Eugen Sorg, Gastautor / 16.08.2020 / 16:00 / Foto: Pixabay / 69 / Seite ausdrucken

Weiß-Sein als Schuld und Krankheit

In Amerika findet eine Kulturrevolution von oben statt. Die lange nur von linksesoterischen akademischen Zirkeln in unlesbaren Büchern vertretene Idee, dass die multiethnische und multireligiöse amerikanische Demokratie in Wirklichkeit von einem gewalttätigen und allumfassenden weißen Rassismus dominiert werde, setzte sich erstaunlicherweise an den meisten Universitäten, in den großen traditionellen Medien und in der Unterhaltungsindustrie durch. 

Wissenschaftler, Journalisten, Regisseure verwandeln sich in Aktivisten, denen der Kampf für die gute Sache wichtiger ist als die bewährten Kodexe ihrer Profession, und die ihre einwandfreie Moral und Gesinnung unter Beweis stellen, indem sie die dummgefährlichen Einstellungen ihrer bedauernswert minderbemittelten weißen Mitbürger verurteilen und verlachen. Die Geschichte als sinngebende Erzählung der nationalen Identität wird umgeschrieben. Nicht mehr die Unabhängigkeitserklärung von 1776 und die Befreiung von der Kolonialmacht England markieren die Geburtsstunde der Nation, sondern die Ankunft des ersten Sklavenschiffes im Jahre 1619. 

Stolz ist verboten

Die Vergangenheit ist toxisch, keinem Kind soll in der Schule gelehrt werden, stolz zu sein auf die Taten seiner Vorfahren. Symbole und Statuen aus der alten Zeit werden dem Mob zur Zerstörung freigegeben, Bücher und Filme auf den Index gesetzt, die Sprache laufend bereinigt; und wer auch nur leises Unbehagen an diesem totalitären Furor zu erkennen gibt, riskiert, von einem Twittergericht als Rassist gebrandmarkt zu werden und sein Ansehen und seine wirtschaftliche Existenz zu verlieren. Ob Mondlandung, Wohlstand, Glühbirne, Befreiung Europas von Hitler: Alle zivilisatorischen Leistungen des Landes haben keinen Wert. Denn sie sind besudelt vom Stigma der Erbsünde: die ungebrochene Herrschaft der Weißen über die schwarzen Nachkommen der Sklaven.

Das 2016 neben dem Weißen Haus in Washington eröffnete erste National Museum of African American History and Culture empfing die Besucher bis vor kurzem mit einem „Guide to Whiteness“ („Einführung in das Weiß-Sein“). Die Schaugrafik führt die nach Meinung ihrer antirassistischen Autoren wichtigsten Merkmale der „weißen dominanten Kultur“ Amerikas auf.

Höflichkeit ist Rassismus

Dies sind unter anderem: „Individuum steht im Mittelpunkt“, „Betonung der wissenschaftlichen Methode“, „objektives, rational lineares Denken“, „strenge Termintreue“, „Höflichkeit“, „schriftliche Tradition“, „Selbstständigkeit“, „Steak und Kartoffeln“, „zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen“ und, bezogen auf die Rechtsprechung, „die Absicht zählt“ und „Schutz des Eigentums“.     

Die Verknüpfung von „wissenschaftlicher Methode“ oder „Höflichkeit“ mit weißem Rassismus ist groteske intellektuelle Quacksalberei und könnte als Parodie plumper ethnischer Stereotypen missverstanden werden. Doch den Kuratoren stand der Sinn nicht nach Satire und Humor. Sie meinten es ernst und machten gerade dadurch klar, was das Neuwort „whiteness“ wirklich bedeutet.

