Henryk M. Broder / 06.04.2021 / 06:15 / Foto: Imago / 174 / Seite ausdrucken

Annalena Baerbock – leidenschaftlich, radikal, staatstragend

Zuerst war es nur eine Frage, die sich so anhörte, als wollte jemand wissen, ob es Leben auf dem Mars gäbe. Oder Krokodile, die fliegen können. Oder Zahnpasta, die wie Schokolade schmeckt. „Kann Annalena Baerbock Kanzler?“ Doch je öfter die Frage gestellt wurde, desto rhetorischer war ihr Klang. Sechs Monate vor der kommenden Bundestagswahl geht es nicht darum, ob Annalena Baerbock „kann“, sondern ob sie bereits „auf dem Weg ins Kanzleramt“ ist. So der Titel eines Portraits der grünen Powerfrau, das letzten Montag im Bayerischen Rundfunk ausgestrahlt wurde.

Genau genommen war es kein Portrait, sondern eine Hymne auf eine Politikerin, die „für eine neue, pragmatische Generation der Grünen“ steht, als „ehrgeizig“ gilt, „immer gründlich vorbereitet“ auftritt, „gut vernetzt“ ist und „bereits klargemacht hat, dass sie sich das Kanzleramt zutraut“. Niemand sei, so Baerbock, „als Kanzler vom Himmel gefallen, alle müssten im Amt dazu lernen“; sie habe zwar „bisher kein Regierungsamt gehabt“, dafür aber „internationale Erfahrung und europäische Verankerung, die andere dazulernen müssten“. 

Wenn das alles ist, was eine Frau oder einen Mann für ein Spitzenamt qualifiziert, dann könnte sich Annalena Baerbock auch als Chefin eines Zigarettenschmugglerringes bewerben, denn die brauchen auch internationale Erfahrung und europäische Verankerung, wenn sie grenzüberschreitend dealen wollen.

Geradlinig wie ein Irokesen-Pfeil

Annalena Baerbock ist keine Grüne geworden, sie war schon lange eine, bevor sie 2018 zur Co-Vorsitzenden der Partei gewählt und ein Jahr später mit sensationellen 97% im Amt bestätigt wurde. Sie ist auf einem Bauernhof aufgewachsen, schon als Zweijährige nahm sie mit ihren Eltern an Demonstrationen gegen Atomkraft teil, studierte Politikwissenschaft und gewann dreimal Bronze bei den Deutschen Meisterschaften im Trampolinspringen. Ihre Karriere verlief geradlinig wie die Flugbahn eines handgeschnitzten Irokesen-Pfeils. 

Von der Sprecherin der grünen Bundesarbeitsgemeinschaft Europa über die Vorsitzende der Landesverbands Brandenburg bis in den Bundestag, in den sie zweimal, 2013 und 2017, über die grüne Landesliste „gewählt“ wurde, mit sieben bzw. acht Prozent der Erststimmen. Im Bundestag avancierte sie zur klimapolitischen Sprecherin der grünen Fraktion, Mitglied des Ausschusses für Wirtschaft und Energie, Mitglied des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union, stellvertretendes Mitglied im Umweltausschuss und im Ausschuss für Familie, Frauen, Senioren und Jugend – nur um die wichtigsten Stufen der Karriereleiter zu nennen. Wer es genauer wissen will, wird bei Wikipedia fündig. 

Definiert man „Arbeit“ im Sinne der Betriebswirtschaftslehre als eine „plan- und zweckmäßige Betätigung einer Arbeitsperson in körperlicher und geistiger Form, die dazu dient, Güter oder Dienstleistungen in einem Betrieb zu produzieren“, dann hat Annalena Baerbock nur drei, bestenfalls vier Jahre in ihrem Leben richtig gearbeitet, von 2000 bis 2003 „als Journalistin“ für die Hannoversche Allgemeine Zeitung, eine Art Praktikum, das ihr später zugutekommen sollte.

