Paul Nellen / 14.02.2020 / 15:00 / 16 / Seite ausdrucken

Anmerkungen eines Presstituierten

Unser junger „Verein Säkularer Islam Hamburg e.V.", in dessen Vorstand ich mit Necla Kelek und Hamideh Kazemi sitze, befindet sich wenige Tage später schon im investigativen Fadenkreuz der Shiiten-Islamistenbrüder Özoguz vom shiitischen Portal "Muslim-Markt":

"Wenn Presstituierte zusammen mit Nichtmuslimen eine islamische Partei in Deutschland gründen".

Danke für die "Ehre", schon jetzt als "islamische Partei" firmieren zu dürfen – auf diese Idee sind wir noch gar nicht gekommen. Besonders angetan hat es Bruder Özoguz (Schwester Aydan Özoguz, SPD, war mal Integrationsbeauftragte der Bundesregierung), dass wir die ausländische Abhängigkeit vieler Islamverbände und Moscheen infrage stellen. Der Vergleich mit dem Papsttum war hier postwendend zu erwarten. Hier ist er in den Worten des Artikelschreibers:

"Absurd ist die Aufforderung, dass Muslime keine „Weisungen“ von ihren Religionsoberhäuptern erhalten dürfen, wenn diese nicht in Deutschland sitzen. Gibt es denn wirklich keinen einzigen halbwegs angesehenen Presstituierten, der den Rassismus in dieser Aussage bemerkt, welcher sich ausschließlich gegen Muslime richtet? Wie ist es denn mit der katholischen Kirche? Darf sie keine Weisungen aus dem Vatikan erhalten, nachdem der amtierende Papst nun nachweislich kein Deutscher mehr ist?"

Vor längerer Zeit hatte ich zu diesem Thema mal ein paar Gedanken aufgeschrieben, die ich hier gerne wiedergeben möchte:

"Normalerweise, wenn man die Beeinflussung der DITIB und anderer Islamverbände aus dem Ausland kritisiert (etwa jene, die die türkische Religionsbehörde DIYANET über die DITIB vornimmt), kommt danach prompt der schlaumeierische Einwand: "Ja, und was ist mit dem Vatikan und den päpstlich ernannten Bischöfen?" Wenn du das meintest, dann lass mich dazu mal folgendes Grundsätzliche sagen:

Wenn der Papst Geistliche ernennt (Bischöfe, Kardinäle etc.), dann nicht in Staatszweckerfüllung einer "ausländischen Macht" namens Vatikanstaat, sondern in Erfüllung einer überstaatlichen geistlichen Aufgabe ("Hirtenamt"), die sich päpstlich in der Institution "Heiliger Stuhl" inkorporiert (Papst als "personale Repräsentation" des Hl. Stuhls). 

Diese Institution ist zwar ein Völkerrechtssubjekt, herrührend aus der Zeit, als die Päpste noch weltlich über den Kirchenstaat als Territorialstaat herrschten, was de facto 1870 mit der Einigung Italiens und de jure durch die Lateranverträge 1929 beendet wurde). Aber in kirchlichen Angelegenheiten entsendet der Papst die Bischöfe nicht als Vertreter des Staates der Vatikanstadt, sondern als Vertreter der Welt-Kirche und des päpstlichen Lehramtes. Der Papst entsendet bzw. ernennt einen Bischof namens der Kirche als solcher ("Leib Christi"), nicht als Vertreter eines bestimmten Staates, dem dazu noch ein nennenswertes Staatsvolk fehlt, dessen Interessen sein Staatsoberhaupt (der Papst) vertritt, der nicht mal von den ca. 500 Bewohnern des Vatikans, sondern aus den Reihen der internationalen Kirchenfürsten gewählt wird.

Der entscheidende Unterschied dürfte sein, dass der Papst ernennungspolitisch keine spezifischen politischen Interessen des Vatikanstaates durchsetzen will und kann, denn solche existieren bis auf wenige Reste gar nicht (solche würden auch eher nur das Verhältnis zu Italien betreffen und ein bisschen das Völkerrechtssubjekt "Heiliger Stuhl"). Allenfalls könnte der Papst seine eigenen persönlichen Präferenzen bei einer Personalie ins Spiel bringen. 

