Der Hygienebeauftragte hat das Wort

Seit das Projekt „Tausendjähriges Reich" vorzeitig abgebrochen werden musste, hat die Zahl 1000 ihre Unschuld verloren. Deswegen wird fast alles in Millionen, inzwischen sogar in Milliarden abgerechnet. Es gibt auch kaum noch überregionales Aufsehen erregende 1000-Jahre-Feiern, die letzte fand 1976 in Altenburg/Thüringen statt und endete mit einem Eklat.

Ziemlich unbemerkt dagegen verlief die 1000. Sitzung des Bundesrates, also der Länderkammer, am 12. Februar. Die Pressestelle gab hinterher bekannt, die Sitzung habe mit einer Ansprache des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier begonnen, danach ging die Länderkammer sprichwörtlich zur Tagesordnung über und habe ein umfangreiches Programm mit vielen Beschlüssen abgearbeitet. Business as usual. Fehlte nur die bei solchen Events in der DDR übliche Fomulierung, das Treffen habe in einer konstruktiven Atmosphäre stattgefunden und man habe vereinbart, den Gedankenaustausch bald fortzusetzen.

Womit hat sich nun der Bundesrat gestern, auf seiner 1000. Sitzung, beschäftigt? Unter anderem damit:

Mit eigenen Entschließungen fordern die Länder eine bessere Alterssicherung für jüdische Kontingentflüchtlinge, ein Verbot überlanger Tiertransporte in weit entfernte Drittstaaten und mehr Transparenz bei Nahrungsergänzungsmitteln.

Gut, es hätte schlimmer kommen können. Es gab keine Entschließung für ein Verbot überlanger Transporte jüdischer Kontingentflüchtlinge in weit entfernte Drittstaaten oder eine bessere Alterssicherung für verarmte Tiere. Am Abend folgte dann die traditionelle Karnevalssitzung "Mainz bleibt Mainz" im Ersten, diesmal mit fast ohne Publikum. Ersatzweise wurden Videos aus vergangenen Jahren eingespielt, in denen Besucher zu sehen waren, die jede kretinöse Pointe der Bauch- und Büttenredner so beklatschten, als wäre der Lockdown soeben aufgehoben worden.

Einer der Höhepunkte der surrealen Sitzung war der Auftritt eines Mannes, der alles verkörperte, was der öffentlich-rechtliche Humor ist: dumm, grob und hemmungslos. Wie der Mann heißt, habe ich vergessen, aber das Wort auf der Schärpe, die er sich umgelegt hatte, habe ich noch vor Augen: HYGIENEBEAUFTRAGTER. 

Helau, ihr verblödeten Knalltüten.

Foto: Screenshot/Mainz bleibt Mainz/ HMB

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Stefan Michael / 13.02.2021

„Mainz bleibt Mainz“ habe ich seit meiner Kindheit, also seit ca. 40 Jahren, zum ersten Mal wieder gesehen und was soll ich sagen? So unterirdisch wie damals. Vielleicht noch etwas darunter. Erwartbar dürftige „Witze“ auf Kosten von Trump und der AfD, gewürzt mit Fäkalhumor. Ganz so, wie man es vom deutschen Spießbürger kennt. Eigentlich von den heutzutage üblichen „Comedians“ kaum zu unterscheiden. Wozu braucht man das? Ich dachte immer, Fastnacht ist dazu da, die Machthaber auf die Schippe zu nehmen und nicht die einzige Opposition.

Dieter Sadroschinski / 13.02.2021

“Gut, es hätte schlimmer kommen können. Es gab keine Entschließung für ein Verbot überlanger Transporte jüdischer Kontingentflüchtlinge in weit entfernte Drittstaaten oder eine bessere Alterssicherung für verarmte Tiere. “ DANKE! Ich lache Tränen um nicht zu weinen über den verbl und ödeten Öffrechtl. zensierten p.c. Karneval.