Auf dem Weg in die Hall of Fame

Im Januar 2018, also vor gerade drei Jahren, gab Baerbock im Vorfeld ihrer Bewerbung um den Partei-Vorsitz dem Deutschlandfunk ein längeres Interview, in dem sie ausführlich erklärte, warum sie die Vorsitzende der Grünen werden möchte. Liest man das Interview heute, begreift man, warum die Bewerbung für das Kanzleramt der logische, beinahe zwangsläufige nächste Schritt auf ihrem Weg in die Hall of Fame ist.

Sie sei, sagt sie in dem Interview, eine „leidenschaftliche Europäerin“, als ob sie jemals die Option gehabt hätte, eine „leidenschaftliche Asiatin“ zu sein. Es sei ihr „total wichtig…, dass wir nicht zurück ins nationale Kämmerlein fallen“, alle Probleme, von Kinderarmut bis Agrarpolitik, müssten „europäisch“ angegangen werden. Als eine „leidenschaftliche Klimapolitikerin“ wolle sie „leidenschaftlich kämpfen“. Ihren Parteifreunden riet sie, „radikal in der Sache (zu) sein…, aber von der Haltung her staatstragend“. Die Politik müsse es „wieder schaffen, dass die Leute Lust auf Politik, Lust auf Demokratie haben“. So wie sie Lust habe, „dieses Land zu verändern“.

Es sind sinnfreie Sätze, die auch von Angela Merkel sein könnten, die ihre erste Kandidatur auf das Kanzleramt im Mai 2005 mit dem Satz „Ich will Deutschland dienen“ unterlegt hatte. Es ist gut möglich, dass die Grünen die Wahlen gewinnen und Annalena Baerbock die Nachfolgerin von Angela Merkel wird. Der Einzige, der es verhindern könnte, wäre der andere Co-Vorsitzende der Grünen, der Philosoph und Kinderbuchautor Robert Habeck. Er sagte neulich bei Anne Will: „Wenn Annalena Baerbock als Frau sagen würde, ich mache es, weil ich eine Frau bin – und die Frauen haben das erste Zugriffsrecht – dann hat sie es, natürlich. Aber weder Annalena noch ich argumentieren so.“

Als Frau ist Robert Habeck ein Versager. Als Mann aber könnte noch was aus ihm werden. Wenn er sich nur trauen würde.

Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche.

Foto: Imago

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Leserpost

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Christian Freund / 06.04.2021

Baerbock sieht besser aus als Merkel. Das ist doch großartig.  Über mehr sollte man einfach nicht nachdenken. Man muss auch ein bisschen an seine Gesundheit denken.

A. Ostrovsky / 06.04.2021

@Lindner: “Auch die Kelten sind im Orkus der Geschichte versunken.” Haha, Sie haben es ja wirklich nicht begriffen. Es war immer Rom, das untergegangen ist, erst Westrom, dann Ostrom und jetzt Rom.. Und vor Kurzem ging der Osten unter und jetzt der Westen. Und Griechenland ist abgebrannt. Und heute haben wir gerade erfahren, die Araber in Marokko legalisieren jetzt etwas, was in Südland wächst. Die Kelten singen und tanzen dazu und lachen darüber. Wenn es jemanden gibt, der diese Apokalypse unbeschadet übersteht, dann die Kelten. Sie kennen nur keinen. Was für ein Witz der Geschichte, wenn die , die Nero zujubeln, behaupten, die Kelten wären untergegangen. Das ist ja Realitätsverweigerung! ROM BRENNT!

Fred Burig / 06.04.2021

“....und gewann dreimal Bronze bei den Deutschen Meisterschaften im Trampolinspringen..” Sicher ist sie da beim Training auch öfter neben dem Sportgerät gelandet und auf den Kopf gefallen, anders lässt sich der Schwachsinn, den sie so von sich gibt, nicht erklären! Da hat’s wohl damals schon nicht nach ganz oben gereicht - nun rechnet sie sich wahrscheinlich unter den politischen Knalltüten mehr Chancen aus ?! MfG

Andreas Müller / 06.04.2021

Ich stelle mir das gerade vor. G-20-Gipfel mit Putin, Xi Jinping, Macron und Johnson. Und dann kommt Annalena Baerbock dazu. Die Staatschef liegen doch vor Lachen unter dem Tisch. So etwas kann doch keiner ernst nehmen.

