Offenbar ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis das digitale Zentralbankgeld in der EU eingeführt wird und damit die Möglichkeit totaler Kontrolle. Ein Bericht über die Debatte im Finanzausschuss des Bundestags.
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat gerade den ersten Teil einer Richtlinie für den digitalen Euro vorgelegt. Er trägt den Titel: „Central Bank Digital Currency – Part 1: Requirements on backend systems.“ Zu deutsch etwa: „Digitales Zentralbankgeld – Teil 1: Anforderungen an Backend-Systeme.“ Mit Backend-System ist der funktionelle Bereich auf der Programmiererseite gemeint. Entsprechend geht es hier in erster Linie um die Perspektive der Entwickler und Anbieter von Zentralbankgeld (kurz: CBDC). Thematisiert werden beispielsweise Hintergrundsysteme der CBDC-Infrastruktur und IT-Sicherheitsanforderungen.
Die Richtlinie regelt den gesamten Prozess von der Ausgabe des elektronischen Geldes durch die Zentralbank über Bezahlvorgänge und das Einspielen von Sicherheitsupdates bis hin zur sicheren Vernichtung. Brisant ist dabei vor allem die Frage, inwieweit die Anonymität von Zahlungen und Wallets (digitale Geldbörsen etwa in Form von Apps) gewährleistet werden kann und soll und ob eine Programmierbarkeit oder ein Ablaufdatum der Währung möglich wäre. Der zweite Teil der Richtlinie, der dann den Schwerpunkt auf „Systemen für Endanwender“ hat, steht noch aus, ist aber bereits in Arbeit.
Am vergangenen Montag befasste sich nun auch der Finanzausschuss des Bundestags mit dem digitalen Euro. Die Anhörung wurde auf der offiziellen Website des Bundestags live übertragen und ist dort immer noch abrufbar. Unter anderem standen zwei Anträge zur Diskussion, die von CDU/CSU und AfD gestellt worden waren. Außerdem waren im Vorfeld Gutachten eingereicht worden, deren Verfasser ebenfalls überwiegend persönlich anwesend waren. Die AfD-Fraktion hatte in ihrem Antrag (20/9144) die Bundesregierung dazu aufgefordert, „die Finanzierung von Organisationen, die sich für die Abschaffung des Bargelds einsetzen, einzustellen“. Dies gelte insbesondere für die Better Than Cash Alliance.
Die Bundesregierung solle außerdem sicherstellen, „dass die EZB und die nationalen Zentralbanken (NZBs) des Eurosystems keine digitalen Zentralbankwährungen ausgeben dürfen“. Auch solle die Regierung sich auf europäischer Ebene gegen die Einführung einer digitalen Zentralbankwährung einsetzen. Sie solle gewährleisten, dass Bargeld „als das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel“ wie bisher erhalten bleibe und als solches auch akzeptiert werden müsse. Ferner verlangte die AfD eine Erweiterung des Grundgesetzes um ein Recht „zur uneingeschränkten Nutzung von Bargeld“. Darüber hinaus solle die Regierung eine Informationskampagne initiieren, um über die Risiken und Chancen eines digitalen Euros aufzuklären, sowie eine Volksbefragung darüber abhalten, „ob die Bürger die Einführung eines digitalen Euros in der von der EZB dann vorgeschlagenen Ausgestaltung zustimmen oder nicht“. Schließlich solle sie dem Deutschen Bundestag halbjährliche Berichte über die Studien beziehungsweise Pilotprogramme und Festlegungen der EZB bezüglich digitaler Zentralbankwährungen vorlegen.
