EU-Investitionsförderung nur für politisch korrekte Firmen?

Mit einem „Maßnahmenpaket" reglementiert die EU-Kommission die Gesinnungsprüfung von privaten Unternehmen. Neue Vorschriften für ESG-Bewertungen sollen dafür sorgen, dass Investitionen ausschließlich in ökologisch und politisch korrekt agierende Unternehmen in Sinne des Green Deals fließen.

Es gibt Wortkombinationen, bei denen ich mittlerweile unwillkürlich zusammenzucke. Eine davon lautet: „Maßnahmenpaket der EU-Kommission“. Bei diesen Paketen handelt es sich meist um hübsch verpackte Unverfrorenheiten wie etwa aktuell beim „Maßnahmenpaket für die nachhaltige Nutzung der wichtigsten natürlichen Ressourcen“ (wir berichteten hier), das gentechnisch verändertes Saatgut in der ökologischen Landwirtschaft zur Zulassung verhelfen soll – und das auch noch im Namen des Klimaschutzes. Ähnlich absurd verhält es sich nun mit den „nachhaltigen Finanzen“. In einer Pressemitteilung vom 13. Juni dieses Jahres titelte die EU-Kommission: „Nachhaltige Finanzen: EU-Kommission macht neue Vorschläge für EU-Taxonomie und ESG-Kriterien“. „Nachhaltig“ klingt zwar beruhigend, in Wahrheit zielt das „neue Maßnahmenpaket für ein nachhaltiges Finanzwesen“ jedoch wieder einmal auf die Ideologie des europäischen Grünen Deals ab, in dem das verbindliche und unhinterfragbare Ziel festgesetzt worden ist, dass die EU bis 2050 Klimaneutralität erreichen muss. Koste es die EU-Bürger, was es wolle: nicht nur Geld und Besitz, sondern auch Lebensqualität und Freiheit.

Die drei Buchstaben ESG stehen für „Environment, Social, Governance“ und bedeuten so viel wie Umwelt, Soziales und (Unternehmens-)Führung. Bei der EU-Taxonomie geht es darum, dass Investitionen ausschließlich in ökologisch und politisch korrekt agierende Unternehmen fließen sollen, nämlich durch eine Art Gesinnungsprüfung, die durch Ratingagenturen vorgenommen wird. Einen ausführlichen Hintergrundbericht über das ESG-Phänomen hat Stefan Frank im November vergangenen Jahres auf achgut.com veröffentlicht. Darin legt er anschaulich dar, dass ESG-Bewertungen nichts mit sinnvollen Umweltschutzmaßnahmen von Unternehmen zu tun haben, sondern vor allem den Interessen der Ratingagenturen dienen, wovon beispielsweise auch der weltgrößte Vermögensverwalter BlackRock und der Finanzdienstleister MSCI (ehemals Morgan Stanley Capital International) profitieren. Frank vergleicht den ESG-Investment-Trend der Finanzindustrie treffend mit dem Ablasshandel zur Finanzierung des Petersdoms. Bei dem Ratingverfahren können Unternehmen selbst entscheiden, welche Aspekte der ESG-Richtlinien für sie am meisten Relevanz haben und welchen sie dementsprechend Priorität einräumen.

Laut des in München ansässigen Umweltberaters ClimatePartner gehören zu den am weitesten verbreiteten Standards für die Messung und Berichterstattung von ESG-Themen das Climate Disclosure Standards Board (CDSB), das International Sustainability Standards Board (ISSB), das Carbon Disclosure Project (CDP) und die Global Reporting Initiative (GRI), die Nachhaltigkeitsberichte von Großunternehmen, kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) sowie Regierungen und NGOs erstellt. Etwa 80 Prozent der weltweit größten 250 Unternehmen nutzen die Richtlinien der GRI für ihre Berichte. Angesichts der Vielzahl an verfügbaren Standards können ESG-Berichte und -Ratings jedoch voneinander abweichen. Häufig werde auch schon das bloße Vorhandensein von Richtlinien und Verfahren als Erfolg gewertet, noch bevor die tatsächliche Leistung der einzelnen Maßnahmen gemessen worden sei. Dadurch entstehe das Risiko von „Greenwashing“: Unternehmen und Investoren stellen den Umfang und die Wirksamkeit ihrer ESG-Strategie besser dar, als sie tatsächlich sind. 

