Eugen Sorg, Gastautor / 10.10.2020 / 06:00 / Foto: Pixabay / 104 / Seite ausdrucken

Die Demontage der Maskulinität

Wir leben in einem postheroischen Zeitalter, belehren uns seit einiger Zeit Politologen und Soziologen, und man weiss nicht genau, ob sich diese These nüchterner Analyse oder dem Wunschdenken ihrer Autoren verdankt. Gewiss ist allerdings, dass Heldentum in unseren Breitengraden schon länger in Verruf geraten ist. Die Figur des Helden, der Leben und Gesundheit für eine Gemeinschaft oder eine Idee aufs Spiel setzt, gilt im besten Fall als quichotesker Narr, im schlechteren als trüber Fanatiker. 

Mit der Ausrufung des Postheroismus ging eine Demontage der Maskulinität einher. Traditionelle männliche Tugenden wie Risikobereitschaft, Mut, Stoizismus, Abenteuerlust oder Schmerzresistenz wurden von Generationen feministischer Akademikerinnen neu definiert als ideologische Konstrukte einer patriarchalen Machtstrategie, verhöhnt als Verbrämung eines faschistoiden Mentalpanzers. Der kleine Junge, der davon träumt, ein Held zu werden und einen Drachen zu töten, leide in Wirklichkeit an der geschlechtsspezifischen Erbkrankheit „toxische Männlichkeit“ und sei ein Fall für Therapie und Gendernacherziehung.  

Wer stellt sich dem Drachen entgegen?

Doch wer sollte sich nach einer solchen Entgiftungskur, falls erfolgreich, noch dem Drachen entgegenstellen wollen, tauchte dieser tatsächlich auf? Wer hätte noch die Kraft zum Helden? Auf diese Frage haben die Männeroptimierer keine Antwort, obwohl sie sich im realen Leben immer wieder stellt. Zum Beispiel im nordirakischen Mosul im Juni vor sechs Jahren.

Die Stadt am Ufer des Tigris war von den Kriegern des Islamischen Staates (IS) gestürmt worden, ohne auf ernsthaften Widerstand zu stoßen. Die Offiziere der Regierung hatten ihre Truppen im Stich gelassen und sich davon gemacht, die Mehrzahl der Bevölkerung war starr vor Schreck. Dem IS eilte der Ruf der Unbesiegbarkeit und der erbarmungslosen Grausamkeit voraus.

Einer der fast drei Millionen Stadtbewohner war Omar Mohammed, damals 28, seit Kurzem Dozent für Geschichte an der Uni Mosul. Er ist Sunnit, wie die Eroberer der Stadt, aber religiöse Fakultätskollegen hatten seine Auffassungen schon früher als säkular kritisiert. Omar hätte Grund zu fliehen, aber er beschließt zu bleiben. Er will über das Leben unter der Herrschaft des IS berichten. Er will die Wahrheit festhalten – für die Leute in Mosul, für die Außenwelt und für die Zeit nach der Katastrophe. Auf dem Blog, den er einrichtet, gibt er sich den Namen Mosul Eye, (Mosul Auge), als Avatar wählt er die assyrische Schutzgottheit Lamassu, einen geflügelten Stier.

Gierig nach Blut, Geld und Frauen

Es gibt viel zu berichten. Die Gotteskrieger machen sich unverzüglich daran, ihre harte Auslegung des islamischen Gesetzes rigoros durchzusetzen. Als erstes werden Frauen gesteinigt und erschossen, die man der Prostitution beschuldigt. Dann werden Homosexuelle von Hochhäusern geworfen. Die Schiiten werden ausgeraubt und getötet, die Christen ausgeraubt und getötet oder vertrieben, die Jesiden ausgeraubt und getötet und deren Mädchen und Frauen auf öffentlichen Sklavenmärkten verkauft. Der IS ist eine „Tötungsmaschine“, konstatiert Mosul Eye. „Sie sind gierig nach Blut, Geld und Frauen.“ 

Omar zwingt sich, öffentlichen Köpfungen, Kreuzigungen, Amputationen und Auspeitschungen zuzusehen. Er merkt sich Ort, Datum, Strafvorwurf sowie die Namen der Opfer und der Täter. Nicht alle Informationen kann er auf seinem Blog veröffentlichen. Sie könnten Hinweise auf den Informanten liefern. Zum Beispiel auf jenen Spitalarzt, einen alten Freund, der ihm von den oft tödlichen Scheußlichkeiten erzählt, die an jesidischen Mädchen begangen werden.

