Henryk M. Broder / 04.11.2021 / 06:22 / Foto: Imago / 301 / Seite ausdrucken

Frau Buyx gibt den Ethikrat: Anleitung zum Machtmissbrauch

"Maßnahmen hocheskalieren" – ist genau das, was jede Diktatur macht, um ihre Macht zu festigen, "schrittweise" und "so grundrechtsschonend wie möglich". Alena Buyx, die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, hat genau das vorgeschlagen. Ein Unternehmen, das an die alte Geschichte vom Frosch im Topf erinnert.

Alena Buyx, die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, hat bei Lanz davor gewarnt, die Anti-Corona-Impfung nur als "Privatsache" zu sehen: „Diese freie Entscheidung, sich nicht zu impfen, die hat eben Effekte auf uns alle.“

Das ist zweifellos eine ethisch vertretbare Feststellung, weil wir ja wissen, dass alles mit allem zusammenhängt. Der Flügelschlag eines Schmetterlings in Patagonien kann eine Flutwelle im Odertal nach sich ziehen, und die Besetzung eines so bedeutenden Gremiums wie des Deutschen Ethikrates dazu führen, dass AKWs stillgelegt werden.

Unter solchen Umständen kann von einer "freien Entscheidung, sich nicht zu impfen", keine Rede sein. Aus den Abgründen der deutschen Geschichte tauchen Fragen auf, die für die Gegenwart von maximaler Bedeutung sind. Ist es zu verantworten, die Entscheidung für oder gegen das Impfen als "Privatsache" zu sehen und sie jeder Person zu überlassen, wohl wissend, dass so eine Entscheidung "Effekte auf uns alle" hat? Allein in der Fragestellung ist schon die Antwort versteckt, sie muss nur noch ausformuliert und mit den entsprechenden Ausführungsbestimmungen auf den Weg gebracht werden. Nein, ist es nicht!

Die alte Geschichte von dem Frosch

Was schlägt Alena Buyx, die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, in dieser Situation vor? Folgendes: „Das, was man jetzt machen muss, ist, dass man schrittweise schaut, dass man es so grundrechtsschonend wie möglich hinkriegt, aber dennoch genug Maßnahmen einführt. Und da muss man die sozusagen schrittweise hocheskalieren."

"Maßnahmen hocheskalieren" – ist genau das, was jede Diktatur macht, um ihre Macht zu festigen, "schrittweise" und "so grundrechtsschonend wie möglich". Es ist die alte Geschichte von dem Frosch, den man in einen Topf mit kaltem Wasser setzt und dann die Herdplatte Stufe um Stufe "hocheskaliert". So hält es der Frosch eine Weile in dem immer heißer werdenden Wasser aus, bis er sich am Ende seinem Schickal als gekochte Vorspeise ergibt. Sein letzter Gedanke gilt dem Verb "hocheskalieren".

Eskalation bedeutet Steigerung oder Überhandnahme – mehr Gewalt, mehr Arbeitslosigkeit, mehr Inflation – also in der Regel nichts Gutes. Kein Mensch spricht von einer Eskalation des Friedens oder der Nächstenliebe. Auch eine Eskalation des Wohlstands wäre ein Novum. Und solange man nichts "runtereskalieren" kann, kann man auch nichts "hocheskalieren". Es sei denn, der Deutsche Ethikrat übernimmt jetzt auch die Verantwortung für etymologische Kommando-Unternehmen.

Schont die Grundrechte!

Und danach siehts aus. Der Ruf nach Maßnahmen, die so "grundrechtsschonend" wie möglich appliziert werden sollten, weist die Richtung. Grundrechte, so haben wir es mal gelernt, müssen beachtet werden. Sie sind nicht verhandelbar. Mit ihnen "schonend" umzugehen, würde bedeuten, dass man sie sparsam benutzt, wie ein neues Kleid, das nur zu einem besonderen Anlass aus dem Schrank geholt wird, damit es möglichst lange "wie neu" aussieht. Noch effektiver im Sinne von materialschonend wäre es, das Kleid im Schrank zu lassen, es zu fotografieren und die Fotos auf Instagram zu posten – minimaler Verschleiß bei optimaler Verbreitung.

