, Pop-Sänger haben die „Rettung Afrikas“ schon vor Jahren als geschäftsfördernd entdeckt. Doch was dabei herauskommt, ist nicht weniger als die eigene Profilierung auf Kosten derer, die sich nicht wehren können. Es gibt kaum ein Sternchen, das sich nicht für arme kleine Kinder in Afrika engagiert, und selbst die C-Prominenz bedient sich längst des vermeintlichen Hungerkontinents zur Beförderung des eigenen Marktwertes. Das Tragische an diesem Engagement fernab der Wirklichkeit ist der enorme Einfluss, den diese Bessermenschen (Monika Gruber) inzwischen auf die veröffentlichte Meinung haben. 


Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Buches „Afrika wird armregiert“. Die aktualisierte und erweiterte Taschenbuchausgabe erschien im September 2018. Zwei Nachauflagen folgten 2019. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und hält Vorträge.

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George Samsonis / 21.01.2020

Wir waren am vergangenen Sonntag in Berlin auf der “Grünen Woche”. Das ist eine Landwirtschafts- und Ernährungsmesse, auf der verschiedene Länder aus aller Welt ihre Leistungsfähigkeit auf diesen gebieten darstellen. Am meisten beindruckt hat mich die - nennen wir es mal - Afrikahalle. Ein paar freudlose Stände aus afrikanischen Ländern wurden verdrängt oder fast erschlagen von dutzenden Ständen der Entwicklungshilfeindustrie. Das erinnert mich an den Artikel aus achgut.com aus der vergangenen Woche, in dem berichtet wurde, dass allein in Dtl. etwa 100.000 Leute hauptamtlich in der Entwicklungshilfe arbeiten. P.S. Tipp: In der halle Georgiens war die Stimmung am besten ;-).

Rolf Mainz / 21.01.2020

Bei den Klima-, Menschen- und Weltrettern handelt es sich um Fanatiker - und Fanatikern ist nicht beizukommen, mit Fakten schon gar nicht. Und hielte man ihnen den Spiegel vor, würden sie sich nicht erkennen. Was aus dem Beitrag sehr gut ersichtlich wird, ist die Tatsache, dass es den “Rettern” immer nur um eines geht - um sich selbst. Wen oder was sie “retten”, das wird zwar als unglaublich bedeutend vorgehalten, es ist aber immer nur das Mittel zum Zweck der hypermoralischen Onanie.

Sabine Schönfelder / 21.01.2020

Einfach nur schäbig, diese aufgesetzte Anteilnahme für das eigene Image. Für solche Leute sollte man sammeln gehen, und zwar Unterschriften für eine Petition mit eventuell folgendem Text: Auch das ist eine Form von Kindesmißbrauch, Ihr Heuchler.

Gabriele Kremmel / 21.01.2020

@Matthias Braun: Nicht zu vergessen Frank Zander. Seit 25 Jahren bereitet er zu Weihnachten Obdachlosen ein Festessen.

Alexander Hertsch / 21.01.2020

Matthäus 6, Vers 3: Wenn du aber Almosen gibst, so lass deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut, auf dass dein Almosen verborgen bleibe. Versuchen richtig zu handeln ist etwas anderes, als versuchen gut zu sein. Die Anmaßung, Menschen (sich und andere) nach gut und böse einteilen, also bewerten zu können, ist - zumindest aus christlicher und jüdischer Sicht - das schlimmste, was man tun kann. Es ist die Erbsünde, der Grund, warum wir nicht mehr im Paradies leben.

Johannes Steudter / 21.01.2020

Ich mag die Musik von U2. Ich höre sie oft und gerne. Früher hab ich auch U2 - Konzerte besucht. Sie hatten irgendwie etwas besonderes, ja sektenähnliches, wo sich Menschen trafen, um gemeinsam unter dem Gitarrenfeuer von The Edge diese Art der Music feierten. Zusammen mit Bono, der immer das Publikum mit in die Songs einbaute. Heute sind die Konzerte kalt. Mitsingen tut kaum noch wer. Dafür Gibt es Alkohol und Bonos politische Botschaften. Aktuelle Videos zeigen eine Band, die nur noch für sich selbst spielt. Können einem fast leid tun die 4 Iren. Ich frage mich manchmal, ob sie die Botschaften der NWO freiwillig machen oder es machen müssen. Verständnis habe ich keins und kann es nur ablehnen, dass milliardenschwere Künstler wie Bono, die im Privatjet Boing 757 zu ihren Konzerten fliegen, ihren Fans etwas von Klimakirche und Migration und One World predigen müssen.

Gabriele Kremmel / 21.01.2020

Afrika hat eine (ziemlich witzige) Antwort darauf. Der Rapper Breezy V (Afrikaner) hat 2012 eine Aktion gestartet, um den frierenden Norwegern zu helfen. Inspiriert von der Band Aid und ihrem Heal-the-earth-song hat er einen Charity-Song geschrieben, in dem er zu Heizkörper-Spenden für die frierenden Norweger aufruft. „Uns geht es soviel besser als den armen Norwegern. Sonne bringt ein Lachen in die Gesichter der Menschen. Frostbeulen töten auch“. Sprach’s und drehte ein ziemlich witziges Video dazu. Suchen Sie unter “witziges-webvideo-africa-heizungen-fuer-norwegen” und wärmen sich daran, dass Afrika uns frierende Europäer nicht vergisst.

Marc Stark / 21.01.2020

Diesen hochverlogenden Circus hat Sacha Baron Cohen wunderbar treffend in “Brüno” demaskiert. Neben dem obligaten schwarzen Baby, das er sich kauft und hemmungslos für Werbefotos/Talks… missbraucht, “engagiert” er sich auch noch als Friedens-Vermittler zwischen Juden und Palästinensern, der nicht zwischen Hamas und Humus unterscheiden kann. Wunderbar treffend ins Herz der Heuchelei. Wer mal wieder etwas Kraft tanken möchte und frei von PC herzhaft lachen möchte, wird hier bestens bedient.

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