Dann aber mehrt er bei einer einzelnen Personalie, z.B. bei der Neubesetzung eines vakanten Bischofsitzes, punktuell nur seine spezifische Lehrauffassung, etwa, indem er jemanden zum Kardinal beruft, der geistlich "auf seiner Linie" liegt. Da jeder Katholik als Teil des Ganzen die Kirche repräsentiert, sind die Gläubigen wiederum auch nicht "Agenten", geschweige denn Exilierte oder (potenzielle) Bürger des Vatikanstaats, an die sich der Papst qua kontinuierlicher apostolischer Ansprache als Manövriermasse päpstlicher "Kanzelpolitik" wendet, wie sich die DIYANET (und über sie letztlich, wenn auch unsichtbar, Erdogan) in zentral ausgearbeiteten wöchentlichen Predigten an die Auslandstürken als Teil der gedachten Gesamtnation Türkei wendet. Die von allen Kanzeln verlesenen päpstlichen "Hirtenbriefe" sind auch hier keine "Beeinflussung aus dem Ausland" mit einer besonderen "ausländischen" Interessens-Färbung à la DIYANET, sondern sie sind die aktuelle individuelle Verbalisierung eines apostolischen, seit 2.000 Jahren bestehenden Lehr- und Anleitungsamtes, in dem sich die gesamte Kirche selbst ausdrückt und in dem sie zu sich selbst findet.

Das, was oberflächlich betrachtet "Ausland" am Papst ist, ist nur die, vom einfachen Gläubigen separierte und jenseits der eigenen Staatsgrenzen lokalisierte Vorrätighaltung eines geistlichen Führungsprinzips, nicht Ausdruck eines geistlich-religiös camouflierten, tatsächlich aber weltlich-politischen oder eigenen Staatswillens."

Ich hoffe, in diesem Falle ein wenig gegen den grassierenden "Whataboutism" abgeholfen zu haben.

Es freut mich abschließend, in den Özoguz-Brüdern nun auch fleißige Leser meiner Webseite zum Islam gefunden zu haben. Wer sich selber ein Bild machen will ...(zugegeben, sie ist ziemlich überfrachtet mit Links, man braucht etwas Zeit, um sich durchzufinden, ist aber in erster Linie für mich selbst gedacht).

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Robert Jankowski / 14.02.2020

Schwester und ehemalige Intergationsbeauftragte Aydan Özoguz ist für mich einer der Hauptgründe gewesen, aus der SPD auszutreten. Und soweit auseinander scheinen die, wegen Volksverhetzung vorbestraften Brüder von ihrer Schwester nie entfernt gewesen zu sein. Integration Deutschlands in den Islam ist ihr Hauptbestreben und wenn man sich so umsieht, dann ist ihnen schon ganz gelungen.

Karla Kuhn / 14.02.2020

Bertram Scharpf ,“Es gibt keinen säkularen Islam. Aus einem Potschamber wird keine Suppenschüssel”  Das ist eine großartige Antwort, einfach Spitze !

Ralf Pöhling / 14.02.2020

Sehr aufschlussreicher Artikel des Herrn Özoguz. Man sieht genau, wo die gesellschaftlichen Frontlinien verlaufen und wer mit wem Allianzen gebildet hat. Während die Sunniten wohl doch eher dem kapitalistischen Westen zugeneigt sind, tendieren die Schiiten eher nach links. Was sich beim Blick in die islamische Welt ja seit Jahrzehnten bestätigt. Das Dumme daran ist die enorme gesellschaftliche Sprengkraft, die sich hier potenziert, indem unterschiedliche Kulturen mit unterschiedlichen Weltanschauungen sich global vernetzen, um die jeweiligen Gegner in den eigenen kulturellen Biotopen in die Defensive zu zwingen. Das kann nur schiefgehen. Es wäre an der Zeit, diese Vernetzungen zwischen den Kulturen mal ein wenig in ihre Grenzen zu verweisen. Und das mit den Grenzen meine ich durchaus wörtlich. Jeder sollte zunächst den Dreck vor seiner eigenen Tür wegkehren und sich mal nur auf sich selbst in seinen jeweils eigenen Ursprungsterritorien konzentrieren, anstatt dem anderen seine jeweils eigene Weltsicht aufdrücken zu wollen. Gilt für Abendland und Morgenland, für Kapitalisten und Sozialisten, sowie Sunniten und Schiiten. Auf diesem Planeten ist eigentlich genug Platz für alles und jeden. Man darf eben nur nicht alles durcheinander rühren, sonst geht das schief. Eine einzige Weltordnung für alles und jeden, ist kein funktionierender Ansatz für eine friedliche Welt.

