Dirk Maxeiner / 31.12.2017 / 06:25 / Foto: U.S.NARA / 55 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer:  Das ultimative Tischfeuerwerk

Zum Glück sind die diversen Jahresend-Festivitäten heil überstanden. Halbwegs. Die Zahl der Einladungen zu Weihnachtsfeiern und dergleichen wird in meinem Fall ohnehin von Jahr zu Jahr überschaubarer. Diverse Freunde und Bekannte, die mich früher als durchaus unhaltsamen Tischnachbarn schätzten, sind inzwischen der Meinung, dass ich in freier Wildbahn, respektive an ihrer Fest-Tafel, eine Gefahr für den Weltfrieden darstelle.

Selbst milde Witze oder ironische Spitzen hatten in den vergangenen Jahren immer wieder zu Verstimmungen geführt. So brachte meine Bemerkung „Der Islam hat nichts mit dem Islam zu tun“ einen gutmeinenden Tischnachbarn derart gegen mich auf, dass er dem Gastgeber für die nächste Feier ein einleuchtendes Ultimatum stellte: „Der oder ich“.

Nun gibt es ganz alte Freunde oder auch klammheimliche Sympathisanten, die mich trotzdem einladen. Allerdings achten auch sie darauf, dass ich die reine Unschuld der Gäste nicht kontaminiere und lenken die Geschicke mit einer festgelegten Sitzordnung. Jedenfalls fand ich mich auf einer großen Feier an einem Tisch, an dem rein zufällig auch Leute saßen, die wie Thilo Sarrazin und Henryk Broder aussahen. Um den Tisch herum schien so eine Art mentaler Todesstreifen installiert worden zu sein, jedenfalls hielten die anderen Gäste einen ausreichenden Sicherheitsabstand (halbe Tachoanzeige in Metern).

Als rücksichtvoller Gast will man dem Gastgeber natürlich keine Schande machen. Das gilt besonders, wenn es sich beim Gastgeber um meine Frau handelt und ein paar Freunde (Computerbranche, Öffentlicher Dienst, Bank) zu uns nach hause eingeladen sind. Deshalb hatten sich alle Beteiligten um des lieben Friedens willen in stiller Übereinkunft entschlossen, ein bestimmtes Thema nicht anzusprechen: Die Flüchtlingsfrage. Sie schwebte wie ein Damoklesschwert über dem Rotwein (Chianti 2016, Lidl). Da alle voneinander ahnen, wie und was sie denken, und mitunter auch gegenseitig Grundsatztexte wie Wurfgeschosse in der Mailbox einschlagen, wurde strikte Politik-Enthaltsamkeit verordnet.

Die Konversation wurde doch ein wenig zäh

Das Essen ging eigentlich sehr harmonisch los. Rote Beete Suppe mit Quarknocken. Auch das Gespräch verlief in einträchtigen Bahnen: „Die Restaurantpreise sind überzogen, eine stinknormale Pizza für 10.50 Euro!“ – „Unser Sohn lässt grüßen“ – „Unserer auch!“ – „Ferien in Deutschland sind auch schön“. Der ehrliche Wille, den Abend nicht zu versauen, ließ uns mit größter Begeisterung über jeden Blödsinn parlieren. Dann wurde die Konversation doch ein wenig zäh, bis plötzlich alle schwiegen. Wie peinlich. Sabine rettete die Situation mit einer Frage von größter Bedeutung: „Paul, wo ist eigentlich eure Katze?“ Bedauerlicherweise verlor ich daraufhin die Nerven und ergänzte mit einer zweiten Frage: „Und wo sind eigentlich Deine Ärzte und Facharbeiter?“. Allseitiges Entsetzen. Alarmstufe rot am Tisch. Oder besser unterm Tisch: Heftige Tritte gegen diverse Schienbeine.

Zu spät. Das Damokleschwert saust krachend herunter und durchtrennt das Tischtuch. Es wurde blank gezogen und die Klingen flogen. Jeder kennt mittlerweile mindestens drei argumentative Züge des Gegners im Voraus. Doch nach der dritten Flasche Lidl-Chianti vermochte keiner mehr über irgendwelche Brücken aufeinander zuzugehen. Sehr kühler Abschied. Nichts da mit Küsschen rechts, Küsschen links und „Das nächste Mal bei uns“. Die nachbereitende Telefondiplomatie brachte bislang noch keine Ergebnisse, aber wir wollen frei nach Frank Walter Steinmeier den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen.

Silvester feiern wir vorsichthalber alleine, was ich ein wenig bedauere, denn es geht doch nichts über ein schönes Tischfeuerwerk. Zur Einstimmung empfehle ich den ein oder anderen Knallfrosch. Verlesen Sie beispielsweise den letzten gelungenen Trump-Tweet: „Vielleicht könnten wir ein bisschen von der guten alten Erderwärmung gebrauchen!"  Prusten Sie laut los und lachen schallend über sich selbst. Auch hübsch: „Adolf Hitler würde sich heute als Israelkritiker bezeichnen“, wahlweise „Zweistaatenlösung“. Ich garantiere ihnen: Nach der Detonation werden Sie am Tisch eine Stecknadel fallen hören. Lockern Sie dann die Stimmung mit ein wenig bengalischem Feuer auf, indem Sie in das Gespräch rätselhafte Formulierungen wie „Religion der Toleranz und des Friedens“, „posttraumatische Belastungsstörung“, „Einzelfall“ oder „Staatsfunk“ einfließen lassen. „Ich habe meinen Pass verloren“ oder „Merkel muss weg“ empfehle ich aber erst ganz zum Schluss als Chinaböller.