Möglichkeit totaler Kontrolle
Die CDU/CSU-Fraktion hatte die Bundesregierung dazu aufgefordert, „sich im Rahmen einer freiwilligen Selbstverpflichtung dazu zu bekennen, der Einführung eines digitalen Euro im Rat der Europäischen Union nur dann zuzustimmen, wenn sich der Deutsche Bundestag zuvor für dessen Einführung ausgesprochen hat“ (20/9133). Auch gegenüber der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament und den anderen EU-Mitgliedstaaten solle sich die Bundesregierung für eine Zustimmungspflicht der nationalen Parlamente der EU-Mitgliedstaaten einsetzen. Die Bundesregierung solle jeglichen Initiativen auf EU-Ebene, die eine Schwächung des Bargelds zum Ziel haben könnten, entschieden entgegentreten und insbesondere dafür Sorge tragen, dass der Status des Bargelds als gesetzliches Zahlungsmittel unangetastet bleibt. Auch solle sie zu einer „breiten gesellschaftlichen Debatte zum digitalen Euro in Deutschland“ beitragen.
Der auf Vorschlag der SPD-Fraktion eingeladene Sachverständige Prof. Dr. Ulrich Hufeld, Professor für Öffentliches Recht und Steuerrecht an der Helmut Schmidt Universität der Bundeswehr Hamburg, sprach sich allerdings gegen einen Zustimmungsvorbehalt des Bundestags bei der Einführung eines digitalen Euro aus. Es sei nicht im Interesse Deutschlands, bei Zuständigkeiten, die auf EU-Ebene liegen, die Zustimmung nationaler Parlamente zur Bedingung zu machen. Vielmehr solle die Bundespolitik die Möglichkeiten des Rechts auf Stellungnahme der nationalen Parlamente nutzen.
Wesentlich kritischere Worte fand Prof. Dr. Philipp Bagus, Professor an der Universidad Rey Juan Carlos in Madrid und auf Vorschlag der AfD-Fraktion geladen: Man könne sich nicht einfach auf Versprechungen von Politikern verlassen, die den Erhalt des Bargels zusicherten, zumal das politische Personal wechseln könne. Dies brachte ihm die Bemerkung des Ausschussvorsitzenden Alois Rainer ein, dass auch Professoren ausgewechselt werden könnten, worauf Bagus wiederum konterte, dass eben mit einem digitalen Euro tatsächlich ganz einfach Konten von Professoren gesperrt werden könnten. Im übrigen sei auch die Zusage, dass es so lange Bargeld geben werde, wie es nachgefragt werde, kritisch zu sehen, da Nachfrage beispielsweise durch Regulierungen beeinflussbar sei. Am Beispiel China könne man erkennen, dass digitales Zentralbankgeld die Möglichkeit totaler Kontrolle eröffne. Auf Nachfrage sprach er sich für eine Volksbefragung zur Einführung des digitalen Euro aus, da der Willen der Bevölkerung zu diesem Thema ernst genommen werden müsse.
Gefahr von „Datenpannen“
Als einen Vorteil des digitalen Euro nannte dagegen Bundesbank-Vorstandsmitglied Burkhard Balz die Möglichkeit, dass der Staat Geld direkt an Bürger auszahlen könne, beispielsweise in Form von Kindergeld oder anderen staatliche Leistungen. Prof. Dr. Volker Wieland, der auf Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion geladene Professor für Monetäre Ökonomie an der Goethe-Universität Frankfurt, erklärte in seiner Stellungnahme, dass es letztlich schon einen digitalen Euro gebe, also „eine staatlich bereitgestellte digitale Währung“. Zwar stehe sie nur den Banken zur Verfügung, die ein entsprechendes Konto bei der Notenbank besitzen, doch die Bevölkerung habe bereits Zugang zu privatem Digitalgeld in Form etwa von Giroeinlagen bei den Banken.
