Chaim Noll / 23.10.2020 / 06:25 / Foto: Pixabay / 143 / Seite ausdrucken

Entsage der Angst!

Der russisch-jüdische Historiker Alexander Nekrich war ein mutiger Mann. 1965 veröffentlichte er in Moskau das Buch 22. Juni 1941, in dem er Stalin für die katastrophalen Niederlagen der sowjetischen Armee zu Kriegsbeginn verantwortlich machte. Die Veröffentlichung markierte Höhepunkt und Ende der sogenannten „Tauwetter-Periode“, einer versuchsweisen Aufarbeitung der Verbrechen und Massenmorde der Stalinzeit. Die Öffnung wurde schnell zurückgenommen, schon 1966 musste sich Nekrich in einem Tribunal im Moskauer Institut für Marxismus-Leninismus für die Thesen seines Buches verantworten, 1967 wurde er aus der Partei ausgeschlossen und gesellschaftlich demontiert. Wenige Jahre später konnte er in die Vereinigten Staaten emigrieren, wo er bis zu seinem Tod in Harvard forschte und lehrte.  

Dort veröffentlichte er neben anderen Büchern seine Autobiographie unter dem Titel Entsage der Angst (Forsake Fear). Der Titel summiert Nekrichs Lebenserfahrung, dass ein freies, kreatives Leben erst möglich ist, wenn wir uns aus der Umklammerung unserer Ängste befreien. Seine These war, dass eine totalitäre Herrschaft so lange funktioniert, wie die unter ihr Lebenden aus Angst mit sich machen lassen, was die Machthaber wollen. Furcht ist das Fundament jeder Diktatur. Es war seine Essenz der am eigenen Leib erfahrenen Gewaltherrschaft des Stalinismus. Aus Angst ließen sich die Menschen ihre Rechte und Freiheiten nehmen, aus Angst schwiegen sie, statt ihre Meinung zu sagen, aus Angst akzeptierten sie noch die absurdeste Willkür eines ihr Leben regulierenden, gewalttätigen Apparats.

Das Gefühl einer bis dahin nie erlebten Panik

Auch wir leben dieser Tage in Angst. Auch unser Leben wird zunehmend von Angst paralysiert und zerstört. Ich behaupte nicht, dass der Covid-19-Erreger nicht existiert, ich leugne nicht, dass die Erkrankung in vielen Fällen bösartig und tödlich verläuft. Ich bin auch nicht ohne beängstigende Erfahrung, was lebensgefährliche Viren betrifft. Im November 2017 infizierte ich mich mit dem Virus der damals umgehenden Grippewelle, binnen weniger Stunden befiel mich eine Art Lähmung, verbunden mit schwerer Atemnot, ich erinnere mich an das Gefühl einer bis dahin nie erlebten Panik. Eine Nacht verbrachte ich sitzend, nach Luft schnappend, bis mich mein Schwiegersohn am folgenden Morgen zur örtlichen Poliklinik fuhr, wo man mich an ein Sauerstoffgerät anschloss. Ich bin damals glimpflich davon gekommen, doch viele Tausende sind im Winter 2017/18 an diesem Virus gestorben.

In Deutschland waren es 25.100 Tote, wie das Robert-Koch-Institut ein Jahr später mitteilte. Zum Vergleich: Bisher sind 9.800 Menschen in Deutschland am Corona-Virus gestorben. Ähnlich die Zahl der Erkrankungen: 182.000 meldete das RKI für die Virus-Grippe 2017/18 in Deutschland, etwa dreimal so viele wie die nach neuesten Miedenberichten 65.000 an Covid-19 Erkrankten. Doch im Winter 2017/18 wurde, trotz mehr als doppelt so hoher Letalität, dreimal so hoher Krankenzahl, keine einzige der bedrückenden, entwürdigenden Maßnahmen verhängt, die heute das öffentliche Leben verkrüppeln. Keine Masken, Mindestabstände, Sperrstunden, Quarantänen, Begegnungs- und Beherbergungsverbote. Was ist diesmal anders? Was ist geschehen, dass Millionen Menschen geduldig, sogar zustimmend hinnehmen, wie ängstliche, dilettantische, machthungrige Politiker und Verwaltungsbeamte vor ihren Augen alle die Rechte und Freiheiten demontieren, die uns bisher unverzichtbar schienen?

Erstens: Das Virus war angeblich bisher unbekannt, es gibt keinen wirksamen Impfstoff. Aber den gab es, genau genommen, auch nicht bei der Virus-Gruppe 2017/18. Es wurde zwar geimpft – auch ich hatte mich impfen lassen –, doch später eingestanden, dass die Impfung weitgehend wirkungslos blieb, da der Impfstoff am Muster früherer Grippe-Viren orientiert war, welches auf das Virus von 2017/18 nicht zutraf. Zweitens: Man hat diesmal erfolgreich Angst verbreitet. Im großen Maßstab, weltweit. Zunächst die WHO mit der Erklärung der Corona-Infektion zur „Pandemie“. Dann – bis auf den heutigen Tag – die regierungstreuen Medien. Ein grandioser Test: Wie weit lässt sich durch tägliches Schüren von Angst eine allgemeine Hinnahmebereitschaft für autoritäre Maßnahmen erreichen? Gibt es so etwas wie Massen-Angst und wie lässt sie sich ausnutzen? Können Millionen Menschen mit einer übertriebenen bis sinnlosen Furcht infiziert werden, die sie zu willfährigen Objekten der Regierenden macht?

