Der Landwirt unterscheidet sich vom Rest der Beladenen in diesem Lande durch einen nicht ganz unwichtigen Umstand: Er ist gut organisiert. Und er hat einen Traktor. Dies macht ihn zum Hoffnungsträger weiter bürgerlicher Kreise. Und zum Schreckgespenst von Scholz, Habeck & Co.
Die „Grüne Woche" findet traditionell ab Mitte Januar in Berlin statt und gilt als internationale Leistungsschau der Landwirtschaft. Politiker nutzten die Fressmesse gerne, um ein Käse-Häppchen hier und ein Schnäpschen dort zu nehmen und sich gemeinsam mit beflissenen Vertretern der Landwirte im Glanze der Öffentlichkeit zu sonnen. Unter zwei Kilo Zusatz-Speck verlässt kein guter Futterverwerter die Hallen, aber nicht so in diesem Jahr. Die Leistungsschau der deutschen Landwirtschaft wurde außerplanmäßig vorgezogen und unbürokratisch auf die Straße verlegt. Serviert wird frische politische Schlachtplatte ohne Petersilie, denn die Bauern haben keine Lust, dem amtlich verordneten Staatsbegräbnis ihrer Branche beizuwohnen.
Politiker meiden die Traktorentreffen wie der Scholz sein Erinnerungsvermögen, statt dessen steht der gemeine Bürger Spalier, reckt den Daumen nach oben und applaudiert. Und genau dieses spürbare Fraternisieren des alleingelassenen Staatsbürgers mit den gut organisierten Bauern-Heerscharen ist es, was der regierenden Ampel-Koalition auf die Zehen fallen könnte wie eine Tonne Zuckerrüben.
Rufe nach „Neuwahlen" lassen ahnen, dass sich der Protest zusehends vom ursprünglichen Anlass (der Agrardiesel-Verteuerung) loslöst und auch beim städtischen Publikum und anderen Wirtschaftszweigen Anklang findet, die genauso wie die Bauern mit irrsinnigen Vorhaben traktiert werden, aber nicht die Möglichkeit haben, mit ein paar tausend Schleppern das Land zum Stillstand zu bringen. Auch Bauern sprechen längst vom „Fachkräftemangel in der Politik". Die Regierung in Berlin habe völlig aus den Augen verloren, was für die Bürger gut sei. Deshalb sollten sich auch Spediteure, Gastronomen oder andere Berufsgruppen den Protesten anschließen – „alle, denen in den letzten Jahren so übel mitgespielt worden ist.“
Was erlauben Bauer?
Je drohender das Ungemach, desto verzweifelter werden die Bemühungen, eine Brandmauer zwischen den Landmännern und dem Rest der Mühsamen, Beladenen und Verladenen hochzuziehen. „Werden die Bauernproteste von rechts gekapert?“, fragt die Tagesschau so erwartbar wie der Güllewagen auf dem Frühjahrsacker. Die Übung funktioniert aber nicht mehr, was den Betreibern solcher Kampagnen spätestens dämmern sollte, seit sie dem Freien-Wähler-Vertreter Hubert Aiwanger mit einer Nazi-Kampagne zu einem Rekord-Wahlergebnis und der Süddeutschen Zeitung zu einem Rekord-Ansehensverlust verhalfen.
Genau genommen rumort es schon seit dem vergangenen August, als bayerische Landwirte den Grünen am Chiemsee ihre Aufwartung machten. Cem Özdemir und Entourage schauten beim „politischen Abend“ in die Röhre wie ein Koch, dem man den Braten geklaut hat, denn so massiven Protest mit Trillerpfeifen und Buhrufen sind die Weltretter nicht gewohnt. Normalerweise dürfen nur sie selbst so etwas. Was erlauben Bauer?
Das fragen sich wohl auch Bundeskanzler Olaf Scholz und sein Stellvertreter Robert Habeck. Die beiden suchen derzeit die gefährliche Nähe des Wassers, ganz ähnlich dem überschuldeten König Ludwig II., der 1886 aus seinem halluzinativen Märchenschloss Neuschwanstein vertrieben wurde und am Ufer des Starnberger Sees sein Ende fand.
Der Kanzler schwebte mit dem Hubschrauber in die niedersächsischen und sachsen-anhaltinischen Hochwassergebiete ein – und musste sich von Anwohnern ausrichten lassen „Fahr wieder heim“ oder auch „Den brauchen wir hier nicht“. Die mangelnde Willkommenskultur mag daran gelegen haben, dass die Bundesregierung das Hochwasser als nachgereichte Begründung für den abgeschmetterten Notstandshaushalt instrumentalisieren könnte. Und das Versprechen „Wir lassen niemanden allein“ wird aus dem Munde dieses deutschen Kanzlers als gefährliche Drohung wahrgenommen.