T. Schneegaß / 06.04.2021

@Lutz Herzer: Was kann eigentlich mehr für die Fähigkeit als Kanzlerböckin sprechen, als die Tatsache, schon im zarten Alter von 2 Jahren an Anti-Atomkraft-Demos teilgenommen zu haben. Mit Negativtest natürlich und unter Einhaltung des Mindestabstandes.

Peer Doerrer / 06.04.2021

Also wenn Sie mich fragen : ich gönne es den Grünen so richtig einmal König von Deutschland zu sein . Das Land bis zur Hutschnur verschuldet , in kürze Millionen Arbeitslose und tausende Insolvenzen , die Sozialkassen fast leer gefressen , und alles was Kapital hat flüchtet mit den Resten der noch funktionierenden Wirtschaft ins Ausland .  Von was und wem will man leben in Germanistan, wenn die wertschöpfende Industrie abwandert ?  Vom Dönerverkauf , oder vom Handel mit alten Rostlauben , alten gebrauchten Windrädern und Solarpaneels ? Von handgefertigten Lastenrädern , Töpferwaren und Hanfbeuteln ? Oder von den spärlichen Ergebnissen des Öko - Landbaus , da Dünger und Pestizide verboten sind ?  Da man sich alle Elenden der Welt weiterhin ins Land holen will , wer soll die dann ernähren ? Wer soll noch Steuern zahlen ohne Arbeit ? Die DDR scheiterte nicht wegen ihrer mutiger Einwohner sondern wegen dem Fehlen jeglichen Kapitals . Auch bei den Grünen die gleichen dümmlichen sozialistischen Ideen : Enteignen , Umverteilen und dann mangels Kapital und Investitionen pleite gehen .

Ilona Grimm / 06.04.2021

Mir ist völlig einerlei, wer (oder was) Merkel im Herbst nachfolgt – falls überhaupt jemand. Die Strippen werden ja, wie wir inzwischen verstanden haben, ganz woanders gezogen. Und die Strippenzieher (alle männlich und weiß, soweit mir bekannt ist) werden jeden Besetzer des Kanzlerstuhls zweifellos dahin dirigieren, wo er/sie/es/wtf hin soll. Annalena hat m.E. denselben harten, kalten Blick wie die amtierende böse Stiefmutter dieses Landes. Dass Baerbock noch nie im Leben wertschöpfende Arbeit geleistet hat, disqualifiziert sie nicht. Eine ebensolche Vita haben fast alle Berufspolitiker– mit Ausnahme derer der AfD. Insofern ist Baerbock also besonders geeignet.—- Trotzdem werde ich die AfD wählen, obwohl das am Ausgang nichts ändert. Ich weiß sonst aber niemanden, dem ich meine Stimme geben möchte.

Roland Artus / 06.04.2021

Wie es scheint, ist Anna Lena schon grün auf diese Welt gekommen. Hinter den Ohren ist sie es noch immer. Sollte es so kommen, dass sie der nächste Bundeskanzler wird, wird sie wahrscheinlich erstmal viel Lehrgeld zusammen mit ihrer Partei zahlen müssen. Mit der Zeit jedoch bekommt selbst der Geringtalentierte so was wie Routine. So ist es ja auch bei Fr. Merkel. Die Frage ist nur, ob es für Deutschland gut ist, wenn es von Typen regiert wird, die weder qualifizierte Neigung, überdurchschnittliche Intelligenz noch Liebe zu dem Land, seiner Kultur und seinen angestammtes Menschen , haben. Gegenwärtig erleben wir, wie das ist. Dennoch könnte alles noch viel schlimmer werden. Wie z.B. würde eine grüne Regierung auf die griechischen Reparationsforderungen (2. WK) von 289 Milliarden € reagieren ? Abweisen oder nachgeben ? Ich befürchte es würde verheerend für uns werden. Wenn die Deutschen wirklich staatlichen Selbstmord begehen wollen, und so sieht es seit 2015 ja aus, liegen sie mit der Wahl der Grünen voll auf Kurs. Wenn aber nicht, frage ich mich, wer mit welchem Konzept das noch verhindern kann ?( Bitte jetzt nicht mit der AfD kommen.)

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