Mag sein, dass die stets gutgelaunte und perfekt vernetzte Alena Buyx, die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, an alle diese "Effekte" nicht gedacht hat, als sie bei Lanz die Entscheidung, "sich nicht zu impfen" vergesellschaftete und eine Angelegenheit nannte, die "uns alle" angeht, Geimpfte, Nicht-Geimpfte, Infizierte, Genesene und Unentschlossene. 

Mag sein, dass es Situationen gibt, in denen ein Verbot tatsächlich der Weisheit letzter Schluss ist. Zum Beispiel: Pyrotechnik in einem Fußballstadion zu zünden. Es ist auch nicht lustig, "Feuer" in einem vollen Theater zu rufen, wenn einem das Stück nicht gefällt. Aber "grundrechtsschonende Maßnahmen" als ethisch geboten zu klassifizieren, vorausgesetzt, man lässt sie "schrittweise hocheskalieren", ist Anleitung zum Machtmissbrauch in homöopathischen Dosen.

Dazu muss man kein Fachmann und keine Fachfrau für Ethik sein. Jeder Frosch kann es bezeugen. 

 

Foto: Imago

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Leserpost

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H.B. Zweifel / 04.11.2021

Absolut d’accord mit Ihrer glasklaren und zutreffenden Analyse, Herr Broder. Es hat sich leider etabliert, dass Personen von Schlage einer Frau Buyx, welchen im Weichspülgetriebe ihrer akademischen Berufslaufbahn nie der eisige Wind des realen Lebens um die Nasse pfiff, als leitmediale Scharfmacher und Anheizer fungieren. Dass hier gerade eine Art „Neo-Machiavellismus“ in Begriff ist, Fuß zu fassen, scheint nur ein (kleiner?) Teil der Bevölkerung zu bemerken. Wo soll/wird/kann dies alles hinführen? 

G.Lindner / 04.11.2021

Cuxhafen Zwölfjähriges Kind nach Corona-Impfung gestorben. Schuld darf aber jetzt nicht die Spritze sein. Da muß es wohl eine Vorerkrankung sein .Welche muß man noch definieren. Ich fühle mit den Eltern . Hoffenlich haben die Verantwortlichen ein Gewissen.

j. heini / 04.11.2021

Und die Liebe wird nicht dafür kritisiert, dass sie mit ihrer persönlichen Haltung als “Ethikrat” auftritt. Damit kann der Ethikrat schliessen. Denn das Ergebnis steht fest. Der Rat entpuppt sich als Drücker in einer Drückerkolonne. Immerhin ist der “Deutsche ER” besser ausgewählt als der regionale bayerische. Den musste Herr Söder nochmal neu justieren, nachdem ein Mitglied seine persönlichen Überlegungen öffentlich gemacht hat. Eine Person, die stellvertretend für den DER ganz offen von “grundrechtsschonend” redet, gehört sofort abgesetzt und der gesamte Rat aufgelöst. Aber auch Frau Lambrecht hat ja bereits mit ihrem Statement, die Impfpflicht verstosse aller Voraussicht nach gegen die Verfassung, gezeigt, welche Richtung eingeschlagen wird. In die grundrechtsschonende indirekte Einschränkung über das Privatrecht. Die Mehrheit der Bevölkerung ist - den Leidmedien zufolge - nicht mal bereit, von oben geregelte (und das ist nicht der Selbstschutz des Einzelnen) Gesundheit hintenanzustellen, um für die Freiheit einzutreten. Ich bin mir sicher, viele wären im Widerstand gewesen, um Auschwitz zu verhindern.  Und jetzt ziehen die Unternehmen nach. Man muss nur das passende Stichwort finden, dann sind errungene Freiheiten dahin. Danach verbleibt die Müssen-Freiheit wie z. B. das Gendern.

