Henryk M. Broder / 06.07.2018 / 11:00 / 24 / Seite ausdrucken

Es gibt ein Drittes!

In jeder intakten Demokratie gibt es eine klare Arbeitsteilung zwischen der Regierung und der Opposition. Die Regierung regiert, die Opposition sitzt der Regierung im Nacken. Nur in Deutschland ist es anders. Dank der Großen Koalition kann die Regierung praktisch machen, was sie will. Zuletzt haben die Union und die SPD eine Erhöhung des Kindergeldes um zehn Euro pro Kind und Monat beschlossen. In der Summe macht das einige Milliarden aus, es wäre aber vermessen zu behaupten, die Maßnahme wäre dazu angetan, Familien finanziell zu entlasten. Es sei denn, es handelt sich um zugewanderte kinderreiche Familien, die ihren Lebensunterhalt vor allem aus Sozialleistungen bestreiten.

Die Opposition besteht aus vier Parteien, von denen drei sich bereithalten, in die Regierung einzutreten. Die FDP würde gerne mit der CDU koalieren, aber nicht unter dem Regime von Angela Merkel, die Linken mit der SPD, und die Grünen mit jedem und jeder. Nur die AfD, deren Abgeordnete wie Aussätzige behandelt werden, nimmt den Begriff Opposition wörtlich. Sie ist gegen alles, schafft es aber nicht, sich durchzusetzen.

Aber keine dieser vier Parteien kann es an Kampfgeist mit der bayerischen Schwesterpartei der CDU, der Christlich-Sozialen Union, aufnehmen. Allerdings sitzt die CSU nicht in der Opposition, sondern in der Regierung, sie treibt die CDU vor sich her, stellt ihr Ultimaten, droht mehr oder weniger deutlich mit einem Ende der Fraktionsgemeinschaft, derweil die Sozialdemokraten die CDU und CSU anflehen, ihre Meinungsverschiedenheiten beizulegen. Sigmar Gabriel, von Ende 2009 bis Anfang 2017 Vorsitzender der SPD, hatte noch als Vizekanzler im September letzten Jahres erklärt, der SPD gehe es darum, die Regierung Merkel „rückstandsfrei zu entsorgen“. Inzwischen hat er es sich anders überlegt. „Merkels Sturz würde ganz Europa ins Wanken bringen.“

Noch nie war deutsche Politik so unberechenbar, aber auch dermaßen kurzweilig und unterhaltsam. Wie eine Soap unter dem Titel „Nichts ist unmöglich!“ Es kann sein, dass der wankelmütige Innenminister die Kanzlerin so lange nervt, bis sie ihn feuert. Es kann sein, dass sie abstürzt. Tertium datur: Es kann sein, dass sich beide wieder vertragen. Dann geht die endlose Geschichte weiter.

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Leserpost

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Helge-Rainer Decke / 06.07.2018

Sollten wir nicht mit Bewunderung Kenntnis nehmen, dass auch innerhalb der Koalition die Fetzen fliegen? Frische Luft weht durch das Parlament. Es wird gestritten, es wird gestreichelt, es wird polemisiert, es wird gerungen, es wird sich wieder vertragen. Es ist facettenreiche, gelebte Demokratie. Sollte sich die AfD von den Völkischen trennen, dann sehe ich a la long ein tertium non datur dafür, dass sich die Parteien auch auf die AfD zubewegen.

Hans Weiring / 06.07.2018

Ich halte Seehofer nicht für wankelmütig, der weiß was er tut. Die wirksamste Opposition ist zur Zeit die CSU. Sehr deutlich wurde das gestern Abend bei Illner (ja, habe ich mir angetan), als Habeck geradezu mit Schaum vorm Mund gegen die CSU gewütet hat; der Bursche war sowas von neben der Spur. Laschet hat er dagegen fast schon um ein Autogramm gebeten. FJS hat vor vielen Jahren mal gesagt: “Deutschland braucht Bayern!” Wie recht er hatte.