Omar protokolliert auch die Auslöschung der Geschichte durch den IS, die Sprengung von Museen, Bibliotheken, Denkmälern und Grabstätten, wie derjenigen des Propheten Jona oder Yunus aus dem 8. Jahrhundert, der laut Bibel sowie Koran von einem Wal verschluckt worden war, bevor er nach drei Tagen dank Gottes Gnade lebendig wieder ausgespien wurde.

Dokumentiere alles, vertraue niemandem

Wie im Inneren eines Wals fühlt sich auch Omar, nur dass er als Agnostiker auf keine Erlösung hoffen darf. Er ist komplett alleine auf sich gestellt. Weder seine besten Freunde noch seine Mutter, noch seine zehn Geschwister dürfen wissen, dass er Mosul Eye ist. „Dokumentiere alles, vertraue niemandem“, ist sein Arbeitsprinzip.

Sein Blog ist eine der wenigen unabhängigen Stimmen aus dem abgeschotteten Blutkalifat. Medien aus der ganzen Welt orientieren sich an ihm, die Geheimdienste konsultieren ihn. Und auch der IS liest ihn aufmerksam. Würden sie seiner habhaft, teilt man ihm mit, würde er sich wünschen, so sterben zu dürfen wie der jordanische Pilot. Dieser war vom IS bei lebendigem Leibe in einem Käfig verbrannt worden.

Todesangst ist sein ständiger Begleiter. Um nicht aufzufallen, lässt er Haare und Bart wachsen, tarnt sich mit der Kluft der Religiösen. Er schreibt unter verschiedenen Identitäten, bis er selber nicht mehr weiß, wer er ist. Er halluziniert. Er sieht die Seelen der Hingerichteten durch die Straßen irren, auf der vergeblichen Suche nach ihren verstümmelten Körpern. Er schwankt zwischen Auflehnung und Verzweiflung. Aber er gibt nicht auf.

Beweise für die Existenz der Hölle

Nach zwei Jahren lässt er sich aus Mosul schmuggeln. Im Gepäck ein Terabyte gespeicherte Daten, der Beweis für die Existenz der Hölle. Omar führt den Kampf von der Türkei aus weiter. Der Blog bedeutet für viele Leute in Mosul die Hoffnung auf ein besseres, menschlicheres Leben. 

Im Sommer 2017 wird Mosul befreit. Omar Mohammed, der mittlerweile Asyl in Europa bekommen hat, gibt sich als Mann hinter Mosul Eye zu erkennen. Er hat den Kampf mit dem Drachen aufgenommen und diesen unter Einsatz seines Lebens besiegt. Mit Zähigkeit, Kühnheit, Selbstkontrolle, Leidensbereitschaft, mit den Tugenden eines Helden.

Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche

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Marlis Eschenbach / 10.10.2020

@HaJo Wolf, es ist immer wieder erfrischend, Ihre klugen Beiträge zu studieren. Diesmal importierte mich besonders Ihr letzter Satz. „Hinfort mit Gesindel“. Hat das nicht so oder so ähnlich auch schon ein berühmter Arzt gefordert, der leider 1945 nach Südamerika emigrierte?

Kenan Meyer / 10.10.2020

Diese Weiber sind in der Regel so extrem häßlich und oft auch verfettet, daß selbst den härtesten ISIS-Kämpfer das Grauen packen und er auf der Stelle die Flucht ergreifen würde. Kein Wunder , daß die Tussen bei diesem krassen Evolutionsnachteil psychisch massiv gestört sind. Aber statt das einzig Sinnvolle zu tun und sich in psychiatrische Behandlung zu begeben, wollen sie, daß andere mitleiden und projizieren daher ihren Müll nach außen.

