Eine monitor-Reportage von der Restle-Rampe zeigt einmal mehr leidende Palästinenser (Kinder!) und bedient das gängige Narrativ von der schlimmen Besatzung als Ursache.
Es gibt in Deutschland viele einseitige, gleichwohl vom moralischen Hochsitz aus gedrehte Nahost-Reportagen, in denen der mediale Beobachter über die „Gewalt auf beiden Seiten“ den Kopf schüttelt. Jetzt gibt es noch eine mehr. Ein neuer monitor-Beitrag von der Restle-Rampe, betitelt „Die Märtyrer-Kinder – Im Herzen des Nahostkonflikts“ (Donnerstagabend um 21.45 Uhr im Ersten, hier in der ARD-Mediathek zu sehen), haut in die sattsam bekannte Kerbe: Eine „ewige Spirale von Gewalt und Gegengewalt“ sei da im Gange. Und wie fast immer wird nur die palästinensische Seite gezeigt, 24 der 26 Minuten zeigen Szenen aus der Stadt Jenin im Westjordanland: „Für das israelische Militär ist sie eine Terrorhochburg, für die Palästinenser hingegen ein Zentrum des Widerstands gegen die israelische Besatzung.“
Und hier haben wir auch schon das Problem: den Elefanten im Raum, den man nicht sehen will. Der historische Hintergrund wird im Film ausgeblendet, nur erwähnt, dass Jenin im Norden des Autonomiegebiets liegt und dass laut UN das Westjordanland „völkerrechtswidrig von Israel besetzt“ werde. Im „Flüchtlingslager“ von Jenin, so heißt es im Begleittext zur Sendung, „leben tausende Palästinenserinnen und Palästinenser, deren Familien vor Jahrzehnten den israelischen Gebietsansprüchen weichen mussten.“ Kurzer Faktencheck: eine irreführende Behauptung, denn die Besetzung der bis dahin von Jordanien annektierten Westbank war eine direkte Folge des Sechstagekriegs im Juni 1967, den Ägypten, Syrien und Jordanien zu verantworten hatten; mit „israelischen Gebietsansprüchen“ hatte das nichts zu tun.
Als Folge des „Friedensprozesses“ von Oslo wurde Dschenin 1996 eine autonome palästinensische Stadt, und damit begann der ganze Schlamassel für seine Bewohner, insbesondere mit der im Herbst 2000 von Yassir Arafat vom Zaun gebrochenen „Al-Aqsa-Intifada“. Aber dass es eben die palästinensische Autonomiebehörde ist, die erst unter Arafat und dann unter Mahmoud Abbas („Abu Mazen“) seit drei Jahrzehnten die Kontrolle über Jenin besitzt, dass jeder Fortschritt im sogenannten „Friedensprozess“ von diesen torpediert wurde und dass die Existenz der „Jenin-Brigade“ und aller anderen Terrororganisationen in der Westbank nur der Fatah-Herrschaft dort zu verdanken sind, muss der Zuschauer ja nicht wissen.
Klar, „die neue, extrem rechte Regierung in Israel“ ist schuld
Es muss reichen, wenn man die Menschen in Jenin besucht, „für die der Nahostkonflikt ein täglicher Kampf ums Überleben ist“. Zwar nicht wegen Israel, sondern wegen der kompromisslosen Palästinenserführung, die nach vor auf einen Staat nicht neben dem, sondern anstelle des jüdischen erpicht ist und dafür eine Generation nach der anderen zum Kanonenfutter heranzüchtet, aber auch das ist kein Thema für die deutschen Journos. Die registrieren schon, dass die palästinensischen Terroranschläge und die dagegen notwendigen Kommandoaktionen der Israelis seit geraumer Zeit zugenommen haben, aber sie sagen es so: „Unter der neuen, extrem rechten Regierung in Israel verschärfen sich die Spannungen noch weiter.“
Denn wenn monitor draufsteht, dann ist auch monitor drin. Die einseitige Momentaufnahme ist das Mittel der Wahl, das Gefühl des Zuschauers wird angesprochen, der Bauch, nicht der Verstand. Restles Team zeigt, wie schlimm die Lage ist, wie vor allem eine Seite darunter leidet, und den Rest wird sich der Medienkonsument schon zusammenreimen, zumal ihm zuverlässig suggeriert wird, wer an der fatalen Situation in Nahost die Schuld trägt:
„Auch während der Dreharbeiten des MONITOR-Teams finden Razzien des israelischen Militärs statt, es kommt zu Ausschreitungen mit palästinensischen Milizen, ein unbeteiligter 14-jähriger Junge wird angeschossen. Das Team wird Zeuge davon, wie er wenig später verstirbt. Es sind solche Fälle, die Wut und Hass unter den Palästinensern immer neu schüren.“
Es geht um Emotionen, immer.
Zwar kann der einzige Israeli, der kurz zu Wort kommt, ein Sprecher der IDF, grundsätzlich bestätigen, dass der Tod von Zivilisten den Hass weiter nährt, auch klarstellen, dass Militäreinsätze gegen Terroristen nun einmal notwendig seien („Sollen wir nichts tun? Sollen wir sie nicht aufhalten?“) und man sich als Zivilist tunlichst von einer Antiterror-Razzia fernhalten sollte, aber das wird umgehend als völlig unmöglich dargestellt, indem man gleich den Fall eines unschuldigen palästinensischen Sportlehrers schildert, der laut seiner Tochter dabei erschossen worden sein soll, als er einen verletzten „Kämpfer“ von der Straße ziehen wollte.
Und wieder schlägt die anekdotische Evidenz – aus recht trüben, jedenfalls einseitigen Quellen – die Ursachenforschung. Es geht um Emotionen, immer. Und zwar auf palästinensischer Seite. Trauer, Bangen, Verzweiflung, Wut – da weiß der Zuschauer gleich, mit welcher Seite er sich identifizieren soll. Da sind allerdings auch noch der Hass und die Racheschwüre, reichlich ekelhaft und ebenso wie die mit ausrangierten Waffen spielenden Kinder und die allgegenwärtigen Poster mit „Märtyrer“-Porträts nicht zu übersehen:
„In den Straßen der Stadt feiern sie die Ermordung israelischer Zivilisten und glauben fest daran, durch den eigenen Tod zu Märtyrern zu werden.“
Das ist der Punkt. Der Schlüssel zum Verständnis des Nahostkonflikts. Die Kultur des Todes, die man in dem seit 30 Jahren von Arafats Leuten und islamistischen Fanatikern beherrschten Gebiet zelebriert: Gut, wenn die Juden getötet werden – und auch gut, wenn es die eigenen Leute erwischt, dann werden sie zu Märtyrern, die man der Welt als Opfer präsentieren kann und den Rachedurst der eigenen Leute anstacheln. Maximale Opferzahlen auf beiden Seiten, das ist das Ziel – bei den Israelis ist es genau umgekehrt. Auf die Reportage oder die Doku, die sich diesem entscheidenden Thema widmet, warten wir seit Jahrzehnten. Und wir werden noch ein paar Jahrzehnte darauf warten müssen, nämlich so lange, wie Machwerke à la „Die Märtyrer-Kinder“ gedreht werden, die wir mit 18,36 Euro im Monat mitfinanzieren müssen, so wie wir die Palästinenser mitfinanzieren, die Kinder zu „Märtyrern“ erziehen. Aber das sind antisemitische Sünden der Gegenwart, die in den Sonntagsreden unseres Bundespräsidenten nicht vorkommen.
Claudio Casula arbeitet als Autor, Redakteur und Lektor bei der Achse des Guten.