Frank Stricker / 06.07.2018

Herbert Wehner würde über Angela Merkel sagen:” Die Dame badet sowas von lau”...…… Und im Gegenzug ist Horst Seehofer mit allen Wassern gewaschen , obwohl er von der Systempresse die meiste Prügel bekommt. Im übrigen halte ich es für grotesk , wie der Streit zwischen Merkel und Seehofer als “Untergang der Demokratie”  verkauft wird. Ohne die Impulse von “Heimat-Horst”  und der klaren Ansage von Kurz und Orban würde “Mutti” weiterhin im Kanzleramt vor sich hin dämmern und von “freundlichen Gesichtern” träumen.

Bernhard Freiling / 06.07.2018

“Noch nie war deutsche Politik so unberechenbar, aber auch dermaßen kurzweilig und unterhaltsam.” Auch wenn dieser Satz Wahrheit in sich trägt: Ob ich den wohl als reinen Zynismus interpretieren kann? Diese kurzweilige Unterhaltsamkeit wird uns nicht nur weitere zig Milliarden kosten sondern auch etliche Landsleute mehr (und zwar über die hinaus, die ohnehin schon durch die bereits vorhandenen “Schutzsuchenden vorgemerkt” sind)  die Gesundheit und/oder das Leben. Zu dieser Regierung und deren Possen, zu 75% der Opposition - die ja eigentlich gar keine ist; die, statt ihrer Aufgabe nachzukommen, es sich im Schatten der Regierung so richtig kuschlig gemütlich gemacht hat -  fallen mir nur noch unaussprechliche Unflätigkeiten ein.

Alois Fuchs / 06.07.2018

Ich möchte “das Dritte” noch unterteilen in 3a) CSU macht als Regierungspartei Opposition gegen die Regierung (also quasi gegen sich selbst); 3b) die FDP macht als Oppositionspartei Opposition gegen die Opposition (also gewissermaßen auch gegen sich selbst). Kann man das den “Deutschen Irrsinn” nennen?

Thomas W. Salzmann / 06.07.2018

Kleine Korrektur: Kindergeld wird auf die Sozialleistungen angerechnet. Deren Höhe ändert sich damit nicht. (Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 11.03.2010 /Az. 1 BvR 3163/09) Vielleicht könnte man die Mär vom Sozialhilfeempfänger der vom Kindergeld lebt dann mal beenden.

U. Unger / 06.07.2018

Dank dieser Politik, Herr Broder, werden keine Probleme gelöst sondern geschaffen. Das Hauptproblem dabei, der durch Jahrzehnte hart erarbeitete Wohlstand, sowie das als Sparguthaben aus Bescheidenheit und Vernunft zurückgelegte Vermögen wird verprasst. Die durchgeknallten Altparteien haben sich scheinbar am Cesarenwahn der Anführerin unheilbar angesteckt. Man kann nur hoffen, dass ein Eurocrash bald kommt, bevor auch noch die Anlagevermögen in Europa Konzernen und Personen aus Übersee gehören. Stand jetzt wären alle Guthaben aus Targetsalden weg, Griechenlandpakete und vieles mehr auch. Sobald das Produktivvermögen zu schmelzen beginnt, donnert die Lawine. Es macht sich bemerkbar, dass unsere Politiker, egal was Sie für pseudoemphatische Reden halten, kein nur annäherndes Gefühl für Armut besitzen. Wie auch, wenn schon mikroökonomische Grundbetrachrungen daran scheitern, das die Grundrechenarten nicht mehr beherrscht werden. Es wird nicht sein, dass es weitergeht, auch wenn die sich vertragen. Der Zins ist in der Ökonomie übrigens als Optimismus Parameter nutzbar, Nullzins bedeutet nichts anderes als “no future”, ein früherer Kampfbegriff der 80ger Linkskultur. Er belohnt zudem die Verschwender und schädigt die vernünftigen, planenden Rechtschaffenen. Kein Wunder, dass wir uns alle bei jeder Nachricht von Angela und ihren Narren täglich mental vergewaltigt fühlen.

Wolfgang Kaufmann / 06.07.2018

Ersatzweise attestieren gefühlte 80 Millionen Hobby-Psychologen dem amerikanischen Präsidenten pathologische Unzurechnungsfähigkeit.

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