Der Testamentsvollstrecker

Als der frisch zum Bundeskanzler gewählte Olaf Scholz im öffentlich-rechtlichen Medienschein unter dem Titel „Farbe bekennen“ den wohlvorbereiteten Fragen der Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios, Tina Hassel, antwortete, wurde nach Meinung aller eines deutlich: Bereits im Stil zeigt der neue Kanzler Kontinuität und knüpft an seine Vorgängerin an.

Denn obschon er sein Politik-Projekt, getragen von der „Ampel-Koalition“, dem Fortschritt geweiht hat, vermisste der Zuschauer jene Leidenschaft, die zu einem Vorhaben dieser Größe wohl unweigerlich gehört. Dagegen setzt der neue Bundeskanzler die Kombination aus Computer und Kühlschrank, wie wir sie von Angela Merkel 16 Jahre lang erfahren haben, fort. Scholz – oder, wie ihn seine Genossen, insbesondere jene Alterskameraden, die ihn seit ihrer gemeinsamen Kampfzeit bei den Jungsozialisten nennen der „Scholzomat“ – verbiegt zwar nicht immer die Hände zur Raute, aber redet genauso inhalts- und leidenschaftslos wie seine Vorgängerin, wenngleich in syntaktischer Hinsicht ein wenig eleganter.

Der dünne Firnis des Machtwillens

Er, der in seiner Partei bei der Bewerbung um das Spitzenamt abgemeiert worden war, vermochte diesen Rückschlag eiskalt wegzustecken, um sodann als einzig präsentabler SPD-Kanzlerkandidat mit gekonnten Jabs Armin Laschet, den rheinischen Bajazzo, im Wahlkampf auszuknocken. Nun ist Scholz, der Gewinner des Jahres 2021, auf dem Gipfel der Macht angelangt. Doch sogleich zeigen sich in seiner Bundesregierung erste Fissuren. Unter dem dünnen Firnis des Machtwillens von 40-jährigen Jungstars – dem Tandem Habeck und Baerbock sowie Lindner und Buschmann – verbergen sich tiefe persönliche wie politische Differenzen, die alsbald aufbrechen dürften.

Die außenpolitische Erfahrung von Frau Baerbock berechtigt bereits jetzt das Ausland dazu, über die Chefin der deutschen Diplomatie die Nase zu rümpfen, um nicht lauthals zu lachen. Wenn sie auf Pressekonferenzen Englisch spricht, denkt man, eine mittelmäßige Oberstufenschülerin vor sich zu haben. Davon abgesehen:

Wie soll der unausgesprochene Dissens über die Nordstream-2-Pipeline, genauso wie die Ukraine-Politik Deutschlands, zwischen den Koalitionspartnern einvernehmlich gelöst werden?

Wie werden sich die Ampelparteien gegenüber dem Vorschlag unseres „Erbfreundes“ Frankreich positionieren, der bei der EU-Kommission die Förderung von Atomenergie als „nachhaltig“ durchgesetzt hat. Dies trifft die Grünen doppelt ins Mark. Zum einen wegen ihrer Fundamental-Ablehnung von AKWs, zum anderen, weil ihnen Präsident Macron vor Augen führt, wer im Brüsseler Europa-Komplott das Sagen hat und dass die EU vor allem dem Zweck dient, französische Interessen zu finanzieren.   

Ausgetriebenes Souveränitätsbewusstsein

Schnell wird sich zeigen, dass Deutschland ein Land ohne jegliche Strategie ist. Ein Land, in dem die Eliten – oder die, die sich dafür halten – erst spät darüber zum Bewusstsein gelangen, dass sie unterschiedliche Ziele schon deshalb verfolgen, weil sie sich über die strategische Lage des Landes gar nicht im Klaren sind.

In 16 Jahren Merkel hat man den Deutschen das Souveränitätsbewusstsein weitgehend ausgetrieben. Die Langzeit-Kanzlerin vermied Themen der Außen- und Militärpolitik, wohl wissend, dass die Deutschen sich dafür nicht interessierten. Zu lange hatte man es ihnen abgewöhnt. Es könnte sein, dass angesichts beängstigender Inflationsprognosen, anhaltender Pandemie sowie gesteigerter Verschuldungsbereitschaft und außenpolitischer Gefahrenlagen die Widersprüche in der deutschen Gesellschaft nicht länger mit Merkel-Rhetorik à la Scholz geglättet werden könnten.