Wer nicht grün genug agiert, ist raus

Daher hat die EU-Kommission nun nachgelegt und ihr „Maßnahmenpaket“ geschnürt. Darin nimmt sie zusätzliche Tätigkeiten in die EU-Taxonomie auf und schlägt neue Vorschriften für Anbieter von ESG-Ratings vor. Valdis Dombrovskis, EU-Kommissar und Exekutiv-Vizepräsident für Wirtschaft, spart nicht mit Selbstlob: „Die EU hat im Laufe der Jahre für ein nachhaltiges Finanzwesen eine Menge bewirkt. Heute gehen wir einen weiteren Schritt, um das regulatorische Umfeld zu vollenden und so die dringend benötigten Investitionen für ein nachhaltiges Wachstum zu unterstützen. Wichtig ist, dass die Vorschriften und Instrumente kohärent, benutzerfreundlich und praxistauglich sind. Zugleich wollen wir sicherstellen, dass alle Unternehmen Finanzierungsmittel erhalten können, um in die Nachhaltigkeitswende zu investieren. Dies ist auch wichtig, um die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen und der europäischen Wirtschaft zu steigern und den Klimawandel zu bekämpfen.“ Diese Aneinanderreihung von Floskeln klingt zwar fast so, als wäre sie von ChatGPT formuliert worden, spiegelt jedoch zumindest wider, um was es der EU-Kommission vor allem geht: um Regulierung.

In ihrer Pressemitteilung betont die EU-Kommission, welch wichtige Rolle ESG-Ratings für nachhaltige Finanzierungen spielen, da sie sowohl Anlegern als auch Finanzinstituten Informationen über Anlagestrategien, Risikomanagement und interne Analysen liefern. Außerdem werden sie auch von den bewerteten Unternehmen selbst genutzt, um sich einen besseren Überblick über ihre Konkurrenz zu verschaffen und ihre Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen zu vergleichen. Am ESG-Ratingmarkt mangele es jedoch derzeit an Transparenz. Die Kommission schlägt daher eine Verordnung vor, um „die Zuverlässigkeit und Transparenz von ESG-Ratings zu verbessern“. Die neuen Vorschriften sollen Anleger in die Lage versetzen, fundiertere Investitionsentscheidungen zu treffen. Darüber hinaus ist in dem Vorschlag vorgesehen, dass Anbieter von ESG-Ratings von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) zugelassen und beaufsichtigt werden müssen. Dadurch werde die Qualität und Verlässlichkeit ihrer Dienstleistungen gewährleistet, sodass die Investoren geschützt seien und die Marktintegrität gewahrt bleibe.

Im Klartext: Private Unternehmen in der EU werden von Rating-Agenturen und indirekt von der EU-Kommission dahingehend kontrolliert, ob sie der Agenda des Green Deal Folge leisten. So wird in der Pressemitteilung festgestellt: „Die EU-Taxonomie ist ein Eckpfeiler des EU-Rahmens für ein nachhaltiges Finanzwesen und ein wichtiges Instrument für Markttransparenz, das Direktinvestitionen in die Wirtschaftstätigkeiten unterstützt, die für den ökologischen Wandel am dringendsten benötigt werden.“ Als neue  EU-Taxonomiekriterien wurden genehmigt: nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen; Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft; Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung sowie Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme.

Insgesamt sind rund 50.000 Unternehmen in der EU betroffen

Ergänzend hat die EU-Kommission gezielte Änderungen am delegierten Rechtsakt zur EU-Klimataxonomie angenommen: Das Spektrum der Wirtschaftstätigkeiten, die zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel beitragen und bisher nicht unter die Taxonomie fielen, wird erweitert, beispielsweise im Verkehrssektor. Der Übergang zu einer klimaneutralen und nachhaltigen Wirtschaft bis 2050 biete neue Chancen für Unternehmen und Bürger in der gesamten EU, verspricht die EU-Kommission. Das wachsende Volumen nachhaltiger Investitionen zeige, dass bereits viele Unternehmen und Investoren einen nachhaltigen Weg eingeschlagen haben. Allerdings stünden sie bei diesem Übergang auch vor Herausforderungen, insbesondere wenn es darum gehe, neuen Offenlegungs- und Meldepflichten nachzukommen. 