Uta Buhr / 13.02.2021

Der Meenzer war ein kluger Mann. Man sah’s ihm an der Brille an. Finde den Fehler. Lieber Herr Broder, entweder sind Sie auf Grund des ständigen Schwachsinns der ÖR durch ein Stahlbad gegangen, inzwischen total immunisiert, oder aber Sie haben einen leichten Hang zum Masochismus. Ich habe mich ganz kurz in diese dumme karnevalistische “Sitzung” eingeschaltet, aber voller Grauen ob dieser hirntötenden Idiotie schnell auf den roten Knopf gedrückt. Eigentlich schade, dass das Testbild nicht mehr eingeblendet werden kann - diese Oase der geistigen Entspannung angesichts der TV- Zumutungen, die wir auch noch qua Zwangsabgabe teuer bezahlen müssen. Dennoch, Herr Broder, vielen Dank für Ihren erfrischenden Artikel und das passende Foto. Eigentlich sollte unsere Kanzleröse, die stets einen so exquisiten Geschmack in der Auswahl ihrer engsten Mitarbeiter beweist, diesen attraktiven “Hygienebeauftragten” in den engsten Kreis ihres schwergewichtigen “Kompetenzteams” integrieren. Heißa!

peter molz / 13.02.2021

Die anscheinend politisch erwünschte Lach- und Launemenge an beliebiger oder gar vorbestimmter Stelle empfand ich als ziemlich peinlich. Bei dem Hygienebeauftragten Adi Guckelsberger hatte ich nach kurzem Anhören auch genug und habe ohne zu Zögern diesen Stuss aus Mainz dann abgeschaltet. Mal sehen, wann demnächst noch ein Stimmungsbeauftragter bestellt wird, um die Leute bei Laune zu halten. (..ist ja nur eine Woche mehr ...)

Heike Kaiser / 13.02.2021

Ich dachte immer,Herr Lauterbach wäre der Bundeshygienebeauftragte von Merkels Gnaden. Das verwirrt mich jetzt doch etwas.

Werner Arning / 13.02.2021

Zumindest bei diesen Fernseh-Sitzungen sieht die Angelegenheit recht anstrengend aus. Bei jeder Pointe muss jeder lachen. Muss. Auch wenn es gar nicht witzig war. Allein schon, um nicht aufzufallen. Man will ja nicht als humorlos eingestuft werden. Zum Glück setzt immer die Musik ein, um auf die Pointen hinzuweisen. Das Gute daran, man braucht nicht zuzuhören, verpasst jedoch nie den richtigen Moment zum Lachen. Und zu allem Übel müssen die Zuschauer das nüchtern ertragen. Die Zuschauer sehen stocknüchtern aus. Das ist harte Kost. Nein, lieber keine Sitzung.

Michael Hinz / 13.02.2021

Verstieß “Rassenschande” nicht auch gegen Hygienebestimmungen?

Hjalmar Kreutzer / 13.02.2021

O, Schreck! Als Kind wurde ich immer mit diesen Karnevalssendungen beglückt und habe seitdem ein Trauma weg. Maximal zwei Minuten konnte ich diesmal aushalten. Herr Broder, haben Sie von der „Titanic“ die Rubrik „Höhepunkte nationalen Fernsehgrusels“ geklaut? Fehlt nur noch der „Blaue Bock“ zur Faschingszeit mit Heinz Schenk in de Bütt, aber der konnte wenigstens sprechen. Im Vergleich zu dem „Adi Guckeldbercher“ haben ja die Marktschreier „Aal-Dieter“ und „Käse-Rudi“ mehr intellektuellen Tiefgang! Übertroffen wird die gruselige Szenerie ja nur noch von dem „Publikum“ von 1 Mensch*in auf 10 Pappkameraden und alten Schunkelszenen mit Tätää auf dem Flatscreen zu Häupten der Oberwitzbolde. Auf einem anderen Kanal sah ich gestern noch die „absolut witzische“ Vorstellung eines „Reichskanzler Höcke“ inmitten von Phantasieuniformen und „Heil Höcke!“ rufenden Damen in Wallegewändern, die wohl Esoterikerinnen und Coronaleugnerinnen im Verein mit Neonazis darstellen sollten. Der Höhepunkt war dann wieder mal ein nachgestellter Reichstagsbrand. Aber wir kämpfen ganz doll gegen Hass und Hetze im Netz!

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