Mit Weiß-Sein wird nicht eine Hautfarbe bezeichnet, sondern ein Zustand zwischen Krankheit und Schuld. Weiß-Sein ist die Matrix alles Bösen. Die Antirassisten lassen jene dunkle Zeit wieder aufleben, als ein Mensch nicht nach seinem Charakter, sondern nach seiner angeborenen Hautpigmentierung beurteilt wurde. Nur die Farben sind ausgetauscht worden. Und kein einziger der unzähligen Gleichheits- und Diversitätsbeaufragten an den Hochschulen des Landes hatte gegen den unwürdigen Auftritt des Museums protestiert.     

Die Umerziehung kennt kein Ende

Kulturrevolutionen neigen zur Radikalisierung und zur Paranoia. Ihr Feind sind die überlieferten Werte und Einstellungen, doch diese sind schwer greifbar. Sie leben in den Köpfen der Menschen, in ihren Gedanken, Phantasien, in ihrer Sprache. Kaum wird eine Ketzerei entlarvt, wird bereits wieder die nächste enttarnt. Die Umerziehung kommt zu keinem Ende. Will die Kulturrevolution den Feind ganz besiegen, muss sie die Menschen psychologisch unterwerfen, muss sie deren Bewusstsein und Ängste kontrollieren.

Eine Kostprobe lieferte die Vier-Millionen-Stadt Seattle. Das Amt für Bürgerrechte führte letzten Juni eine Weiterbildung durch. Thema: „Unterbrechen der internalisierten rassischen Überlegenheit und des Weiß-Seins“. Eingeladen waren nur „weiße Stadtangestellte“. Die Anwesenden lernten unter anderem, dass sie als Weiße unfähig zur „Menschlichkeit“ seien und deswegen schwarzen Menschen „Leid und Gewalt“ antun würden. Sie wurden ermuntert, ihre rassistische Komplizenschaft als Weiße anzuerkennen, ihr „weißes normatives Verhalten“, ihren „Individualismus“, „Perfektionismus“ und ihre „Objektivität“ wie überhaupt ihr „Weiß-Sein“ aufzugeben.

Seattles Fortbildung ist Teil einer Milliardenindustrie. Die meisten US-Konzerne und Verwaltungen bieten mittlerweile „Diversitäts- und Inklusionstraining“ an. Bücher wie „White Fragility“ (geschrieben von einer Weißen), die eine weiße Identität als per se pathologisch-rassistisch diagnostizieren und weiße Selbstauflösung predigen, finden ein (hauptsächlich weißes) Millionenpublikum. Die Umwertung aller Werte ist im Gange. Die Kulturrevolution schreitet voran. 

Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche        

Foto: Pixabay

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Leserpost

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giesemann gerhard / 16.08.2020

Chinesen und Japaner bezeichnen sich selbst als weiß, die Europäer sind in ihren Augen eher rot. Japanerinnen sind alabasterweiß, ganz süß.

Michael Koch / 16.08.2020

Tja. Ich bin weiß, stolz und ungezogen. Was kann man degegen tun? - Gar nichts!

Robert Jankowski / 16.08.2020

@von Kullmann: Ja, einige Neu-Revolutionäre scheinen geradezu geil zu sein auf Asphyxia. Aber mal ernsthaft: wenn „objektives, rational lineares Denken“, „strenge Termintreue“, „Höflichkeit“, „schriftliche Tradition“ Kennzeichen eines weißen Rassismus sind, was ist dann das Gegenteil davon und ist es automatisch gut, wenn man “dumm und irrational” ist, Termine einem scheißegal sind? Man sich aufführt, wie ein respektloses Arschloch das nicht einmal imstande ist zu schreiben? Das soll dann automatisch gut und unweiß sein? Ok, dann ist das Tribesystem der Afrikaner und die Dummhaltung von Menschenmassen durch Religionen oder Systeme also eine gute Sache? Was für ein Schwachsinn. Achja, ich vergass: Schwachsinn ist ja das neue “gut”!

