Bei wissenschaftlich begründeter Delegitimierung jüdischen Lebens sollte in einem Land, das dem Judenhass in Form der Rassenideologie des Dritten Reichs ein (pseudo-)wissenschaftliches Gewand verlieh, eigentlich alle Alarmglocken schrillen.
Insbesondere dann, wenn diese Forschung maßgeblich vom Auswärtigen Amt finanziert wird, dessen höchster Repräsentant, Außenminister Heiko Maas, gleich einer Monstranz die Aussage vor sich herträgt, er sei „wegen Auschwitz in die Politik gegangen“. Doch damit nicht genug: Diese israelfeindliche Wissenschaft wird ebenso monetär unterstützt von einer hamburgischen Wissenschaftssenatorin, Katharina Fegebank, die zu ihrem Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem vor wenigen Monaten äußerte:
„Die Grenze des eigentlich Unsagbaren hat sich in Deutschland in letzter Zeit verschoben. Wir müssen uns mit aller Macht gegen Antisemitismus und Rassismus stemmen.“
In einer Wissenschaft, die sich ideologiegeschwängert selbst als Kontrapunkt zu „Nie wieder Auschwitz“ positioniert, ist es von der der Delegitimierung der Heimstätte jüdischen Lebens im Besonderen hin zur Delegitimierung jüdischen Lebens im Allgemeinen immer nur einen formaljuristischen Winkelzug weit.
Beim „German Institute of Global and Area Studies“ (kurz GIGA) scheint man dies jedoch völlig anders zu sehen. Wie anders ist es zu erklären, dass der mit dem GIGA assoziierte Prof. Dr. Martin Beck im „GIGA-Focus Nahost“, einer Online-Publikation des GIGA mit „Forschungsergebnisse[n] und Analysen zu regionalen und globalen Entwicklungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft“, einen Artikel veröffentlichen kann, der den Narrativen der antisemitischen BDS-Bewegung nahezu ungeschminkt und nur leicht verklausuliert folgt, um Israel so „wissenschaftlich“ zu delegitimieren.
Das GIGA ist in Eigendarstellung ein „unabhängiges, sozialwissenschaftliches Forschungsinstitut mit Sitz in Hamburg“, welches Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft ist und vorgibt, „Wissenschaft zum Wohl und Nutzen des Menschen“ zu betreiben. So unabhängig, wie sich das GIGA darstellt, ist es jedoch nicht. Es wird „gemeinsam vom Auswärtigen Amt, der Hamburger Behörde für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung und den anderen Bundesländern finanziert“, die 70 Prozent des „Jahresbudgets von zirka 11 Millionen Euro“ tragen. Also 7,7 Millionen Euro. Hamburgs ehemaliger Erster Bürgermeister und heutige Bundesfinanzminister Olaf Scholz bezeichnete das GIGA daher auch als „bereichernde und wertvolle Institution für die Hansestadt“.
„Bestenfalls eine defekte und schlechtestenfalls keine Demokratie“
Der Autor des Beitrages, Prof. Dr. Martin Beck, ist nicht nur „assoziierter wissenschaftlicher Mitarbeiter am GIGA Institut für Nahost-Studien“ und ehemaliger „Repräsentant der Konrad-Adenauer-Stiftung in Amman“, sondern war von 2004 bis 2007 „wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Orient-Institut“ in Hamburg. Das Deutsche Orient-Institut ist berüchtigt. Sein ehemaliger Leiter Udo Steinbach, so ein Bericht von Benjamin Weinthal in der Jersualem Post im November 2019, habe den „palästinensischen ‚Widerstand‘ gegen Israel mit dem Aufstand im Warschauer Ghetto von 1943“ verglichen und ferner postuliert, dass „die Israelis die Palästinenser massakrieren“.
Steinbach als Beiratsmitglied der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft, die vom Jerusalem Center for Public Affairs als linksextrem, islamistisch und der Muslimbruderschaft zugehörig eingestuft wird sowie bekannt dafür ist, die „Kauf nicht beim Juden“-Bewegung zu unterstützen, schaffte es 2006 im „Manifest der 25“, Israel vorzuwerfen, dass es ihr „Holocaust [sei], der das seit sechs Jahrzehnten anhaltende und gegenwärtig bis zur Unerträglichkeit gesteigerte Leid über die (muslimischen wie christlichen und drusischen) Palästinenser gebracht“ habe.