Doch vorerst versucht sich Scholz mit der Fortführung des seichten Diskurses. Unlängst durften die Bundesbürger bei der Verlesung seiner Neujahrsansprache hiervon eine Kostprobe erhalten. Wie schon seine Vorgängerin wurde an den Zusammenhalt appelliert, menschlicher Respekt angemahnt und der Wille zur Überwindung der Pandemie bekräftigt. Diese Schallplatte kennen die Deutschen nun schon seit Jahren. Diesem Diskurs fehlt jegliche für große politische Würfe erforderliche Form. Er ist vielmehr eine Schlaftablette: Die Deutschen – ein ohnehin gehorsames Volk – sollen weiter der Obrigkeit folgen. Ob das einig Volk folgt, wenn es um die Einführung der Impfpflicht geht, werden wir sehen. Vielleicht wird dann angesichts der begrenzten Schutzwirkung aller Vakzine jäh jener revolutionäre Elan in der deutschen Gesellschaft hervorbrechen, den das deutsche Volk anscheinend seit langer Zeit begraben hat.

Von Hermann Hesse wissen wir, dass jedem Anfang ein Zauber innewohne. Indes sieht sich der Merkel-Nachfolger seiner Vorgängerin verpflichtet. Von Zauber keine Rede. Die von ihm und seiner Vorgängerin entfesselten Fliehkräfte sollen unter den Tisch geredet werden. Das kann nicht lange gut gehen für den ehemaligen Stamokap-Juso Olaf Scholz. Jedenfalls hat die Entzauberung des Fortschrittskanzlers bereits begonnen.

 

Dr. jur. Markus C. Kerber ist Professor für Finanzwissenschaft und Wirtschaftspolitik an der Technischen Universität Berlin und Gründer von www.europolis-online.org,

Foto: Illustration Wladyslaw Samel nach Quinten Massys/Die hässliche Herzogin

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Leserpost

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Sabine Schönfelder / 05.01.2022

Wieder einmal ein Artikel, der vom EIGENTLICHEN THEMA ablenkt. Um es in einem Bild darzustellen: Sie regen sich darüber auf, daß Toaster und Waschmaschine nicht funktionieren, der Herd nur mit halber Kraft läuft, die passenden Handwerker inkompetent sind. VERSCHWEIGEN aber, daß diese Mangelsituation, ebenso wie unterbrochene Lieferketten, was i m m e r den Mittelstand betrifft aber NIE Amazon oder Tesla,  ganz b e w u ß t geplant ist, zum politischen Umbruch in eine Diktatur. Sie VERSCHWEIGEN, daß Globalisten mittlerweile die Staatenführer lenken. Sie VERSCHWEIGEN eine angekündigte 3 ! monatliche Impfpflicht beginnend in Österreich, einen Macron, der in einem angeblich demokratischen Land lustvoll die Schikane für Ungeimpfte ankündigt. Sie VERSCHWEIGEN, daß Scholz in jeder Beziehung, besonders juristisch unter rechtsstaatlichen Prinzipien, untragbar und eine billige Marionette unter globalem Einfluß ist. Gelenkt, mit REGIEANWEISUNG. Notfalls „rautet“ das Globalisten-Liebchen aus dem Margot-Honecker-Büro dazwischen. Nächster Schritt wird die Enteignung und Gleichschaltung unserer Vermögen sein. Über SAG, das Sanierungs- und Abwicklungsgesetzt. Ihre Domäne. 2015 zur legalen Enteignung heimlich im Bundestag mit schwer zu dechiffrierenden 176§§ verabschiedet. Ihre oberflächlichen Beobachtungen der Handlanger sind nur Symptome, Ablenkung, Beschwichtigung. Eine Spielfläche für „kritische“ Kommentargeister. Besänftigung für die „bürgerlich- aufgebrachte“ Fraktion. Für Giesemänner zwischen Hugh Hefner, Kinderehen und Impfzwangrelativierung. Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf. Wer auch noch Sedativa verteilt, macht sich mitschuldig.

S.Buch / 05.01.2022

„Diesem Diskurs fehlt jegliche für große politische Würfe erforderliche Form. Er ist vielmehr eine Schlaftablette: …“ ––> Der Diskurs, falls man diesen Begriff überhaupt auf die linksgrüne Politik anwenden mag, ist eben ganz auf die Demographie abgestimmt. Das sollte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die großen Würfe im Hintergrund trotzdem durchgezogen werden. Stichwort „Transformationen von gigantischem historischem Ausmaß“.

B. Dietrich / 05.01.2022

Da ja unsere Bundeswehr bekanntlich zu fast nix mehr zu gebrauchen ist, ist es vielleicht an der Zeit, an ein paar verbliebene, moralisch integre Befehlshaber, welche noch unter dem Siegel des “Staatsbürgers in Uniform” sozialisiert wurden zu appelieren, sich mal über die Bedrohung unseres Staates von Innen Gedanken zu machen. Womöglich reichen die Restbestände militärischer Werkzeuge wenigstens noch, darauf hin zu wirken, eine Rückkehr zum demokratischen Gemeinwesen argumentativ zu begleiten. Nur mal so als Gedankenspiel (...und das von einem “Kriegsdienstverweigerer!) – wenn eh nur noch die Alternative zwischen Pest und Cholera besteht.