Wenn die Angst zur zweiten Natur wird 

Jeder, der in einem totalitäres System gelebt hat, wird antworten: Ja. Wir haben erlebt, was es bedeutet, wenn Angst verinnerlicht wird, wenn sie das tägliche Leben bestimmt, die psychologische Struktur der Menschen, wenn sie, wie es so schön heißt, „zur zweiten Natur wird“. Dann setzt das kritische Denken aus, es entsteht eine Kultur der Unterwerfung, des glücklichen Mitläufertums, man beginnt, um der neuen Übereinstimmung willen, die Wenigen zu hassen, die noch Widerstand leisten, man entfernt sie aus der Öffentlichkeit, man verleumdet sie, macht sie mundtot. Zugleich fördert die Regierung massiv die im Sinn der Regierungspropaganda tätigen Medien, die öffentlich-rechtlichen, auch die unter Auflagenschwund leidenden angeblich freien, man unterstützt sie finanziell und macht sie abhängig: 220 Millionen Euro Steuergelder will die Regierung Merkel nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung in den nächsten Jahren linientreuen Printmedien an finanzieller Unterstützung zukommen lassen, „zur Förderung des Absatzes und der Verbreitung von Abonnementzeitungen“.

Denn die somit staatlich beeinflussten Medien sind von zentraler Bedeutung beim systematischen Infizieren der Staatsbürger mit lähmender Angst. Man ist sich dessen auch bewusst: „Angst ist ein Virus, der sich leicht verbreiten lässt“, erkannte etwa Der Spiegel 2014 anlässlich einer Rezension des Buches „Gesellschaft der Angst“ des deutschen Soziologen Heinz Bude. Ich bin kein „Corona-Leugner“, weit davon entfernt, die Existenz des Virus zu ignorieren und die Opfer, die es gefordert hat. Doch was uns wirklich zerstört, ist ein anderes Virus: die Angst. In ihrem Bann leben wir wie Sklaven und Untertanen, statt als freie Menschen wie bisher. Und ehe wir das Virus Angst nicht überwinden, haben wir auch keine Chance gegen Corona.

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Edward von Roy / 23.10.2020

Die Inszenierung einer Pandemie und die geplanten Massenimpfungen mit gesundheitlich ggf. hochgefährlichen Impfstoffen gegen ein vergleichsweise harmloses Erkältungsvirus sofort stoppen. Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA oder European Medicines Agency ist zuständig für die Arzneimittelzulassung in der Europäischen Union und den EWR-Staaten. Auf Grundlage ihrer Beurteilung erteilt die Europäische Kommission einen zustimmenden oder abschlägigen Bescheid auf den vom Arzneimittelhersteller im zentralisierten Verfahren gestellten Zulassungsantrag. Nun will auch das amerikanische Biotechnologieunternehmen Moderna, dass ihr Impfstoff gegen das relativ harmlose Coronavirus SARS-CoV-2 in der EU zugelassen wird. Mit seinem Antrag auf Marktzulassung im Rahmen des zentralisierten Verfahrens der EMA wird das Unternehmen Moderna beantragen, Impfstoffkandidat mRNA-1273 zuzulassen. COVID-19 Impfstoff. Nach AZD1222 von AstraZeneca und BNT162b2 der Allianz aus BioNTech und Pfizer wäre mRNA-1273 von Moderna der dritte Impfstoff gegen das Coronavirus im EU-Zulassungsprozess. Der Impfstoffkandidat wird derzeit in einer Phase-III-Studie mit 30.000 Teilnehmern in den USA untersucht, 22.000 der Probanden haben ihre zweite Impfung erhalten.

T. Schneegaß / 23.10.2020

@Block Andreas: Warum nicht? Ihr Vorschlag gefällt mir. Was ist die Alternative zu Merkels und Konsorten “Alternativlosigkeit”? Zu warten, bis sie sagen, wir haben uns geirrt, entschuldige Volk? Glauben Sie, dass das gschieht, solange Sie leben? Warten auf einen Impfstoff? Da wird heute schon ganz ungeniert mitgeteilt, dass das noch lange kein Grund sein wird, die “Maßnahmen” zu beenden. Der neue Impfstoff hilft ja dann auch nicht gegen CORINA, CARENA oder denken Sie sich einen Namen aus. Es gibt nur eine Möglichkeit für uns alle, um jemals wieder ein freies Leben jenseits bloßer Existenz führen zu können: zu erkennen, dass es sich bei der “Corona-Plandemie” nicht um ein medizinisches, sondern um ein politisches Problem handelt, und daraus Schlüsse zu ziehen.

