Nun heißen die jeder Kritik enthobenen Architekten aber nun mal “Jaques und Pierre” und dürften im internationalen Architekturzirkus so etwas wie Narrenfreiheit besitzen. Des Kaisers neue Kleider lassen grüßen. Auf den Spott der Berliner über das Kulturforum („Aldi“, „Bierzelt“) reagiert Herr Herzog im Spiegelinterview leicht verstimmt und verweist auf die „Risse in der Gesellschaft“, den fehlenden Konsens. So, als könne er die Populisten haftbar machen für eine frivole Architektursprache, die wie das Milieu, dem sie entstammt, keine Idee mehr hat vom Sinn des Daseins und sich stattdessen in langweiliger selbstreferentieller Moralschau und semantischen Blödeleien übt.
Lieber Herr Rietzschel, nachdem der Flüchtlingsrat Türkisch statt Englisch in den Grundschulen gelehrt haben möchte, warte ich jetzt auf die Übergabe der Hamburger Konzerthalle an die Ditib.
Bei der Schilderung des Bauwerks und seiner klanglich wirksamen “Eigenarten” fiel mir spontan ein, was bei History-Dokus über Deutschland zwischen 1933 und 1945 bezüglich der in dieser Zeit errichteten Bauten offenbar niemals fehlen darf. Die Bewertung: “Gigantomanisch! Eine düstere, brutale Architektur wie eine Kriegserklärung!” Selbst wenn es sich bloß um eine Autobahntankstelle aus dieser Zeit handelt. Ich stelle mir dann immer vor, was passieren würde, wenn man den Franzosen ihren bescheidenen L´arc de Triomphe derart madig machen würde, den Amis den phallischen (autsch…) Obelisken in Washington, einem Briten das luftige Schlösschen Balmoral oder, oder, oder…. Wahlweise setzt es dann eins auf die Nase oder einen Lachanfall. Crazy Germans! Aber im Zusammenhang mit der Elb-Tingeltangelbude fällt es mir wie Schuppen von den Augen, dass Planung und Machart besten teutschen Traditionen folgen: Vollkommene Selbstüberschätzung zu Lasten der eigenen Bevölkerung. Frei nach Albert Speer und seinem liebsten Mäzen: Giganto-Germanisch!
Ich bin dankbar über den kritischen Bericht. Er bestätigt meine Einschätzung nach meinem ersten und bisher einzigen Besuch der Elfi - nein, das stimmt nicht ganz - ich war noch einmal dort - und zwar habe ich dort im Hause geparkt - besucht habe das gegenüber liegende hervorragende Restaurant. Zurück zur Elfi. Ich bin während der Pause gegangen, weil das gesamte Klangspektrum des Orchesters und des Klaviersolisten nicht bis mir drang. Viel Geld für nichts bezahlt. Mich sieht man dort nicht mehr. Ich warte auf kritische Interpreten, die sich weigern dort ihr Können darzubieten und die Musikhalle bevorzugen.
Hallo, Herr Rietzschel, wenn dem so ist, wie Sie schreiben (keiner meiner Kollegen, die mit Kenntnissen der Raumakustik ausgestattet sind, hat jemals geglaubt, dass das, was akustisch jehrelang mit dem Brustton der Überzeugung prophezeit wurde, auf zwangsläufig eintritt), ist dies nicht so schlimm: Es gibt ja noch die “Musikhalle” (jetzt Laeisz-Halle) genannt. Alles, was zu meiner Zeit (in den Sechziger bis Achtziger Jahren), als ich dort mindestens zweimal die Woche weilte, zuweilen auch auf dem Podium) national und international Rang und Namen hatte, kam mindestens einmal pro Saison nach Hamburg in die “Musikhalle”. Wer weiß? Vielleicht wird wird sie - zumindest auf dem Gebiet der klassischen Musik - bald wieder den Mittelpunkt des Musiklebens bilden. Martha Argerich jedenfalls gab ihre Konzerte auch nach Einweihung der Elbphi bisher nur dort. (Die Akustik der Laeisz-Halle ist übrigens sehr gut, sofern man nicht im zweiten Rang Galerie oder in beiden Rängen an den Seiten hinten sitzt). Allerdings dürfte es die Betreiber der Elbphi nicht weiter stören. Die Touris hasten immer noch wie die Lemminge dorthin, auch wenn nur auf dem Kamm geblasen wird. Wichtig ist doch, dass die Besucherzahlen und das Geld stimmen.
Der NDR machte sich in der Causa gleich zweimal zum Sprachrohr des Intendanten der Elbphilharmonie. Das erste Mal unmittelbar nach dem Kaufmann-Konzert, in dem Stück kann der Intendant ungehindert gegen Zuschauer hetzen. Im zweiten Beitrag beleidigt derselbe Intendant Künstler und Dirigenten als unvermögend, wenn sie mit der Akustik nicht klar kämen. Ein Schelm, der das für Hofberichterstattung hält. Es passt aber ins Bild des aufgeblasenen arroganten Hamburger Kulturbetriebs. Und in das des völlig absurden Geschehens um dieses gegenüber der Planung zehnmal so teuren Bauwerkes.
Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.