Prof. Dr. Rainer Böhme, Professor für Datensicherheit und -schutz an der Universität Innsbruck und geladen auf Vorschlag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen, riet zu einem datensparsamen Ansatz und warnte vor der Gefahr von „Datenpannen“. Die auf Vorschlag der FDP-Fraktion geladene Digital Euro Association merkte zum Thema Datenschutz an, dass es Technologien gebe, die Privatsphäre ermöglichten. Die Epi Company SE (Vorschlag: CDU/CSU) wies ebenfalls darauf hin, dass die Privatwirtschaft innovative technische Lösungen bieten könne und dass die Konkurrenzfähigkeit Europas durch eine digitale Währung gestärkt werden müsse.
Auch Bitkom e.V. (Vorschlag: SPD) plädierte in seinem Gutachten für eine zügige Umsetzung des digitalen Euro und auch für dessen Programmierbarkeit. Wörtlich heißt es: „Als Beispiele können hier z. B. automatisch ausgelöste Zahlungen für die Bestellung eigener Ersatzteile von Maschinen (Internet of Things, IoT), für das Laden und Bezahlen von Strom zu den günstigsten Marktbedingungen oder für die Bezahlung von Versicherungen und Leasing- und Wartungsgebühren auf Basis der Nutzung (Pay-per-Use) genannt werden.“ Die Deutsche Kreditwirtschaft (Vorschlag: FDP) betonte, dass der digitale Euro einen echten Mehrwert für die Bürger, Wirtschaft und Gesellschaft haben und der Schutz der Privatsphäre und größtmögliche Anonymität bei der Nutzung digitaler Zahlungsmittel sichergestellt werden müsse.
Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft
Noch sind zwar zahlreiche Fragen ungeklärt, doch insgesamt ist es wahrscheinlich nur noch eine Frage der Zeit, dass das digitale Zentralbankgeld auch in Europa eingeführt wird. Übrigens tagte auch der Unterausschuss Globale Gesundheit am Montag – und zwar zum Thema „Die Auswirkungen der Klimakrise auf die mentale Gesundheit (nationale und globale Perspektive)“. Dafür hatte der Global Health Hub Germany eine Stellungnahme erarbeitet. Der Hub definiert sich wie folgt:
„In Deutschland engagiert sich eine Vielzahl unterschiedlicher Akteure aus verschiedenen Sektoren und Disziplinen für Globale Gesundheit. Hier setzt der Global Health Hub Germany (GHHG) an. Der Hub ist ein Netzwerk, das alle Akteure zusammenbringen will, die an Globaler Gesundheit interessiert sind. Er macht die verschiedenen Akteure sichtbar und fördert den Austausch. So können neue Kooperationen entstehen – und das über die Grenzen von Sektoren und Akteursgruppen hinweg.“
Er ist der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung verpflichtet und geht davon aus, „dass ein verstärkter interdisziplinärer Dialog und die Zusammenarbeit aller Akteure notwendig sind, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Dies gilt auch für die gesundheitsbezogenen Ziele“.
Es geht also um die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft zur Klimaneutralität auf dem Gebiet der Gesundheitspolitik. In der Stellungnahme heißt es, dass die Klimakrise auch eine Krise der mentalen Gesundheit sei und Zusammenarbeit auf allen Ebenen erfordere. Für Deutschland sei „eine Häufung von psychischen Störungen nach Extremwetterereignissen, ein gestiegenes Suizidrisiko und ein vermehrt aggressives Verhalten bei höheren Temperaturen“ beobachtet worden. Für das Bundesgesundheitsministerium führte Paul Zubeil – übrigens Lebenspartner von Hendrik Streeck – in die Thematik ein und wies auf das Engagement der WHO zum Thema Klimawandel und Gesundheit und den entsprechenden „RKI-Sachstandsbericht Klimawandel und Gesundheit“ hin (Achgut berichtete). Auch diese Veranstaltung lässt sich in der Mediathek des Bundestags noch nachträglich abrufen. Man sollte häufiger Parlamentsfernsehen schauen!
Martina Binnig lebt in Köln und arbeitet u.a. als Musikwissenschaftlerin (Historische Musikwissenschaft). Außerdem ist sie als freie Journalistin tätig.