Bis zum 17. Mai 2023 hätten bereits 63 Prozent der Unternehmen aus dem STOXX Europe 600 (Aktienindex der 600 größten europäischen Unternehmen) ihre Taxonomiezahlen offengelegt. Davon hätten 30 Prozent (178 Unternehmen) einen gewissen Grad der Konformität mit der Taxonomie gemeldet, insbesondere für ihre Investitionsausgaben, 23 Prozent (139 Unternehmen) für ihre Einnahmen und 21 Prozent (127 Unternehmen) für ihre Betriebsausgaben. Im Durchschnitt liege die Taxonomiekonformität dieser Unternehmen bei rund 17 Prozent für die Einnahmen, 23 Prozent für ihre Investitionsausgaben und 24 Prozent für ihre Betriebsaugaben. Am 5. Januar 2023 trat die Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) in Kraft. Eine breitere Gruppe von Großunternehmen sowie börsennotierten KMU (kleine und mittlere Unternehmen) ist nun verpflichtet, über Nachhaltigkeit zu berichten. Insgesamt sind rund 50.000 Unternehmen in der EU betroffen. Die CSRD verpflichtet Unternehmen auch, die von ihnen gemeldeten Nachhaltigkeitsinformationen zu prüfen. Darüber hinaus ist die Digitalisierung von Nachhaltigkeitsinformationen vorgesehen.

Die deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) kritisiert, dass die Zahl der deutschen Betriebe, die künftig den europäischen Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung unterliegen, von ca. 500 auf ca. 15.000 Unternehmen steigen werde. Die Unternehmen müssten durch die neuen Berichtspflichten zahlreiche Daten erheben, offenlegen und berichten. Zudem werde die Nachhaltigkeitsberichterstattung auch Auswirkungen auf weitere Unternehmen haben wie etwa auf die Geschäftspartner und Zulieferer der berichtspflichtigen Unternehmen. Denn das berichtspflichtige Unternehmen werde zur Erfüllung der eigenen Nachhaltigkeitsberichtspflicht auf Informationen seiner Zulieferer zurückgreifen und diese auffordern müssen, entsprechende Informationen zu liefern. Die Ausgestaltung der Taxonomie orientiere sich „erkennbar an den Anforderungen und Chancen an den Kapitalmärkten, die für KMU keine große Rolle spielen“, heißt es in einer Stellungnahme. Gerade nicht kapitalmarktorientierte Betriebe verfügten oft nicht über Strukturen und Expertise, um die Offenlegung sicherzustellen, und könnten überfordert sein.

Kaum beherrschbares Regelungsgeflecht

Um Deutschland tatsächlich bis 2045 klimaneutral zu machen, müssten nach aktuellen Schätzungen rund fünf Billionen Euro in die Transformation aller Wirtschaftssektoren investiert werden. Die „Sustainable Finance“-Strategie der EU habe gravierende Konsequenzen für Unternehmen aller Größenklassen, so die Industrie- und Handelskammer. Dabei entstehe ein Regelungsgeflecht, das insbesondere für kleinere Betriebe kaum beherrschbar sei. Diese sollen zwar zunächst von unmittelbaren Berichtspflichten verschont bleiben, seien in der Praxis aber oft schon heute betroffen – sei es als Zulieferer berichtspflichtiger Unternehmen oder sei es aufgrund schlechterer Finanzierungskonditionen. In der betrieblichen Praxis seien die Unternehmen nun nicht mehr nur mit den Nachhaltigkeitsinvestitionen selbst, sondern auch mit dem enormen Bürokratieaufwand ihrer Kategorisierung beschäftigt.