Karla Kuhn / 23.10.2020

Herr Andreas Rühl, ich gehe ganz speziell auf Ihren hervorragenden Leserkommentar ein.  ” Und es kann einfach nicht sein, dass ein Herr Söder sich einer Rhetorik bedient, die man nur von Diktatoren kennt, etwa wenn er von der Zahl der “Infizierten” als der “Mutter aller Zahlen” spricht oder von einem “Charaktertest” für das Volk (Hitler im Bunker sinngemäß: Die Deutschen hätten den Charaktertest nicht bestanden und hätten versagt).”  Einer Dritten Reich Rhetorik zu bedienen, weißt für mich ebefallls auf DIKTATORISCHE Züge hin, die Merkel offenbar bereits verinnerlicht hat, kein Wunder, war sie doch eine sehr “LINIENTREUE” Person im Unrechtsstaat. Sie muß sich nicht mal verstellen, denn dort war diese Rhetorik an der Tagesordnung.  Söder ist für mich ein offenes Buch. Erst hat er verkündet, daß er in jedem Fall MP in Bayern bleiben möchte und jetzt, jedenfalls m. M.,  kann er Merkel gar nicht genug zum Munde reden. BRACHIAL und ZÜGEL ANZIEHEN ist doch genau so eine Frechheit !  “Wenn so besonnene Menschen wie Dr. Mayen die Demokratie bei uns in Gefahr sehen, sollten bei jedermann die Alarmglocken läuten.”  Eigentlich sollten die Alarmglocken bei ALLEN schon seit MÄRZ 2020 ganz laut läuten. Ich vermute, Merkel und Co. möchten die sogenannte “KRISE”  (für mich bezieht sich die Krise auf die Menschen, die darunter leiden und auf die WIRTSCHAFT) nutzen für ihre “gigantische Transformation. Mein Vertrauen in die gesamte Altparteienpolitik ist TOT ! Und zwar bereits seit 2005.

Gudrun Dietzel / 23.10.2020

@Michael Hinz, alles richtig, aber selbst bei totaler Überwachung bleibt bestehen: Das Individuum hat es in der Hand, sich vor lauter Angst dem Überwachungsstaat zu beugen oder nicht. Ergo: mit Angst durchs Leben zu rennen oder ohne. Künstliche Intelligenz hin oder her. Danke für den Hinweis auf Yuval Harari.

Angela Seegers / 23.10.2020

Ich wollte was schreiben, lasse es aber, da nach drei Sätzen es mir idiotisch erscheint und nur Ausdruck von Angst wäre (aus lauter Angst zum Rechthaber mutieren). Dem setze ich mich nicht aus. Verunsicherung ja, Nichtwissen in letzter Konsequenz ja. Sokrates ja. „Ich weiß, dass ich nichts weiß“. Geringes Übel in Form von Stillhalten und Regeln akzeptieren. Gut fühlen geht anders. Schönen Tag allerseits.

T. Schneegaß / 23.10.2020

@Helge Lange: Natürlich gibt es keine Corona-Leugner, sowenig wie es Klima-Leugner gibt. Und natürlich gibt es Corona und sogar Klima. Es sind wohlüberlegte Wortschöpfungen, die die Machthaber kreieren, um Andersdenkende zu kriminalisieren, indem man deren Nähe zu Holocaust-Leugnern assoziiert, was bekanntermaßen und richtig ein Straftatbestand ist.

Horst Kruse / 23.10.2020

In vorderster Front der Angstmacher steht natürlich Frau Merkel , die als FDJ - Sekretärin für Agitation und Propaganda von der Pike auf gelernt hat , wie man Angst professionell instrumentalisiert . Merkel forciert nach eigenen Angaben eine ” Große Transformation ” unseres Wirtschafts - und Gesellschaftssystems in Richtung einer Ökodiktatur . Wie alle Machthaber der jüngeren und älteren Geschichte weiss sie natürlich , dass eine angstbesessene Bevölkerung viel leichter steuern und manipulieren kann. Der derzeitige Corona - Hype dürfte nur der Probelauf für weitaus Schlimmeres sein .

Marco Schulz / 23.10.2020

Ich kann in meinem Umfeld keine Angst beobachten, sie findet nur in den offiziellen Medien statt. Dass da Angst ist, ist ein Frame, und ich bin da nicht drin.  Statt über diese Angst zu philosophieren, die “wir” angeblich haben, sollte man eher Fragen stellen. Etwa, wie es sein kann, dass diese Situation weltweit besteht, all die angeblich konkurrierenden Staaten betrifft. Wobei, aus China hört man schon lange nichts mehr! Ich habe noch bizarre Filmchen da, von Menschen die auf offener Straße auf dem Rücken liegen…

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