Und jetzt möchte ich Ihnen, liebe Achse-Leser, alles Gute und einen Grenzkontroll-freien Übertritt ins Jahr 2018 wünschen!

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Heike Olmes / 31.12.2017

Köstlich geschrieben, Herr Maxeiner. Sie nehmen es mit Humor. Auch ich kenne die verbalen Nogo-Areas aus dem eigenen Freundeskreis. Nach einschlägiger Erfahrung wurde die Essensrunde tatsächlich mit einem energischen:” Kein Flüchtlingsthema heute Abend!” eingeläutet. Als eine Freundin mir vor den Wahlen überzeugt mitteilte, dass sie Merkel wähle und einen Atemzug später verkündete, politisch nicht gebildet zu sein, blieb mir das Lachen dann im Halse stecken….

Mike Loewe / 31.12.2017

Der tiefe Riss, der heute durch die Gesellschaft geht, ist schon erstaunlich. Die Aufnahme mehrerer Millionen “Flüchtlinge” spaltet die Gesellschaft. Die Argumente für oder gegen die Aufnahme mal eben beiseite gelassen—wäre allein die Tatsache, dass eine solche Aufnahme die einheimische Gesellschaft spaltet, nicht bereits Grund genug, erstmal innezuhalten und die Aufnahme erstmal nicht durchzuführen, sondern zu diskutieren? Aber nein, die Zeit drängt, die “Flüchtlinge” brauchen ja “jetzt” unsere Hilfe, da bleibt natürlich keine Zeit zum Diskutieren. Themen werden tabuisiert, das reine Ansprechen wird als Feindseligkeit angesehen oder noch besser als Krankheit, für die der arme Mensch nichts kann, weil er durch fremde Mächte “radikalisiert wurde” oder weil er sich “abgehängt fühlt”. Sachargumente treten hinter den Diskussionshorizont, das “Entsetzen” über die Meinung des anderen führt schon zum Abbrechen der Diskussion, bevor Sachargumente überhaupt erwähnt werden konnten. Manche Diskussionen führen zu Nervosität auf beiden Seiten, so dass jedes versachlichende Argument nur noch als Unterwürfigkeit angesehen wird. Der verzweifelte Versuch eines Islamkritikers, nicht als “Fremdenhasser” dazustehen, z.B. durch die eingestreute Bekanntgabe, dass einer seiner besten Freunde Brasilianer ist, läuft völlig ins Leere, denn entweder ergibt sich überhaupt keine Gelegenheit, dieses befreiende Argument anzubringen, oder die verzweifelte Äußerung wird missverstanden als weitere fremdenfeindliche Äußerung, denn wenn ein “Rechter” mal das Wort “Brasilianer” in den Mund nimmt, kann es ja nur fremdenfeindlich gemeint sein, so dass beim zweiten Halbsatz (dass er einer der besten Freunde ist) absichtlich oder unabsichtlich schon gar nicht mehr hingehört wird. Wenn Diskussionen nicht mehr möglich sind, hat sich die Sprache bereits aufgelöst. Was Gruppen tun, wenn sie nicht miteinander reden, hat die Geschichte leider oft genug gezeigt. Gute Nacht!

Clemens Orschel / 31.12.2017

Guter Weingeschmack.

Franck Royale / 31.12.2017

Etwas Gutes kann man dem Ganzen doch abgewinnen: Das Sondieren von Freundeskreisen in Zeiten ideologischer Gehirnwäsche wird nun (wieder) zur gesamtdeutschen Erfahrung - die ganz Alten kennen es ja noch, die Ostdeutschen sowieso. In diesem Sinne: einen guten Rutsch!

Rudolf George / 31.12.2017

Mein Vorschlag; eine Achse-Silvester-Party mit allen Paten und Autoren. Gute Unterhaltung wäre garantiert!

Franz Schimmelpfennig / 31.12.2017

“Das ist sehr fein beobachtet!” Genauso eine Situation werde ich heute abend (als Gast) vorfinden. Ihre Analyse ist eine gute Hilfe, die Klippen zu umschiffen. Guten Rutsch! ein 13%er

Wolf-Dietrich Staebe / 31.12.2017

Schade, wie es um Schland bestellt ist. Und was dieser Rauten zeigende, plappernde Hosenanzug ungestraft anrichten durfte und immer noch darf. Die Mehrheit hat es zugelassen und will offenbar ein “weiter so!”.  Na dann: Fröhlich in den Unrtergang! Die Titanic ist schließlich auch mit Beleuchtung und Musik abgesoffen.

Gerd Koslowski / 31.12.2017

Haargenau der Ablauf aktueller Abendgesellschaften. Ich freue mich auf das Achse-Jahr 2018.

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