Nicht zuletzt gelte: Banken und die aktuell bereits berichtspflichtigen Unternehmen reichen die an sie gestellten Anforderungen vielfach an ihre Kunden oder Zulieferer weiter, da sie auch deren Daten benötigen. Das werde sich unter anderem empfindlich auf die Kreditvergabe gerade für kleinere Betriebe auswirken. Das Sustainable-Finance-Regelwerk werde zudem ständig weiterentwickelt und ausgeweitet, sodass die bereits heute hohe Komplexität weiter zunehmen und für Betriebe aller Größenkategorien einen stetig wachsenden Aufwand mit sich bringen werde. Auch kleine und mittlere Unternehmen sollen sich nicht nur mit den betriebswirtschaftlichen Herausforderungen der Transformation beschäftigen, sondern müssten schon heute und künftig immer häufiger Daten zur eigenen Nachhaltigkeit gegenüber Geschäftspartnern und Banken offenlegen. Wie Betriebe mit Blick auf die Sustainable-Finance-Regulierung abschneiden, werde voraussichtlich in Zukunft auch über ihren Zugang zu Finanzierungen und deren Konditionen bestimmen.

Doch von diesen konkreten Nöten der in der Praxis von den EU-Regelungen betroffenen Unternehmen – besonders der KMU – bekommt die EU-Kommission offenbar nichts mit. Oder sie blendet sie bewusst aus. Sie klopft sich lieber selbst auf die Schulter und stellt lapidar fest „Um die Ziele des europäischen Grünen Deals zu erreichen, wird die EU jedes Jahr zusätzliche Investitionen in Höhe von rund 700 Milliarden Euro benötigen. Der Großteil dieser Investitionen wird aus privaten Mitteln stammen müssen.“ Um diese „Herausforderung“ zu bewältigen, hat die EU seit 2018 „drei Bausteine für einen Rahmen für ein nachhaltiges Finanzwesen“ eingeführt: die EU-Taxonomie, Regeln für Offenlegungspflichten und Berichterstattung (sowohl für Unternehmen als auch für Investoren) und den EU-Standard für grüne Anleihen. Die Rechtsakte zur Taxonomie werden nun – sobald sie in allen Amtssprachen der EU vorliegen – dem Europäischen Parlament und dem Rat zur Prüfung übermittelt. Sie werden voraussichtlich ab Januar 2024 Anwendung finden. Bezüglich des Vorschlags für eine Verordnung über Anbieter von ESG-Ratings wird die EU-Kommission nun Gespräche mit dem Europäischen Parlament und dem Rat aufnehmen. 

10-Punkte-Plan zur „Nachhaltigkeit“

Am 6. Juli hat die Kommission außerdem ihre „Strategische Vorausschau 2023“ vorgestellt, in der sie zehn „Handlungsfelder“ für den Übergang der EU zur Nachhaltigkeit thematisiert. Die EU mache derzeit „einen tiefgreifenden und ehrgeizigen Wandel durch, damit sie in wenigen Jahrzehnten klimaneutral und nachhaltig sein kann“. Um die Ziele des „Green Deal“ und von „RepowerEU“ zu erreichen, seien zusätzliche Investitionen in Höhe von jährlich mehr als 620 Milliarden Euro nötig. Der weitaus größte Teil davon werde aus privaten Mitteln stammen müssen. Bislang seien 578 Milliarden Euro – mindestens 30 Prozent ihres Haushalts – für klimarelevante Maßnahmen im Zeitraum von 2021 bis 2027 eingeplant. Der 10-Punkte-Plan liest sich so: 