Ilona Grimm / 10.10.2020

All die zum Kotzen „tapferen“ akademischen Feministinnen ziehen sich derweil in ihre komfortabel ausgestatteten „safe spaces“ zurück, die es ohne Männerarbeit auch nicht gäbe. Alle jemals erfundenen Tapferkeitsmedaillen und Orden (mit Ausnahme des besudelten BVK) gebühren dem heldenhaften Omar Mohammed. Danke für soviel Einsatz trotz ständiger Angst und Bedrohung. Ich bete für ihn, dass er in Europa wirklich sicher und unbehelligt leben kann und darf.—//—Es lebe die toxische (u.U. lebensrettende) Männlichkeit! Ich bekenne mich zum “Maskulinismus”...

Werner Pfetzing / 10.10.2020

Nun diese toxische Männlichkeit wird von den Feministinnen nur bei den einheimischen weißen(!) Männern verteufelt. Bei den zugewanderten Jungmännern aus dem Nahen Osten und Afrika wird sie hingegen positiv als authentisches Verhalten mit Sex-Appeal begrüsst !

Dr. Roland Mock / 10.10.2020

@Heribert: Ihre Beschreibung der Jüngelchen, samt zugehöriger Tussen mit Klatsche, beschreibt die Loser, die heute durch den Kiez der Metropolen schlürfen, am besten. Und was die Erfindung der „toxischen Männlichkeit“ betrifft: Die von Koks und Müsli ver“toxte“ und folglich schwerst verblödete Armada von „Politologen“, Psychologen, „Kulturwissenschaftlern“, „Gender studies“-Spezialisten und sonstigen Scharlatanen will doch auch von was leben.

E Ekat / 10.10.2020

happy wife, happy life, Darunter jene, die halbwegs zufrieden in sich ruhen und jene, die ihre unstete Unzufriedenheit übertüncht haben wollen durch einen Mann. Bei welcher Art von Mann werden sie ihre Unzufriedenheit abladen, ausleben müssen: sind das starke Männer? oder doch eher jene, die ihrem Triebinventar unterworfen nun Männchen machen müssen. Entweder mit einer richtigen, oder ohne Frau. 

Rainer D. Kettenring / 10.10.2020

Die toxische Männlichkeit – wow. Auf den Schwachsinn muss man erst mal kommen. Da hilft kein Therapeut mehr. Ich bin davon überzeugt, dass u.a. in der Kölner Silvesternacht 2015, 99,99% aller Frauen auf der Domplatte, nur einen Gedanken hatten: Wäre doch jetzt der Habeck hier. Dann würde ich zwar immer noch begrabscht und …., aber der könnte mir morgen früh wenigstens die Wäsche zusammen legen.

Hermann Sommer / 10.10.2020

@Yvonne Flückiger: “Der IS mit seinen brutalen Scheusslichkeiten, den Morden, Vergewaltigungen, Folterungen und Steinigungen begangen an Frauen und Schwächeren beweist, dass es durchaus absolut toxische Männlichkeit gibt.” - Genau das Gegenteil ist der Fall! Wer sind die “Männer” des IS? Lumpen, arbeitsscheues Gesindel, Loser, die in dieser Welt absolut nichts auf die Reihe kriegen, die ihr Tun -weil fehlende Eier- auch noch durch eine absolut sinnfreie Religionstheorie rechtfertigen müssen, kurz gesagt Müll auf zwei Beinen. Der IS-Abfall tritt die hier im Artikel beschriebenen Männlichkeitsattribute mit Füßen. Dem Sunniten mit dem Pseudonym ist der Titel “Held” -ohne Wenn und Aber- unzweifelhaft zuzuerkennen, auch wenn ich jede Art von Religion hochgradigst verabscheue!

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