Die Filmförderung Hamburg-Schleswig-Holstein gibt soeben bekannt:
"Ab sofort sind Antragsteller*innen dazu verpflichtet, einen Fragenkatalog zur Diversität ihres geplanten Projektes zu beantworten. So sollen sie zur bewussten Beschäftigung mit dem Thema Diversität und zur kritischen Überprüfung des eigenen Handelns angeregt werden."
Ein Beispiel aus dem Katalog der Anregungen – hier zu "Development" ("Projekt-Entwicklung") –, mit dem die Filmförderung der beiden norddeutschen Bundesländer künftig alle Antragsteller zur "kritischen Handlungsüberprüfung" auffordert:
1. "Greift die Geschichte eins oder mehrere der nachfolgend genannten
Themen direkt auf:
a) Alltag in der dritten Lebensphase
b) Geschlechterrollen
c) Hautfarbe bzw. People of Color
d) Leben mit Behinderung
e) Mehrgeneratives Zusammenleben
f) Migration und Vertreibung
g) religiöse oder weltanschauliche Fragen
h) sexuelle Identitäten
i) sozioökonomischer Status?
2. Wird die Handlung maßgeblich von einem oder mehreren der genannten Themen beeinflusst?
3. Sind eine oder mehrere Hauptfiguren direkt in genannte Themen involviert?
4. Sind die Geschlechter in der Geschichte ausgeglichen repräsentiert bzw. dargestellt?
5. Kommen bei den Figuren People of Color vor?
6. Tauchen Figuren mit anderer als heterosexueller Orientierung auf?
7. Werden Figuren mit einem unterprivilegierten sozioökonomischen Hintergrund dargestellt?
8. Werden Figuren erzählt, die Menschen mit Behinderung darstellen?
9. Durch welche Ansätze in der Figurenentwicklung werden klischeehafte Rollenbilder vermieden? (bitte beschreiben)
Welchem Geschlecht sind die folgenden Kreativen zuzurechnen? (ggf. Anzahl):
a) Produzent*in
b) Regisseur*in
c) Drehbuchautor*in" ... usw."
Natürlich ist nicht recht einzusehen, wenn nur Filmschaffende Fragen wie die vorgenannten beantworten müssen. Zu vermuten ist, dass sich jede Art von öffentlicher Förderung demnächst einem ähnlich wohlmeinenden Katalog zu stellen haben wird. In Kunst und Kultur wird es in einem weiteren Schritt daher bald auch nicht mehr nur um neue, noch zu schaffende Werke gehen – es dürfte künftig auch gefragt werden, ob die Aufführung bereits geschaffener Werke in öffentlich finanzierten Einrichtungen nicht in gleicher Weise zu befragen wäre, ehe man sie ungeschützt auf das diversitätsverlangende Publikum loslässt.
Es wird danach wohl nur noch eine Frage der Zeit sein, bis auch private kommerzielle und andere Einrichtungen unter Erklärungsnot geraten, wenn sie ihre Mit- und Zuarbeiter projektbezogen nicht zu vergleichbaren "Anregungen“ "verpflichten“, wie die Filmförderungsrichtlinien im deutschen Norden sie ab sofort vorsehen. Über das ganze Land wird sich jetzt „Das Diversity-Raster“ legen – abgekürzt und zur Aufwertung der noch immer nicht ausgeglichen gewürdigten Lebensleistung der Ostdeutschen liebevoll „DDR 2.0“ genannt.
Schon ist absehbar, dass ein neu benanntes, aber uraltes Berufsbild in Deutschland wieder entstehen wird – jenes des oder der sogenannten „DDR-Beauftragen“, zuständig für die korrekte Anwendung des Diversity-Rasters in allen Lebensbereichen.
Nur böser Wille ist natürlich wieder mal am Werk, wenn Einzelne schon daran erinnern, dass man eine solche Person zu anderen Zeiten noch schlicht „Zensor“ nannte. Aber so weit muss es ja nicht kommen – die Selbstzensur wird uns davor bewahren. Das Beispiel der Filmförderung Hamburg-Schleswig-Holstein zeigt uns, wie es schon mit ein bisschen "handlungsüberprüfendem" Nachdenken geht.