Petra Wilhelmi / 14.02.2020

Ich verstehe nicht, warum es immer Muslime gibt, die einen einreden wollen, dass sie säkular wären. Eine säkulare Religion gibt es nicht. Entweder man ist religiös oder eben säkular. Und wenn man wirklich säkular ist, dann muss man keinen Verein gründen, sondern ist Teil unserer Gesellschaft. Man kann höchstens eine Selbsthilfegruppe bilden “Wie komme ich vom Islam los und lebe eine säkulares Leben” und sich Hilfe bei Leuten suchen, die Sektenopfer betreuen.

Marc Blenk / 14.02.2020

Lieber Herr Nellen, die Gottesstaats - Fixierung der katholischen Kirche ist ja längst überwunden. Sie war auch nie vom Neuen Testament gedeckt. Das Christentum selbst hat damit ohnehin nichts zu tun. Anders der Islam. Er steht per definitionem für die Gottesstaatlichkeit, die wiederum mit unserer Verfassung und überhaupt den Errungenschaften der Aufklärung schier nicht zu verquicken ist. Insofern ist es zwar nicht Wurscht, ob der aus dem Ausland kommende Einfluss hiesiger Muslims von Leuten in jeweiligem Staatsauftrag geschieht,, oder von ‘rein’ geistlicher Autorität ausgeht. Beides hat zu unterbleiben, bzw. gehört unterbunden, weil eben beides unserer freiheitlichen Grundordnung widerspricht. Etwas anderes ist das, was Frau Kelek macht. Da ist die hier im Land entwickelte geistliche Idee eben per definitionem mit unserer Grundordnung kompatibel. Ich wünsche Frau Kelek viel Erfolg. Was die Özuguz - Familie angeht: Klar,  Mitgliedern eines aggressiven politischen Islam (politischer Islam ist immer aggressiv), genügen naturgemäß die flachsten Rassismusvorwürfe, um ihre geistigen Irrtümer ins gutmenschelnde Toleranzsystem zu weben. Immer, wirklich immer, wenn der Islam kritisiert wird, kommt dieser Quatsch. Als wäre eine politische Ideologie, die irgendwie auch eine Religion durch Gewohnheitsrechts ist, eine ethnische Gemeinschaft. Ein Volk von 1,5 Milliarden Leuten. Nein, diese dämliche Nummer zieht nicht mehr.

S. Marek / 14.02.2020

Der Islam ist eine äußerst barbarische faschistoide Ideologie unter einem Religionsmäntelchen. Wenn Sie und Ihr Verein das Mäntelchen ablegen um “säkular” zu werden, dann bleibt nur die reine Ideologie d.h. der äußerst barbarische Faschismus mit Weltherrschaftsanspruch !  Und so was darf man in Deutschland jetzt als Verein anmelden ? Naja, wenn Islam zur Deutschland gehört, dann ja.  Aber warum sind dann die NSDAP und Konsorten verboten ?  A. Hitler hat bereits seit Nov. 1941 mit Islam, d.h. M. Amin al-Husseini, paktiert.  Quo Vadis Germania ?

F. Auerbacher / 14.02.2020

Also, so richtig überzeugen konnten Sie mich nicht. Wenn ich Ihr Argument richtig verstehe, ist der Papst kein Vertreter eines Staates. Daher bestünde eine andere Sachlage. Soviel ich “den Islam” verstehe, rekurriert er sich auch nicht auf einen Staat, sondern versteht sich ebenfalls als “Erfüllung einer überstaatlichen geistlichen Aufgabe”. Dass staatlich beeinflusste, ja sogar dominierte, Organisationen diese Aufgaben real umsetzen ist ebenfalls bei beiden gleich. Ebenso die Konflikte zwischen unterschiedlichen Strömungen. Was ist denn jetzt der Unterschied zwischen Kirchen (allen voran die katholische) und dem Islam? Ich meine: der Kirche haben wir in der Aufklärung die Giftzähne gezogen, beim Islam steht das noch aus.

Wilfried Cremer / 14.02.2020

Bei der Gelegenheit: Das Verrenktsein durch die Religion verrät sich in verdrehten Formulierungen. Astreine Texte kriegen diese Brüder nicht hervorgebracht.

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