Beck behauptet nun in seinem aktuellen Artikel „Israels politisches System – keine Demokratie?“, dass „Israel bestenfalls eine defekte und schlechtestenfalls keine Demokratie“ sei, denn Israel „ging im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts den Weg einer Entdemokratisierung, der im 21. Jahrhundert vollendet wurde“. So postuliert Beck in seinem Artikel weiter, dass Israel „sein früheres Alleinstellungsmerkmal als einzige Demokratie im Nahen und Mittleren Osten verloren“ habe und im polittheoretischen Sinne „keine Demokratie“ mehr sei.
Wie weist Beck nun diese Behauptungen nach? Er hangelt sich dabei in seiner Publikation an gängigen Narrativen und Zielen der BDS-Vertreter entlang.
So macht Beck die „Kauf nicht beim Juden“-Bewegung BDS zu einer „gewaltfrei agierende[n] politische[n] Bewegung“, der von Israel der Zugang am „pluralistisch-demokratischen Prozess“ verwehrt würde. Er stellt die BDS-Kampagne also als gewaltfreie Graswurzelbewegung dar. Eine Bewegung, die so gewaltfrei ist, dass ein führender Vertreter wie As'ad AbuKhalil die wahren Beweggründe des BDS mit den Worten umriss: „Das wirkliche Ziel von BDS ist, den Staat Israel niederzuringen. […] Gerechtigkeit und Freiheit für die Palästinenser sind unvereinbar mit der Existenz des Staates Israel“.
Formaljuristische und polittheoretische Winkelzüge sollen aufzeigen, dass „rund fünf Millionen Palästinenserinnen und Palästinenser im israelischen Herrschaftsverband unter einer auf Dauer angelegten Besatzung leben, ohne dass sie demokratische politische Rechte besäßen“. Israel wird so indirekt, dem Jargon der BDS-Bewegung folgend, als „Apartheidsregime“ bezeichnet, das systematisch eine ethnische Bevölkerungsgruppe in ihren Rechten und der demokratischen Partizipation diskriminiert. So wird Zionismus, wie in der Behauptung des BDS, zum Rassismus. Daher kann Israel in Becks Augen auch keine Demokratie sein.
Palästinensische Nakba-Erzählung wird zur Wissenschaft
Weiterhin verbreitet Beck auch die Erzählung der palästinensischen Nakba. So leitet Beck nämlich diese vorgebliche Inexistenz israelischer Demokratie aus den Folgen des „Palästinakrieg zwischen den Jahren 1947 und 1949“ wie des „Junikrieges 1967 um Ostjerusalem“ für die Palästinenser ab, ohne jedoch die politischen Hintergründe in irgendeiner Weise akkurat zu betachten. So habe Israel, in der Darstellung Becks, zwischen 1947 und 1949 die palästinensische Bevölkerung „vertrieben“ und 1967 das israelische Herrschaftsgebiet „erweitert“.
Wir wissen es natürlich besser. Der Krieg von 1947 war Israels Unabhängigkeitskrieg gegen eine Allianz von arabischen Staaten um Ägypten, Syrien, Libanon, Jordanien und den Irak, die das Existenzrecht Israels verneinten. Der Krieg von 1967 war der Sechtstagekrieg, in dessen Vorlauf Ägypten mit 1.000 Panzern und 100.000 Soldaten an den Grenzen Israels aufmarschierte. Ägyptens Präsident Nasser erklärte seinerzeit dazu: „Unser grundlegendes Ziel ist die Vernichtung Israels“.
In beiden Kriegen ging es also nicht, wie Becks Narrativ es darzustellen versucht, um die Vertreibung der Palästinenser oder Gebietserweiterungen, sondern schlicht und einfach um die Existenz jüdischen Lebens wie das Existenzrecht eines jüdischen Staates, den die arabische Allianz nicht akzeptierte. Beck hingegen stellt die Palästinenser als Opfer von „Vertreibung“ und Gebietserweiterungen Israels dar, deren BDS-Bewegung überdies nur eine „gewaltfrei agierende politische Bewegung“ sei, bei der Israel versuche, sie „aus dem pluralistisch-demokratischen Prozess auszuschließen“.