  • „Gewährleistung eines neuen europäischen Gesellschaftsvertrags mit einer erneuerten Sozialpolitik und einem Schwerpunkt auf hochwertigen sozialen Dienstleistungen.
  • Vertiefung des Binnenmarkts zur Förderung einer widerstandsfähigen klimaneutralen Wirtschaft mit Schwerpunkt auf offener strategischer Autonomie und wirtschaftlicher Sicherheit.
  • Stärkung des Angebots der EU auf globaler Ebene im Hinblick auf eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit wichtigen Partnern.
  • Unterstützung der Umstellung auf nachhaltige Produktions- und Konsummuster durch Regulierung und Förderung eines ausgewogenen Lebensstils.
  • Entwicklung hin zu einem `Europa der Investitionen´ durch öffentliche Maßnahmen zur Mobilisierung von Finanzmitteln für den Übergang.
  • Gewährleistung der Nachhaltigkeit der öffentlichen Haushalte durch einen wirksamen Steuerrahmen und wirksame öffentliche Ausgaben.
  • Weitere Anpassung politischer und wirtschaftlicher Indikatoren zur Berücksichtigung von nachhaltigem und inklusivem Wohlergehen, unter anderem durch entsprechende Anpassung des BIP.
  • Sicherstellung, dass alle Europäerinnen und Europäer zum Übergang beitragen können, indem die Erwerbsbeteiligung erhöht und der Fokus auf künftig benötigte Kompetenzen gelegt wird.
  • Stärkung der Demokratie, wobei die Generationengerechtigkeit im Zentrum der Politikgestaltung steht, um so die Unterstützung für den Übergang zu verstärken.
  • Ergänzung des Katastrophenschutzes durch `Katastrophenprävention´ durch Stärkung des EU-Instrumentariums für Vorsorge und Reaktion.“

Maroš Šefčovič, Vizepräsident für interinstitutionelle Beziehungen und Vorausschau, sprach in diesem Zusammenhang von „Europas offener strategischer Autonomie“. Er  betonte: „In der Analyse spiegelt sich unser Bekenntnis zum Wohlergehen der jetzigen und künftigen Generationen wider sowie die zwingende Notwendigkeit, unseren Planeten zu schützen. Wir wollen die Vorreiterstellung Europas bei der Nachhaltigkeitswende halten, indem wir unsere einzigartige soziale Marktwirtschaft und unsere globale Handelsmacht nutzen. Dadurch stärken wir die Führungsrolle Europas in der Welt und unsere Fähigkeit, uns selbst zu behaupten sowie gleichzeitig starke Partnerschaften mit anderen aufzubauen: Europas offene strategische Autonomie.“ Das 21 Seiten umfassende Dokument zur „Strategischen Vorausschau“, das ausschließlich in englischer Sprache vorliegt,  ist hier abrufbar.

Gigantische Milliardensummen für die Transformation

Darin werden von den EU-Bürger auch Verhaltensänderungen angemahnt: Der CO2-Fußabdruck der EU habe sich in den letzten zehn Jahren zwar um 13 Prozent verringert, der Konsum-Fußabdruck der EU jedoch, der die Umweltauswirkungen des Warenhandels berücksichtigt, sei um 4 Prozent gestiegen. Daher seien Verhaltens- und Verbrauchsänderungen nötig: Durch Änderungen des Lebensstils (Anreize für eine nachhaltigere Ernährung oder Reisetätigkeit, Verringerung von Lebensmittel- und Textilabfällen, Senkung des Energie- und Wasserverbrauchs usw.) oder der Infrastruktur (Renovierung von Gebäuden, Gewährleistung eines nachhaltigen Verkehrs usw.) könnten die Emissionen bis 2050 um 40 bis 70 Prozent gesenkt werden. Außerdem wird der digitale Wandel mit jährlich mindestens 125 Milliarden Euro veranschlagt, und auch die neue Geopolitik werde ihren Preis haben. Im Jahr 2021 stiegen die Verteidigungsausgaben der Mitgliedstaaten beispielsweise auf 214 Milliarden Euro an, und bis 2025 werden zusätzliche Ausgaben in Höhe von 75 Milliarden Euro für den Aufbau angemessener Verteidigungsfähigkeiten prognostiziert. Schließlich werde der Wiederaufbau der Ukraine in den nächsten zehn Jahren 384 Milliarden Euro von allen Partnern erfordern.

