Frankfurt, die Metropole am Main, setzt neue Akzente im Stadtbild. Der Sichtbeton, das bevorzugte Gestaltungsmittel avantgardistischen Bauens, tritt jetzt wieder stärker in Erscheinung. Unverhofft, ohne langwierige Genehmigungsverfahren und Bürgerforen war das Werk innerhalb weniger Tage vollbracht.
Nachdem sich die Architekten Jahr um Jahr über die Rekonstruktion der zerbombten Altstadt als Disneyland schwarz ärgern mussten, mit finsterer Miene verfolgten, wie eilig hochgezogene Neubauten mit künstlich gealterten Fachwerk verblendet wurden, hat das Rathaus nun mit im kulturrevolutionären Handstreich neue Akzente gesetzt, nicht irgendwo auf der grüne Wiese, sondern mitten im Zentrum. Am Platz vor der Alten Oper, an beiden Enden der anschließenden „Fressgaß“ sowie an der barocken Hauptwache wurden insgesamt 49 Betonblöcke dauerhaft aufgestellt, rutschfest auf untergelegten, nicht sichtbaren Gummimatten.
Einzeln oder als Ensemble
Nur an den Kanten sind die 3,6 Tonnen schweren Quader zurückhaltend mit rot-weißen Markierungen versehen. Nichts sonst stört den ästhetischen Eindruck des reinen Materials. Man kann es bestaunen, berühren, die Blöcke umrunden oder erklettern, kann sie einzeln oder als Ensemble betrachten. Das „Mobiliar“, von dem der städtische Tourismus-Chef Thomas Feda spricht, steht keineswegs nutzlos in der Gegend herum. Wie bei jedem guten Design verbinden sich Form und Funktion zu einem Gesamtkunstwerk.
Für Bernd Belina, den Professor der Humangeographie, ergibt die Gesamtheit der „martialischen Betonblöcke“ eine „Art Festungsarchitektur im öffentlichen Raum“. Ein kulturhistorisches Novum in der moderneren Baugeschichte, angemessen den freiheitlichen Verhältnissen unserer Tage. Denn einerseits wurden die Bauklötze so eng zusammengerückt, das kein Auto, nicht einmal ein Smart durch kommt. Andererseits sind sie wieder so auf Lücke gesetzt, dass sie jedermann bequem passieren kann, zu Fuß, auf dem Fahrrad oder auch mit einem schweren Koffer, der ebensogut das Reisegepäck wie einen Sprengsatz enthalten könnte.
Eine kulturelle Bereicherung
Aber haben uns die Anschläge in Nizza, Berlin, London oder Barcelona nicht gelehrt, dass die Terroristen ohnehin lieber motorisiert angreifen, als dass sie sich auf die Socken machen würden? Und war es nicht schon immer die Anmutung wehrhafter Mauern, die die Angreifer oftmals kleinmütig beigeben ließ? Außerdem könnte nach Ansicht des Polizeipräsidenten nicht mal ein „7,5-Tonner“ die neuen Frankfurter „Sperren“ beiseite schieben. Wie das aussähe, würde ein 40-Tonner Fahrt aufnehmen, mag da nur noch eine akademische Frage sein, pure Angstmache.
Was zählt, ist die symbolische Demonstration einer unüberwindlichen Mauer mit dem ästhetischen Reiz des düsteren Sichtbetons. Seine Frankfurter Wiederentdeckung zählt zu den „kulturellen Bereicherungen“, die uns die Kanzlerin im Zuge der Zuwanderung versprochen hat. Wer da schon wieder der nostalgischen Versuchung erliegen wollte, über eine Verkleidung der Quader nachzudenken, brächte uns am Ende noch ernsthaft in Gefahr. Mit dem Sichtbeton verteidigt die Politik ihre Art zu leben, die Existenz der Betonköpfe.