P. Wedder / 04.11.2021

Perfekt analysiert! Danke, dieser Artikel wird den Weg ans Schwarze Brett unserer Wohngegend und auf dem einen oder anderen Sitz in der Bahn (wo er rein zufällig liegen gelassen wird) finden…keine große Reichweite, aber die Hoffnung stirbt zum Schluss.

Bernhard Joseph / 04.11.2021

Dieser “Deutsche Ethikrat” ist ein Verein von Schwachköpfen. Seine Mitglieder glauben doch allen Ernstes, sie hätten in irgendeiner Weise Kompetenz moralische Fragestellungen zu beantworten, die sie defintiv nicht haben, denn es fehlt ihnen ja schon an der Begründung, warum das Kollektiv als der entscheidende moralische Bezugspunkt zwingend angesehen werden müsste. Um allgemeine ethische Handlungsnormen im Kontext von Covid benennen zu können, muss doch erst geklärt werden, was höher zu gewichten ist, totalitärer Gesundheitsschutz bei einer “Pandemie”, der 0,1% der Bevölkerung zum Opfer fällt, oder der Schutz der Würde des EINZELNEN gegenüber einem abstrakten Kollektiv, das letztlich nichts anderes ist als eine kleine politische Machtelite, die übrigriffig wird. Dieser lächerliche “Ethikrat” ist ja nicht einmal in der Lage, präzise anzugeben, welcher Schaden denn nun der Gesellschaft entsteht, wenn man die Grundrechte achtet. Von diesen verblendeten Ideologen wird doch bloß mit grotesken Hypothesen gearbeitet, die einer Überprüfung auf Grundlage evidenter Daten nicht standhalten.

Martin Holzinger / 04.11.2021

“Vorurteile sind, genauer betrachtet, ein verblüffendes Phänomen. Wer von ihnen sicher gedeckt ist, lebt oft angenehm, denn er weiß mühelos über Dinge Bescheid, von denen er wenig versteht. Wenn wir aber auf jemanden treffen, der uns zu seinen Vorurteilen überzeugen will, ohne daß wir in der Stimmung sind, mit ihm d’accord zu gehen, so ist es oft zum Verzweifeln. Gegen Meinungsbesessenheit ist auch mit guten Argumenten nicht viel auszurichten. Diese Starrheit muß uns neugierig machen. Wie kommt es denn zu derart unerschütterlichen Überzeugungen, in denen sich Bruchstücke von Realität und unsere Einbildung vermengen? Als erstes fällt an Vorurteilen auf, daß man sie nicht in Ruhe haben kann. Sie sind unauflöslich mit Gefühlen, oft mit solchen heftigster Art, verknüpft. Wir kennen jemanden vielleicht nur flüchtig, dann wird über ihn von Leuten, die uns wichtig sind, abschätzig gesprochen. Schon finden auch wir ihn egoistisch, eitel, unaufrichtig oder was immer gegen ihn vorgebracht wird. Im Gegensatz zur Spärlichkeit unserer eigenen Erfahrung gewinnt dabei unser neuerworbenes Vorurteil eine beträchtliche Leuchtkraft. Alsbald kann es uns jenes Opfer eines sich verbreitenden Vorurteils nicht mehr recht machen, was es auch tun mag.” - A. & M. Mitscherlich, Die Unfähigkeit Zu Trauern - Grundlagen kollektiven Verhaltens /1967

Thomas Holzer, Österreich / 04.11.2021

Mit Verlaub, Herr Broder! Sie haben bei Ihrer Aufzählung die GESUNDEN vergessen ;)

Gundela Casciato / 04.11.2021

Ich werde mir die C-Scheisse in diesem Land noch ein halbes Jahr mit ansehen. Dann tritt bei mir die nächste Eskalationsstufe in Kraft….alles verkaufen….auflösen und das Weite suchen. Ich muss in diesem beschissenen Land nicht leben. Auch die, die sich in den 1930 Jahre aus dem Staub gemacht haben, haben damals die richtige Entscheidung getroffen. Vielleicht ist es diesmal wieder so. An alle die, die hier ausharren in der Hoffnung, dass es nicht so schlimm wird…...das hat man damals auch gedacht.

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