Martina Binnig, Gastautorin / 27.02.2024 / 06:00 / Foto: Pixabay / 53 / Seite ausdrucken

Unternehmer-Rebellion gegen die EU-Politik?

70 Unternehmer, die zusammen 7,8 Millionen Beschäftigte in Europa repräsentieren, fordern in der Antwerpen-Deklaration eine industriefreundlichere EU-Politik.

Es läuft nicht mehr ganz rund für Ursula von der Leyen. Zwar hat sie gerade bekannt gegeben, dass sie sich noch einmal für eine zweite Amtszeit zur EU-Kommissionspräsidentin küren lassen will, doch es weht ihr derzeit einiger Wind entgegen. Zuletzt von mehr als 70 hochrangigen Unternehmensvertretern (unter anderem von Agfa-Gevaert, Bayer, BASF, DuPont, Sanofi, TotalEnergies), die in der sogenannten Antwerpen-Deklaration eine industriefreundlichere EU-Politik und Nachbesserungen am europäischen Green Deal forderten. Unter anderem seien niedrigere Energiekosten nötig, um im internationalen Wettbewerb etwa mit China und den USA mithalten zu können. Insgesamt solle sich die EU in ihrer Gesetzgebung zurückhalten und näher an der industriellen Realität bleiben. Dabei stellen die Konzernchefs den Green Deal, durch den die Netto-Emissionen von Treibhausgasen in der EU bis 2050 auf null gesenkt werden sollen, allerdings nicht generell in Frage. Schon bis 2030 will die EU die Treibhausgasemissionen um 55 Prozent und bis 2040 sogar um 90 Prozent im Vergleich zu 1990 reduzieren.

Die CEOs, die die Deklaration unterzeichnet haben, kommen insbesondere aus den energieintensiven Branchen wie etwa Chemie, Pharma, Stahl, Bergbau, Alu, Glas, Keramik und Zement. Sie wehren sich in erster Linie gegen restriktive Regulierungen und überbordende Dokumentationspflichten auf EU-Ebene und stellen dem Green Deal einen European Industrial Deal mit 10 konkreten Punkten gegenüber. Die EU solle unter anderem den Rahmen für staatliche Beihilfen zu sauberen Technologien in energieintensiven Industrien vereinfachen. Die Infrastruktur müsse verbessert und die Rohstoffversorgung sicher gestellt werden. Der Green Deal dürfe nicht unangemessen präskriptive und detaillierte Durchführungsverordnungen zur Folge haben. Außerdem solle eigens ein für die Umsetzung des European Industrial Deal verantwortlicher EU-Kommissar eingesetzt werden. 

Die Initiative der Unternehmen, die zusammen 7,8 Millionen Beschäftigte in Europa repräsentieren, wurde von der belgischen EU-Ratspräsidentschaft unterstützt. Ministerpräsident Alexander de Croo war am Dienstag, den 20. Februar, mit den Konzernchefs im Antwerpener Werk von BASF zusammenkommen. Auch von der Leyen war anwesend. Sie wird in ihrer nächsten Amtsperiode als Kommissionspräsidentin nicht umhin kommen, sich für eine industrie-freundlichere EU-Politik einzusetzen und dabei auch nukleare Energie nicht auszuschließen. Außerdem stehen beispielsweise die Überarbeitung der EU-Chemikalienverordnung REACH und die Überprüfung der EU-Verpackungsvorschriften an.

Anspruch auf Entschädigung bei schlechter Luft

Diese Kurskorrekturen werden nicht einfach sein, sind doch die Weichen bislang weiterhin eher in Richtung Überregulierung gestellt. So sind gerade erst am 21. Februar die neuen EU-Regeln zur Luftqualität verabschiedet worden. Die Luftqualitätsnormen der EU sollen dadurch enger an die globalen Luftqualitätsleitlinien der WHO angeglichen werden. Dabei wird der Jahresgrenzwert für Feinstaub (PM2,5) um mehr als die Hälfte gesenkt. Die überarbeitete Richtlinie sieht außerdem vor, dass jeder, der durch Luftverschmutzung gesundheitliche Schäden erleidet, im Falle eines Verstoßes gegen die EU-Luftqualitätsvorschriften Anspruch auf Entschädigung hat.

Auch die Halbzeitbilanz des Corona-Wiederaufbaufonds, die von der EU-Kommission ebenfalls am 21. vorgelegt worden ist, zielt nach wie vor auf eine klimaneutrale Industrie ab. Die Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) gilt als Herzstück des Corona-Wiederaufbauplans NextGenerationEU (NGEU) und soll einerseits Mitgliedstaaten bei der Erholung von der Coronakrise unterstützen sowie andererseits die Volkswirtschaften und Gesellschaften umweltfreundlicher, digitaler und wettbewerbsfähiger machen. Die Halbzeitbewertung der ARF wurde 2024 abgeschlossen und erstreckt sich über die Jahre 2021 bis 2023. Die Mitgliedstaaten haben in diesem Zeitraum Reformen und Investitionen ausgearbeitet, die mit den ökologischen, digitalen und sozialpolitischen Prioritäten der EU im Einklang stehen.