Fridolin Kiesewetter / 05.01.2022

... und so ganz nebenbei teilt er uns mit, daß die deutsche Wirtschaft den größten Umbau der letzten 100 Jahre erleben wird. (Wir erinnern uns: Hyperinflation der 20er Jahre, Sozialisierung und Kriegswirtschaft der 30er Jahre, Währungsreform, Wiederaufbau und Einführung der soz. Marktwirtschaft, Wirtschaftswunder der 50er und 60er Jahre ... alles nichts gegen das, was Scholz vorhat?) Dürfte man vielleicht Näheres erfahren, oder soll es eine Überraschung sein?

j. heini / 05.01.2022

“zum anderen, weil ihnen Präsident Macron vor Augen führt, wer im Brüsseler Europa-Komplott das Sagen hat und dass die EU vor allem dem Zweck dient, französische Interessen zu finanzieren.” Sich selbst durch eigene Entscheidungen ins Abseits schießen und dann jammern, dass die Vernunft, die Realität siegt und “Frankreich” das Sagen hat.

Werner Arning / 05.01.2022

Deutsche Politiker sind der Ansicht, nach außen nett und großzügig und dazu noch grün und „weltoffen“ zu sein, würde bereits ein politisches Konzept darstellen. Das tut es jedoch nur in Augen der Deutschen. Die Anderen verstehen unter Außenpolitik, ihre eigenen Interessen nach (und gegen) außen zu vertreten. Politik und vor allem auch Außenpolitik ist kein Kindergeburtstag, auf welchem alle miteinander Ringelrein tanzen und der, der das größte Geschenk mitbringt, von allen dafür fortan dankbar geliebt wird. Wer gerne für die Anderen bezahlt, ist gern gesehener Gast, aber man nimmt diesen Gast meist nicht so ganz ernst. Man wundert sich eher über ihn. Findet ihn etwas eigenartig. Lässt ihn nur so lange gewähren, wie die eigenen Interessen nicht gefährdet werden. Ist dieses jedoch der Fall, ist schnell Schluss mit Lustig. Der deutsche Gast meint, wenn er nur „gut“ genug ist, dann werden die Anderen auch gut sein und sie werden ihm folgen. Sich ein Beispiel an ihm nehmen. Seine Großherzigkeit nachahmen wollen. Er merkt nicht, dass die Anderen untereinander lachen und tuscheln. Sie befrieden den deutschen Gast mit schönen Worten, finden alles „ganz vorbildlich“, was er unternimmt und weisen auf ihre knappe Kasse hin, die, bitte schön, nach Auffüllung verlangt. Und wenn der deutsche Gast etwa auf Polen oder Ungarn schimpft, dann pflichten sie ihm eiligst bei. Ja, ja, ganz böse diese Schmuddelkinder. Und bemühen sich genauso schnell um einen Termin mit eben diesen. Mal sehen, ob wir nicht anstelle der Deutschen ein gutes Geschäft eintüten können. Mit den Schmuddelkindern. Aber natürlich, ganz böse sind die. Ganz böse … Wir vertreten unsere Interessen, ihr vertretet derweil hehre Ziele. Wir sichern unsere Zukunft ab, ihr rettet derweil die Welt. Jeder das, was er für als wichtig betrachtet.

Albert Pelka / 05.01.2022

Was seinen taktisch gezielten Sprachzerfall (bis weit unterhalb jeder Sinnbefreitheit) betrifft, ist der Schulzomat jetzt schon so fortgeschritten wie Mutti das etwa im Spätsommer 2015 mit ihrem “Wir schaffen das!”-Lustraunen und ihrem Umvolkungs-Staatstreicheln an den Längerschonhierlebenden war: Ja kein Bisschen dem Volkeslümmel einen Einblick in die Macht- und Übertölpelungsstrategeme der Herrschereliten gewähren, ja sich nicht verplappern, in Richtung Wahrhaftiges oder auch nur eines Ehrlichgemeinten, Gott bewahre, und immer nach der Devise “Ach wie gut dass niemand weiß, dass mein Stielzchen Rumpel heißt”. Wandelnde Lügen sind eigentlich noch ein Dreck dagegen.

Sirius Bellt / 05.01.2022

In Abwandlung an das Zitat von Hendryk Broder: “Er war nicht sehr begabt, aber wollte trotzdem etwas werden. Deshalb beschloss er, das Volk mit seiner Kanzlerschaft zu beglücken.”

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