Die EU braucht insgesamt also gigantische Summen für ihre Transformation. Private Investitionen würden jedoch durch das Fehlen eines echten Binnenmarktes für Kapital und einer vollwertigen Bankenunion behindert. Wörtlich heißt es in dem Papier: „Dies behindert die Kanalisierung der hohen Ersparnisse in der EU – der Überschuss der inländischen Ersparnisse gegenüber den inländischen Investitionen in der EU betrug in den letzten zehn Jahren durchschnittlich fast 300 Milliarden Euro – zur Finanzierung des künftigen Wachstums. Zwar werden die Banken weiterhin eine Schlüsselrolle bei der Finanzierung der EU-Wirtschaft spielen, doch muss mehr getan werden, um die Finanzierungsquellen zu diversifizieren.“ Problematisch seien der erwartete Produktivitätsrückgang, die durch die Pandemie entstandenen hohen Schulden der Unternehmen sowie die steigenden Kreditkosten, die ebenfalls den Privatsektor davon abhielten, jetzt die notwendigen Investitionen insbesondere in erneuerbare Energien zu tätigen. Die privaten Finanzströme zur Unterstützung der „strategischen Investitionen“ für die Transformation müssten insgesamt erhöht werden.

In diesem Lichte sind auch Veranstaltungen wie die „Grüne Woche“ in Brüssel zu sehen, zu der die EU-Kommission im Juni einlud: Die Grüne Woche der EU sei die jährliche Gelegenheit, die EU-Umweltpolitik zu diskutieren, sich mit ihr vertraut zu machen oder sie sogar zu feiern, heißt es auf der entsprechenden EU-Webseite. In diesem Jahr wurde mit Rednern aus Politik, Wirtschaft, NGOs und Wissenschaft über das Thema „Delivering a Net-Zero World“ („Eine Netto-Null-Welt schaffen“) debattiert. Dadurch sollten Einzelpersonen, Gemeinschaften und Organisationen ermutigt werden, in Zukunft „stärker zu handeln“ und „eine nachhaltige Entwicklung zu fördern“. 

Weil's so schön ist: O-Ton von der Leyen

Und weil niemand bessere Worte findet als Ursula von der Leyen, soll abschließend noch ihre aufrüttelnde Eröffnungsrede der „Grünen Woche“ in Brüssel wiedergegeben werden:

„Liebe Kollegen und Freunde,

ich möchte Sie alle willkommen heißen - Unternehmer, Wissenschaftler, Mitglieder der Zivilgesellschaft.

Ich möchte Sie zur Europäischen Grünen Woche willkommen heißen. Hier in Brüssel und bei über 250 Partnerveranstaltungen in der ganzen Europäischen Union findet unsere jährliche Konferenz statt, die die Diskussion über den Europäischen Grünen Deal vorantreibt.

Was gibt es Neues an der Klimafront? Europa steht vor der schlimmsten Dürre seit 500 Jahren. Die letzten 8 Jahre waren die wärmsten 8 Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen. Und Klimawissenschaftler sagen voraus, dass 2023 oder 2024 neue Temperaturrekorde gebrochen werden, da El Niño sein globales Comeback macht. Und wir wissen, was das bedeutet: schlimmere Hitzewellen, Dürren, Waldbrände, Stürme und Überschwemmungen. Das ist der Preis für die Verbrennung fossiler Brennstoffe.

Aber wir können uns ändern. Nachdem Wissenschaftler 1987 eine gefährliche Ausdünnung der Ozonschicht entdeckt hatten, einigten sich fast 200 Länder darauf, schädliche Chemikalien schrittweise abzuschaffen. Anfang dieses Jahres veröffentlichte die UNO einen erstaunlichen Bericht: Die Ozonschicht ist auf dem besten Weg, sich in den nächsten Jahrzehnten vollständig zu erholen. Und nicht nur das. Die weltweiten Maßnahmen zur Rettung der Ozonschicht haben die globale Erwärmung um ein halbes Grad Celsius verringert. Und auch vor der eigenen Haustür vollzieht sich ein positiver Wandel.

Im vergangenen Jahr wurde in der EU zum ersten Mal in der Geschichte mehr Strom aus Sonne und Wind erzeugt als aus Gas. Und wir sind auf dem besten Weg, den Einsatz von erneuerbaren Energien in diesem Jahr erneut zu verdoppeln. Mit Fitfor55 und dann mit REPowerEU haben wir unsere Klimaziele kontinuierlich erhöht. Wir lassen die Wegwerfkultur hinter uns und treten in eine Kreislaufwirtschaft ein, die auf Innovation basiert. Wir modernisieren unsere Industrie mit dem Net-Zero Industry Act. So schaffen wir Hunderttausende neuer Arbeitsplätze in ganz Europa. Und große und kleine Städte in der ganzen Union starten ihre eigenen nachhaltigen Revolutionen und erblühen mit Farbe und Leben. Das ist der Europäische Green Deal in Aktion.