Bis Ende 2023 hat die EU-Kommission nun mehr als 1150 Etappenziele und Zielwerte als „zufriedenstellend erreicht“ bewertet. Dank der ARF seien beispielsweise mehr als 28 Millionen Megawattstunden (MWh) weniger Energie verbraucht worden. Über 5,6 Millionen weitere Haushalte verfügten nun über einen Internetzugang mit sehr hoher Kapazität, und fast 9 Millionen Menschen hätten bereits von Maßnahmen zum Schutz vor klimabedingten Katastrophen wie Überschwemmungen und Waldbränden profitiert. Bislang sind den Mitgliedstaaten knapp 225 Milliarden Euro an ARF-Mitteln zugute gekommen. 67 Milliarden Euro wurden als Vorfinanzierung ausgezahlt, um Reformen und Investitionen anzustoßen und die kurzfristigen Auswirkungen zunächst der COVID-19-Krise und dann der Energiekrise auf die Haushalte der Mitgliedstaaten abzumildern. Im Gegensatz zu früheren Krisen seien die öffentlichen Investitionen in Europa während der Coronazeit und der anschließenden Energiekrise von 3,0 Prozent im Jahr 2019 auf schätzungsweise 3,3 Prozent im Jahr 2023 gestiegen. 2024 werden die öffentlichen Investitionen voraussichtlich 3,4 Prozent des BIP erreichen.

Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung

Einen weiteren Baustein zur Erreichung der Klima-, Umwelt- und Null-Schadstoff-Ziele der EU stellt die vorläufige Einigung zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat der EU-Staaten über den ersten EU-weiten freiwilligen Rahmen für die Zertifizierung hochwertiger CO2-Entnahmen vom 20. Februar dar. Die Einigung enthält Zertifizierungsvorschriften für eine klimaeffiziente Landwirtschaft – etwa durch die Wiederherstellung von Wäldern, die Wiedervernässung von Torfmooren und eine effizientere Nutzung von Düngemitteln – sowie für industrielle CO2-Entnahmen wie zum Beispiel CO2-Abscheidung und -Speicherung aus der Luft oder die Bindung von Kohlenstoff in langlebigen Produkten wie Baustoffen auf Holzbasis oder Biokohle. Innerhalb von vier Jahren soll ein EU-weites Zertifizierungs-Register eingerichtet werden.

Im Rahmen des Gesetzes über digitale Dienste (Digital Services Act, kurz: DSA), das seit dem 17. Februar vollumfänglich greift, wurde mittlerweile nicht nur ein förmliches Verfahren gegen TikTok eingeleitet, in dem es unter anderem um die Bereitstellung eines durchsuchbaren Verzeichnisses für die auf TikTok präsentierten Anzeigen sowie um den Zugang von Forschern zu Daten geht, sondern auch Zalando musste sich nach einem Dialog mit der EU-Kommission dazu verpflichten, irreführende Nachhaltigkeitskennzeichen und Umweltsymbole (beispielsweise Blätter oder Bäume) zu entfernen.

Schließlich haben am 22. Februar Parlament und Rat beschlossen, dass eine neue EU-Behörde für die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (AMLA) mit Sitz in Frankfurt am Main eingerichtet wird, die mit Aufsichts- und Ermittlungsbefugnissen ausgestattet ist und unter anderem Zugriff auf Vermögens- und Immobilienregister haben soll (wir berichteten hier).

In der Summe klingt das alles nicht gerade danach, als beabsichtige die EU-Kommission – wie von den Industrievertretern in der Antwerpen-Deklaration gefordert – weniger zu regulieren. Doch von der Leyen wird in ihrer nächsten Amtsperiode nicht umhin können, von der Green-Deal-Ideologie abzurücken und den European Industrial Deal mehr in den Blick zu nehmen. Zumal sich die Zusammensetzung des EU-Parlaments nach der Europawahl aller Voraussicht nach ändern wird und EU-skeptische Parteien deutlich zulegen könnten.

 

Martina Binnig lebt in Köln und arbeitet u.a. als Musikwissenschaftlerin (Historische Musikwissenschaft). Außerdem ist sie als freie Journalistin tätig.

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sybille eden / 27.02.2024

Was sind bitte ” Treibhausgase” ? Gibts über der Stratophäre ein Dach ? Laut Messungen der NASA kühlt sich die Erde langsam ab. Die Klimafaschisten haben ganz andere Ziele, nämlich die Ziele und Utopien des ” Club Of Rome ” = die Deindustrialisierung und Kollektivierung Europas !