Israel auch für das undemokratische Elend der Hamas verantwortlich
Besonders abenteuerlich wird die Konstruktion der Inexistenz israelischer Demokratie anhand der Darstellung des Gazastreifens und der dort herrschenden protofaschistischen und judenhassenden Hamas. So trüge für das Elend im Gazastreifen nicht die seit 2007 dort alleinherrschende Hamas die Verantwortung, sondern vielmehr habe „Israel die Besatzungsherrschaft über den Gazastreifen durch weitgehende Abriegelung von der Außenwelt fortgesetzt, ohne sich auf eine zeitliche Begrenzung zu verpflichten oder den dort lebenden Menschen irgendeine Form demokratischer Mitwirkungsrechte zu gewähren“.
Wie gesagt, im Gazastreifen herrscht die Hamas und nicht Israel. Trotzdem behauptet Beck weiter, dass die Bewohnerinnen und Bewohner des Gazastreifens“ durch Israel „die extremste Form der Verweigerung politischer Grundrechte erleben“ würden. Am undemokratischen Elend im Gazastreifen trägt also nicht die regierende Hamas die Schuld, sondern geheimnisvolle jüdische Kräfte von außen. Wie weit diese Lesart noch vom Glauben an eine jüdische Weltverschwörung entfernt ist, mag jeder für sich selbst entscheiden.
Noch dreister wird es, wenn Beck die Opfer des Hamas-Regimes in Israel durch Raketenbeschuss beziehungsweise Selbstmordattentate wie auch diejenigen unter den Bewohnern im Gazastreifen selbst ausschweigt und stattdessen im üblichen Narrativ linker Antizionisten behauptet:
„Versuchen die Palästinenserinnen und Palästinenser des Gazastreifens dennoch, ein grundlegendes politisches Recht wie jenes auf Versammlungsfreiheit auszuüben, zahlen sie einen extrem hohen Preis. Dem Bericht einer vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen eingesetzten unabhängigen internationalen Kommission zufolge wurden zwischen dem 30. März und dem 31. Dezember 2018 183 Bewohnerinnen und Bewohner des Gazastreifens, darunter 35 Kinder, von israelischen Soldatinnen und Soldaten erschossen, als sie im Gazastreifen nahe der Sperranlage zu Israel an Demonstrationen gegen die israelische Blockade teilnahmen“
Israelhass ist eine Meinung...
Da passt es ins Bild, dass Martin Beck bereits im Juni 2019 einen Artikel veröffentlichte, in welchem er von der BDS-Bewegung behauptet, sie habe keine „kriminelle[n] Attacken gegen Juden und jüdische Institutionen in Deutschland oder anderswo“ begangen. Und weiter, dass der Bundestag in seinem Verbot der BDS-Bewegung dem (falschen) Gedanken erliege, „dass das infrage stellen des Existenzrecht Israels als jüdischer Staat grundlegend illegitim wäre“. Denn Israel betreibe schließlich ein „repressives Besatzungsregime“, welches den „Palästinensern den Zugang zu grundlegenden Menschenrechte entziehe“.
Ferner sei BDS doch nur eine „soziale Bewegung, die die Umsetzung des Völkerrechts und der Menschenrechte einfordert“. Beck konstatiert schließlich über den „Antizionismus“ der „Kauf nicht beim Juden“-Bewegung, dass dieser eine legitime Meinung sei:
„Die Kritik an der israelischen Politik, selbst in der radikalen Form des Antizionismus, ist Ausdruck einer politischen Meinung, die auf einen Staat und seine Politik abzielt, die sich grundlegend vom Antisemitismus als Ausdruck von Rassismus unterscheidet.“
Offen bleibt die Frage, ob Martin Beck sich hier auch einfach nur der Geisteshaltung von Raif Hussein anschließt, dem ehemaligen Vorsitzenden der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft, der mit Becks ehemaligem Chef und DPG-Beiratsmitglied Udo Steinbach bestens vernetzt ist und 2014 auf einer Demonstration gegen Israel erklärte:
„Israel führt einen Vernichtungskrieg gegen das palästinensische Volk. […] Israel hat mit [in] einer freien Welt nichts zu suchen. […] Die Europäer und in erster Linie Deutschland muss sich entscheiden. Gehört es zu der freien Welt? Meinetwegen. Dann muss es auch diese freie Welt gegen einen Eindringling, der faschistisch ist wie Israel, verteidigen und erklären, dass er nicht zu dieser Weltgemeinschaft, zu dieser demokratischen Weltgemeinschaft gehört […] Der palästinensische Widerstand in jeder Hinsicht und in jeder Form ist gerecht.“