Nach, nun ja, Adolf Hitler und Uli Hoeneß rückt wieder ein Prominenter in die JVA Landsberg ein: der „Starkoch“ Alfons Schuhbeck. Ein Anlass, über Knastfutter zu sinnieren.
Ich hatte als Journalist einmal Gelegenheit, mir eine deutsche Justizvollzugsanstalt (JVA) von innen anzusehen. Damals war Uli Hoeneß gerade wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden und die Pressestelle des Bayerischen Justizministeriums sah sich mit einer solchen Flut von Anfragen nach den Haftbedingungen des Ex-Nationalfußballers und Präsidenten des FC Bayern konfrontiert, dass man kurzerhand eine Art Massenbesichtigungstermin organisierte. Hoeneß sollte seine Strafe in der JVA Landsberg am Lech verbüßen, wo auch ein gewisser Adolf Hitler eingesessen hatte. Seither gilt der Bau als, nun ja, Promiknast.
Das 1908 im Stil einer Festung erbaute Gefängnis machte auf mich keinen besonders freundlichen Eindruck. Häftlinge bekam man zwar nicht zu Gesicht, doch es roch nicht gut in dem dunklen Kasten und die Zellen waren klein, kalt und etwas feucht, wie mir schien. Ich mochte mir nur ungerne vorstellen, wie es sich anfühlen würde, wenn sich hinter einem selbst die stählernen Türen klirrend schließen würden und man mit Menschen auf Tuchfühlung leben müsste, bei deren Anblick man sonst die Straßenseite wechseln würde. Natürlich wollten meine Kollegen wissen, ob „der Uli“ vielleicht stante pede zum Trainer der Gefängnismannschaft bestellt werde. Doch Ministerium wie Gefängnisleitung legten Wert darauf, dass Hoeneß wie jeder andere Strafgefangene behandelt werden sollte.
Ein „Promibonus“ wurde ihm dann allem Anschein nach aber doch gewährt. Nach seinem Haftantritt am 2. Juni 2014 konnte er schon über Weihnachten und Silvester 2014 einen Hafturlaub antreten. Am 2. Januar wurde er in den Offenen Vollzug verlegt und arbeitete täglich achteinhalb Stunden als „Assistent der Abteilungsleitung Junior Team“ im Nachwuchsbereich des FC Bayern München. Schon am 29. Februar 2016 wurde er nach Verbüßung von weniger als der Hälfte seiner Strafe aus der Haft entlassen und der Strafrest zur Bewährung ausgesetzt.
Entsteht hinter Gittern ein neues Kochbuch?
Damals konnte man auch einen Blick in die Häftlingskantine werfen und den aushängenden Speiseplan in Augenschein nehmen. Ein Kollege schilderte seine Eindrücke folgendermaßen: „Typ: in die Jahre gekommene Jugendherberge, zweckmäßig eingerichtet, lange, abgenutzte Tische mit Dutzenden Stühlen. Die Längswand zeigt ein Gemälde der Landsberger Altstadt. Ein ehemaliger Insasse habe es gemalt, erzählt ein Justizvollzugsbeamter. Einige Meter weiter hängt ein Schild: „He Kollega, du Ruhe, nix blabla.“ Der Speiseplan verspricht Gemüsesuppe und Schinkennudeln zum Mittag. Zum Abendessen, das sich die Häftlinge nach Feierabend abholen können, gibt es Roggenbrot, Käse, Margarine und Tee.“
Nun ist abermals ein Prominenter in Landsberg „eingerückt“: Alfons Schubeck, seines Zeichens „Starkoch“ sowie Mannschaftskoch des FC Bayern bei Auswärtsspielen der Champions- und Europa-League. Zudem umtriebiger Gastrounternehmer, wobei von seinem einstigen Reich einstweilen nur noch einige Gewürzläden samt Onlineshop übrigbelieben sind. Auch Schuhbeck wurde wegen Steuerhinterziehung verurteilt, diesmal zu drei Jahren und zwei Monaten.
Einen Journalistentermin gab es diesmal nicht, doch vieles dürfte sich in der JVA Landsberg seit Hoeneß‘ Zeiten nicht verändert haben. Natürlich mutmaßen nun Kollegen, Schuhbeck werde sofort die Gefängnisküche auf Vordermann bringen. Wobei Schuhbeck mit seinen schon 74 Jahren im Gefängnis eigentlich nicht mehr arbeiten sollte. Aber vielleicht schreibt er ja ein neues Kochbuch: „De profundis – Leckeres aus der Gefängnisküche“. Eine Bewerbung Schuhbecks auf eine aktuell von der bayerischen Justiz ausgeschrieben Stelle als Koch in der Landsberger Gefängnisküche dürfte allerdings chancenlos sein. Die Stellenanzeige richte sich nicht an Köche, die selbst einsitzen, schreibt Bild, superschlau wie immer.
„Raffinierte Küche wissen die Häftlinge nicht zu schätzen“
Das kulinarische Angebot in einem Gefängnis dürfte irgendwo zwischen Krankenhaus, Jugendherberge und Uni-Mensa liegen, mit stilistischem Schwerpunkt auf Hausmannskost, etwa Königsberger Klopse mit Salzkartoffeln, Grießbrei mit Früchtekompott, Szegediner Gulasch mit Kartoffelpüree wie in der JVA Tegel. Viel Platz für Kreativität ist da nicht. „Ich habe mal eine Lachssauce kreiert oder Schmelzkäse mit Edelpilzen auf den Speiseplan gesetzt, das kam gar nicht gut an“, wird der dortige Küchenchef in einem Zeitungsbericht zitiert. „Die Häftlinge haben zwar hohe Ansprüche, aber raffinierte Küche wissen sie nicht zu schätzen. Dazu fehlt ihnen die kulinarische Vorbildung.“ Insofern dürfte es wohl kein „Riesengewinn“ (Bild) für die „Knast-Insassen“ sein, wenn Sternekoch Schuhbeck im Gefängnis selbst „am Herd zaubert“.
Wahrscheinlich wäre schon ein schönes Rezept aus Schuhbecks Werkstatt für „Schinkennudel mit Birnen und Pfefferkäse“, begleitet von einem „Bittersalat mit Birnenspalten und Blue-Cheese-Dressing“ für Häftlingsgeschmäcker deutlich überambitioniert. Eine puristischere Variante von Schuhbecks Kollegen Alexander Herrmann wirkt da schon JVA-kompatibler. Aber Herrmann dürfte wenig Neigung verspüren, seinen mit zwei Michelin-Sternen dekorierten Arbeitsplatz im schönen Oberfranken mit einem schmucklosen Zuchthaus zu vertauschen.
Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.