Ich weiß, es liegt noch ein langer Weg vor uns. Und Klima- und Umweltkatastrophen finden überall um uns herum statt. Aber es gibt auch Lösungen, dank Ihnen allen, die Sie daran glauben, dass ein grundlegender Wandel nicht nur notwendig, sondern auch möglich ist. Heute bewirken wir gemeinsam etwas. Ich wünsche Ihnen also eine erfolgreiche und inspirierende Veranstaltungswoche. Ich danke Ihnen.“

Schöner und herzerwärmender, als diese Rede zu lesen, ist nur noch, sie zu hören.

 

Martina Binnig lebt in Köln und arbeitet u.a. als Musikwissenschaftlerin (Historische Musikwissenschaft). Außerdem ist sie als freie Journalistin tätig.

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Sabine Schönfeld / 10.07.2023

Ein gutes Unternehmen kommt normalerweise ohne Subventionen aus - wer das braucht, hat seine Hausaufgaben im Allgemeinen von vornherein nicht gemacht. Der Zwang zum Nachbeten der unsinnigen EU-Fibel betrifft also nur jene Subventionswirtschaft, die ohne EU-Geld sterben würde. Die EU schafft sich einfach eine eigene Parallelwirtschaft - es ist schon sehr lange so, dass tatsächliche gesellschaftliche Realitäten und die Vorstellungen sowohl der EU, als auch der deutschen Regierungen massiv voneinander abweichen und zwar in allen Bereichen. Es ist nur schade um das sinnlos in all der Günstlingswirtschaft verpulverte Steuergeld, das den Menschen im Alltag zum Leben fehlt - insbesondere angesichts der hohen Inflation - und das man auch sinnvollerweise für Krankenhäuser und zur Unterstützung der vielen armen alten Menschen verwenden könnte. Oder um gegen die Kinderarmut anzugehen, für bessere Bildung, zur Reparatur der maroden Infrastruktur. Nur Beispiele aus der realen Welt, die solch abgehobene Politchargen nicht die Spur interessiert. Gebt uns unser Geld zurück oder hört auf, es zu verschwenden! Lernt endlich, verantwortlich mit dem Geld anderer umzugehen, es ist eine einzige Unverschämtheit, was ihr hier tut. Dieser Zynismus und die tatsächliche Menschenfeindlichkeit jener Politik widert mich an. Ein Grund, die AfD zu wählen, ist ihre kritische Haltung gegenüber einer solchen EU, die nichts als Schaden anrichtet und die so wirklich niemand braucht.

Christian Steinberger / 10.07.2023

„Schöner und herzerwärmender“ als E-Uschis Rede zu hören, ist sie zu SEHEN. Die Augen fixieren den Teleprompter wie Klimakleber den regungslosen Aktivisten. Selbst Opa Biden kann das lockerer. Das Gesicht erstarrt ob der vorgeblichen Angst vor dem bald schlimmstens wiederkehrenden „El Nino“. Verkrampft wie üblich das Denglisch der EU-Technokratie. Die Arme bewegen sich in fast schon gesetzlich geregelten Abständen auf und ab wie bei einer Marionette (manch Österreicher erinnern sie an einen über Gebühr bekannten Kurz.zeitkanzlerdarsteller). Vergleiche ich diese Performance mit Brigittes relativ rüstigem Abshaken bei Elton John, so kann ich das Geschichterl nicht ganz glauben, dass diese purste aller Schnapsideen – nämlich die Installation Von der Leyens an der EU-Spitze – dem persönlichen Geschmäckle eines exqisit aus der Ahnenreihe tanzenden Gallierhäuptlings entsprungen sein soll.

Moritz Cremer / 10.07.2023

Das hat Blackrock formuliert! Gemäß der neuen Doku bei epoch: Der Schattenstaat: Auf den Spuren der ESG Bewegung winken als “Belohnung” für die soziopathischen Hedge Fonds 100 Billionen (trillions)!!!...