Fünf Meter über dem Meeresspiegel
Aber auch Bundeswirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck hatte mit einem Ausflug in ein Überschwemmungsgebiet keine rechte Fortune. Die Hallig Hooge im nordfriesischen Wattenmeer ist ein Paradies für Vogelbeobachter, vielleicht war dies der Grund, warum der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz das kleine Eiland als winterliches Urlaubsziel auserkoren hatte (102 Einwohner, 10 bewohnte Warften, 1 Pastorin, 1 Lehrerin, 1 Krankenpflegestation, kein Arzt, 1 Kindertagespflegestelle).
Der höchste Punkt der Hallig befindet sich fünf Meter über dem Meeresspiegel, weigert sich aber bislang beharrlich, in den Fluten zu versinken, und dies vermutlich deutlich länger als die Bundesregierung, aus deren Schlauchboot pfeifend die Luft entweicht. Bei seinem Studienaufenthalt auf Hooge hätte Robert Habeck durchaus die Gelegenheit gehabt, sich ein paar Gedanken über die Grundlagen seiner Politik zu machen.
Die Erregungspegel der deutschen Bevölkerung steigt derzeit ja deutlich schneller als der Meeresspiegel der Nordsee, der es mit etwa 1,7 Millimeter pro Jahr bewenden lässt. Das macht 17 Zentimeter in hundert Jahren und ist von den Deichbauern bei den routinemäßigen Erneuerungen eingepreist. Seit dem Ende der Weichsel-Kaltzeit, also seit etwa 12.000 Jahren, steigt das Wasser postglazial undramatisch und lässt sich dabei weder von Mojib Latif noch von Hans Joachim Schellnhuber aus der Ruhe bringen. Ohne diesen Klimawandel gäbe es die naturgeschützte Wattenlandschaft überhaupt nicht.
Zwischendurch, am 15. Januar 1362, ereilte die Zweite Marcellusflut, auch „Grote Mandränke“ genannt, den Küstenstreifen, es sollen zehntausende Menschen umgekommen sein, obwohl sie nachweislich noch keine Dieselautos fuhren. Was den Minister und die Seinen aber nicht daran hindert, die deutsche Wirtschaft samt der Landwirtschaft und der Automobilindustrie nachhaltig zu ruinieren. Oder um es aktuell mit Habeck zu sagen: „Die Emissionen in Deutschland sind im letzten Jahr massiv gesunken… Das ist eine gute Nachricht für den Klimaschutz im europäischen Maßstab.“ So spricht ein Trauerredner, der den Tod eines geliebten Angehörigen mit dem aufbauenden Gedanken verbindet, dass dieser durch sein Ableben einen vorbildlichen Beitrag zum Klimaschutz geleistet habe.
Plattdeutsche Predigten von der Hallig Hooge
Ja, das Leben ist lebensgefährlich. Auch heute ragen auf Hooge manchmal nur noch die Warften – Gruppen von erhöhten Gehöften – aus dem sturmumtosten Wattenmeer, die Einwohner machen sich dann einen Tee und schmökern in dem kleinen Bändchen „Über allem der Himmel – Plattdeutsche Predigten von der Hallig Hooge“. Würde man dieses historisch bewährte Verfahren an die Stelle der deutschen Klimapolitik setzen, wäre mit einer schlagartigen Gesundung des gesamten Landes zu rechnen.
Bedauerlicherweise hatte Robert Habeck diese in jeder Lage hilfreiche Überlebensliteratur auf seiner Rückreise von der Hallig nicht im Gepäck, denn der Minister für Insolvenz und klimaverträgliches Frühableben traf unerwarteterweise bei seiner Rückkehr auf das Volk, den großen Bengel und Klimaschädling.
Unter den Bauern an der Küste hatte sich Habecks Aufenthalt auf Hooge herumgesprochen, und auch Ort und Datum seiner Rückreise zwitscherten Alpenstrandläufer, Kiebitz und Säbelschnäbler vom Dache der Warft, worauf hin dies von finsteren Strandräubern ans Festland durchgestochen wurde. Und so wartete ein hupendes und pfeifendes Empfangskomitee aus Traktoren und stämmigen Landbewohnern am Fährhafen Schlüttsiel auf die Ankunft der „MS Hilligenlei“, an Bord derselben sich der seltene Vogel aus Berlin mit seinen Personenschützern befand.