Angelika Meier / 16.08.2020

Was ich interessant fände: Gab es in der Geschichte schon einmal so ein Phänomen? Es ist ja nicht auf die USA beschränkt, sondern umfasst, soweit ich weiß, fast alle westlichen Staaten. Mir ist so etwas in der Geschichte nicht bekannt. Wenn jemand ein Beispiel kennt, wäre ich für eine Nennung sehr dankbar.

toni Keller / 16.08.2020

Die Sache ist halt auch die, dass die Leute das mitmachen. Mir ist von keinem Teilnehmer einer solchen Umerziehungsmaßnahme bekannt, dass er der/die/das Vortragix einfach ausgelacht hat. So langsam kommt das Problem ja auch in Deutschland an, und alle machen brav mit! Keiner riskiert seinen Job, indem er weiter “Liebe Mitarbeiter” schreibt keiner ist stolz auf dieses Land und seine Menschen, alle machen mit, wenn man wieder geschimpft wird. Wenn man anfängt Drachen zu füttern dann wollen sie immer mehr. Und es soll doch keiner glauben dass es den Aktivisten um die Nächstenliebe ginge, nein die wollen selber an die Fleischtröge der Macht und machen dazu das, was sie den derzeitigen Nocheliten vorwerfen,  Sie instrumentalisieren die Menschen! Leider sind viele der Aktivisten Frauen und manchmal frage ich mich, ob die nicht besser Kinder gekriegt und Strümpfe gestrickt hätten? Irgendwas läuft da verkehrt!

toni Keller / 16.08.2020

nun ja, da die Weißen ja die Minderheit aller Menschen stellen und sowieso am fleißigsten verhüten und abtreiben, dürfte sich das Problem doch langsam aber sicher von selber lösen. Ich frage mich ja immer, da diese Denkart auch hierzulande immer mehr Anhänger gewinnt, warum nur all diese nichweißen Leute unbedingt hierher zu den bösen, bösen Rassisten wollen und sich mit Händen und Füßen wehren wieder von den bösen, bösen Rassisten weg in ihre Heimatländer geflogen zu werden. Manchmal allerdings beschleicht mich der Verdacht die Vorreiterinnen dieser absurden, von Selbsthass stoßende Ideen, sind frustrierte Leute die einfach darunter leiden keine realen Probleme zu haben, Im Grunde steckt, meines Erachtens, hinter vielem Irrsinn der Hilfeschrei überforderter Frauen in Quotenpositionen die ihnen drei Nummern zu groß sind. Das zuzugeben erfordert viel Mut und auch viel Demut, dazu ist man aber nicht fähig, also hofft man und das ist ein uraltes, europäisches Motiv, dass der Unbekannte einem aus der Patsche hilft.

Roland Stolla-Besta / 16.08.2020

Ja, da ist doch etwas dran, ich als Weißer, dazu noch Alter und Mann, fühle mich zutiefst schuldig an allem Elend auf dieser Welt, vor allem gegenüber den Afro-Afrikanern, vonwegen Kolonien und so. Wie kann ich Buße tun? Ich habe mir überlegt, ob ich mich aus Solidarität und Selbstverleugnung schwarz kolorieren soll („Ich laß mir meinen Körper schwarz bepinseln, schwarz bepinseln, und fahre damit auf die Fidschi-Inseln, Fidschi-Inseln. Dort ist noch alles paradiesisch neu. Ach wie ich mich freu…“). Aber das wäre ja irgendwie auch rassistisch. Ich könnte mich alternativ bei diesem trockenen Sommer täglich 24 Stunde lang der Sonne aussetzen, aber ich fürchte, damit wäre ich auch noch nicht entsühnt, denn statt einer Schwarz- wäre ich eine Rothaut. Aber als einstiger Winnetou-Fan….? Tut mir leid, ich kann diesen hirnrissigen Zirkus nur noch mit Sarkasmus ertragen.

Michael Hufnagel / 16.08.2020

Ich bin weiß. Ich hatte und habe kein Problem damit und werde nie eines damit haben. Den Umerziehern und anderen Kulturmarxisten schleudere ich mit Wonne den Götz von Berlichingen entgegen!

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