A. Ostrovsky / 27.02.2024

@Thomas Taterka : >>@A. Ostrovsky - Sie irren ! Man sollte Leute , ..<<  ## Ich gehe mal davon aus, dass es Ihr Problem ist, weil ich mir das nicht annehme. Es sind vermutlich die Kinder der Kinderlosen, die die Zukunft verdüstern. Oder haben Sie auch dazu noch eine Erklärung? Ich hoffe für Sie, dass Ihnen niemand FortpflanzungsZWANG , aus welchen Gründen auch immer, und andere total neurotische Zwänge dogmatischer Art andrehen will. Sie müssen nicht, solange Sie dann nicht Familienminister werden wollen oder noch etwas Schlimmeres. Sie haben den Zusammenhang noch nicht verstanden. Sie müssen keine Kinder haben, aber dann bitte auch nicht herrschen wollen, wenn es Ihnen so recht ist. Bitte haben Sie Verständnis, dass ich mir den Schuh nicht anziehe, dass andere Leute bescheuerte Kinder haben. Der Apfel fällt eben nicht weit vom Stamm. Aber deshalb werde ich mich nicht auf der Straße ankleben, um die Verrückten von der Fortpflanzung abzuhalten. Mein größter Wunsch ist es, von Verrückten in Ruhe gelassen zu werden. Aber das ist eben schwer, weil es so viele davon gibt und einer will auch immer über alle herrschen. Und der Verrückteste wird unter den Verrückten König. Das soll er meinetwegen. Nur eben NICHT MEIN KÖNIG!

Thomas Kurt / 27.02.2024

@Wolfgang Fischer: “Bestes Beispiel ist die Solarklitsche in Freiberg.” Der Weggang des “größten europäischen Solarmodul-Herstelles”, den Sie so despektierlich Klitsche nennen, macht gar nichts. Der Ersatz, ein taiwanesischer Chip-Hersteller steht bereit und hat versprochen, die von den Sachsen gespendeten Steuer-Milliarden auch in Sachsen zu investieren. Ist das nicht nobel?! Die Klitsche geht übrigens in Freundesland, das beruhigt insofern, dass die deutsche Energiewende auch dann nicht gefährdet ist, wenn die Chinesen mal nicht billig liefern können. Dann springen die teuren Freunde ein.

Thomas Taterka / 27.02.2024

@A. Ostrovsky - Sie irren ! Man sollte Leute , die einem den FortpflanzungsZWANG , aus welchen Gründen auch immer, und andere total neurotische Zwänge dogmatischer Art andrehen wollen , niemals herrschen lassen . Wenn Sie Kinder haben , freut mich das für Sie und Ihre Kinder , ich hoffe, daß sie keine Fanatiker werden , es gibt bereits zu viele davon , die die Zukunft unnötig mit aufdringlichem Schwachsinn verdüstern .

Paul Ehrlich / 27.02.2024

Es ist ungerecht auf der Welt die Intelligenten sind rar gesät nur die Dummen gibt’s im Überfluss.

Wolfgang Fischer / 27.02.2024

EU Politik? Solange diese Menschenfeindliche Decks EU in der jetzigen Form besteht, wird es auch immer weiter Berg ab gehen. Da können sich die Unternehmer anschleimen, wie sie wollen. Deren Unterwerfungsgesten zielen lediglich auf Subventionen, die der Steuerzahler und insbesondere die Deutschen aufzubringen haben. Bestes Beispiel ist die Solarklitsche in Freiberg. Dort produziert man ein Produkt, das im Wenigsonnenzusammenbruchdeutschland die Energieversorgung sichern soll. Das funktioniert aber schon mit dem Chinesischen Konkurrenzprodukt nicht.

finn waidjuk / 27.02.2024

Es würde mich mal brennend interessieren, wie jemand, der durch Luftverschmutzung gesundheitliche Schäden erlitten hat, dies nachweisen will. Das ist bisher meines Wissens nach noch niemandem gelungen.  Es gibt nämlich ganz einfach keinen Kausalzusammenhang zwischen schlechter Luftqualität und Gesundheitsschäden oder Tod. All die unterschiedlichen Zahlen über angebliche Todesfälle durch Luftverschmutzung, die immer wieder kolportiert werden, sind aus den Fingern gesaugter Bullshit. Angeblich sterben im Jahr 240.000 Menschen allein in der EU vorzeitig an Luftverschmutzung. Also ungefähr so viel wie in Portugal und Tschechien zusammen pro Jahr. Bei all diesen Toten müsste es doch möglich sein, WENIGSTENS EINEN mit Namen, Anschrift und genauer Diagnose nennen zu können. Zum Vergleich: in der Ukraine sterben jeden Tag Soldaten, von denen man genau den Namen, das Alter und die Adresse weiß. So sieht für mich ein klarer Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung aus.

Volker Kleinophorst / 27.02.2024

@ Samsonis Leider konnten die Briten nicht noch aus WEF und WHO austreten. Aber wer kann das schon.

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