Unter dem Gekreisch der Lachmöven und dem Klang der Schlepper-Fanfaren legte die Fähre an, und die zum Vogelkiek erschienene bäuerliche Begrüßungsdelegation begehrte lautstark, den feindlichen Heeresführer zu sprechen. Der wollte auf keinen Fall seinen sicheren Kahn verlassen, bot aber gnädig an, zwei Abgesandte der Aufständischen vorzulassen. Das lehnten diese ab, und es kam zu einem standesgemäßen Tumult, bei dem aber nix wirklich passierte. Der Kapitän warf vorsichtshalber die Leinen wieder los, und die ganze Crew samt Habeck musste den Rückzug nach Hooge antreten, wo er entschleunigt festsaß wie weiland Napoleon auf Elba. Im Schutze der Nacht machte er sich erneut Richtung Heimat auf und entschwand unauffällig in die Geschlossene Anstalt nach Berlin („um 1:50 Uhr schlich sich Habeck zurück an Land“).
Im Auge des Hurrikans
Je größer die Entfernung von Schlüttsiel, desto heftiger wird jetzt zurückgeschossen. Die Bundesregierung nennt die Aktion „beschämend“, der Bundespräsident gibt sich schockiert („Das dürfen wir nicht hinnehmen"), die „Verrohung der politischen Sitten” und ein „Angriff auf Habecks Privatsphäre" wird beklagt (von Leuten, die den Menschen noch vor zwei Jahren untersagt haben, in ihrer Wohnung mehr als zwei Personen aus einem anderen Haushalt zu treffen).
Staatsanwälte werden in Marsch gesetzt, Hauptstadt-Kommentatoren sind pflichtschuldigst „entsetzt“, Vokabeln wie „Blockade“ und „Sturm“ machen die Runde. Hallig Hooge befand sich für einen weltgeschichtlichen Augenblick offenbar im Auge des Hurrikans, und die Geschichte der Umstürze muss um ein neues Kapitel ergänzt werden: 29. August 2020: „Sturm auf den Reichstag“. 7. Dezember 2022: Rollator-Sturm des Prinzen Reuss. 4. Januar 2024: „Sturm auf die Fähre“.
Und jetzt auch das noch: Sturmmeldung im Illusions-Reaktor! Zeitgleich mit seinem Fährausflug fehlten Robert Habeck am letzten Donnerstag schon wieder 60 Milliarden Euro. Hat er sie in der Aufregung auf der Hallig vergessen oder in Panik vor dem herannahenden Feind in der Nordsee versenkt?
Nach Angaben von Die Welt hat Habeck plötzlich und unerwartet festgestellt, dass er dringend sogenannte „Backup-Kraftwerke“ braucht, also neue Gaskraftwerke, die Energie auch dann liefern, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Dafür besaß Deutschland bis vor kurzem die sichersten Kernkraftwerke der Welt und Dutzende bewährte fossile Kraftwerke, darunter das modernste und sauberste Kohlekraftwerk der Welt in Moorburg bei Hamburg. Diese komplette, gut funktionierende Energie-Infrastruktur wurde aber von der Abrissbirne aus der Uckermark und den Jüngern Habecks gesprengt, demontiert und mutwillig unbrauchbar gemacht.
Dafür gibt es eigentlich nur einen Präzedenzfall aus der Geschichte der im heutigen Südafria siedelnden Xhosa. 1865 folgte der Stamm Weissagungen und Weisungen einer jungen Frau: "Nur wenn ihr alle Rinder schlachtet, alle Felder verbrennt und den alles Korn vernichtet, dann könnt ihr überleben, dann werdet ihr für jeden toten Ochsen zehn gesunde bekommen und eure Scheunen werden von Mais überquellen". Die Xhosa erlebten daraufhin die schlimmste Hungersnot ihrer Geschichte, denn das versprochene Wunder war nicht eingetreten.
Die deutschen Bauern verspüren offensichtlich wenig Lust, das nächste frühzeitig verstorbene Versuchskaninchen im grünen Zoo zu werden. Ab morgen ist in Deutschland grüne Woche. Unterstützer sollen dem Vernehmen nach Heizstrahler oder -pilze, Decken sowie Proviant und Getränke mitbringen. Die Bauern wollen, wenn es sein muss, eine Woche lang ausharren, wo auch immer im Lande. Und den Vertretern der Bundesregierung sei ein fröhliches Sprichwort der Halligbewohner zugerufen: „Na Landünner is vör Landünner!“.
Dirk Maxeiner ist einer der Herausgeber der Achse des Guten.Von ihm ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Zu beziehen hier.
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