Dr. Konrad Voge / 10.07.2023

Ich habe 40 Jahre DDR miterlebt. Da bleiben die Reden über den Sieg des Sozialismus schon im Gedächtnis. Jetzt höre ich das Gleiche wieder, etwas anders verbrämt. Sollte damals nur der Sozialismus aufgebaut werden, soll nun gleich die Welt gerettet werden. Das Dumme ist nur, wir normale Bürger müssen den Unsinn einer verrückten Bande bezahlen.

Herbert Priess / 10.07.2023

In diesem Zusammenhang möchte ich auf folgenden Artikel hinweisen, ein Auszug aus Cube.global einem Technologieportal:  Was ist der Zweck von ESG-Vorschriften? ESG-Vorschriften werden auf die Finanzbranche angewendet, um die Aufmerksamkeit auf die ökologischen, sozialen und Governance-Auswirkungen von Investitionsmöglichkeiten zu lenken. Ganz gleich, ob der regulatorische Fokus auf Nachhaltigkeit, klimabezogenen Faktoren oder der Unterstützung der Menschen hinter den Unternehmen liegt: Compliance zielt darauf ab, Greenwashing zu verhindern. Damit ist die Verfälschung von Umweltaussagen gemeint, die Nachhaltigkeit vortäuschen. ESG-Vorschriften zielen auch darauf ab, nachhaltige Finanzen zugänglicher zu machen. Finanzpolitik: Nasdaq ist der in den USA ansässige globale Marktplatz für den Aktien- und Wertpapierhandel. Im August 2021 veröffentlichten sie neue Anforderungskriterien für die Notierung von Unternehmen an ihren Börsen. Dies war die Diversitätsstatistik auf Vorstandsebene für jede Unternehmensliste. Nasdaq legte außerdem Mindestkriterien für Diversität fest und verlangte von jedem Unternehmen, das die Mindestkriterien nicht erfüllte, eine Begründung. Hierbei handelt es sich um einen Governance-Faktor, der es Anlegern ermöglicht, den Zusammenbruch der Diversität auf Führungsebene zu erkennen. Es kann potenziellen Anlegern dabei helfen, fundierte Entscheidungen zu treffen. Um es kurz zu sagen, die EU erfüllt die Bedingungen der USA Finanzmärkte die die Regelungen diktieren. Nicht nur Wirtschaftlich wird eingegriffen sondern auch in die Personalpolitik wird bestimmt. Deshalb auch die ganze Wokerei z.B. von Volkswagen, das müssen die sonst bekommen sie Schwierigkeiten auf dem amerikanischen Finanzmarkt. Nun wird das in der EU auch durchgezogen aber natürlich kein Zwang, die Firmen bekommen nur kein Geld mehr wenn sie nicht spuren. Das ist der ganze Hintergrund.

Joachim Wahl / 10.07.2023

Ich garantiere jedem, der seine nächste Reise mit Flug, Bahn oder Auto absolviert und einen Ablass auf mein “klimaneutrales” Konto einzahlt, dass sämtliche Emissionen inklusiv der Verbaldiarrhoe von Frau v.d.L. zu 100% kompensiert werden.

Marcel Seiler / 10.07.2023

Das gibt, wie schon das Lieferkettengesetz, eine Festival der Lügen und der Heucheleien. Die Großen werden ganze Hierarchien in L&H (Lügen und Heucheln) aufbauen müssen,  die Kleinen gehen vor die Hunde. Eine Generation von Managern wird korrupt werden müssen, einfach um zu überleben – für nicht wenige eine Seelenqual. Furchtbar.

Dr. Detlef Wacker / 10.07.2023

Es galt schon immer, wer die Musik bezahlt, der bestimmt sie. Die Aufregung über die Subvention “grüner” Unternehmen verstehe ich nicht. Erstens würde eine nicht-umweltorientierte Regierung ebenfalls nur ihr genehme Unternehmen fördern und zweitens kann man völlig legal Schlupflöcher suchen und sich Subventionen abgreifen wie es immer schon war. Wer es als Unternehmer nicht kann, bitte im EU-Ausland umsehen.

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