Henryk M. Broder / 24.04.2022 / 11:00 / Foto: Imago / 78 / Seite ausdrucken

Alice Schwarzer und die maximale menschliche Hilfe

Die Verlegerin und Chefredakteurin der Zeitschrift Emma hat in einem Online-Beitrag die frühere Bundeskanzlerin Merkel und den jetzigen Bundespräsidenten und früheren Außenminister Frank-Walter Steinmeier gegen Vorwürfe verteidigt, die beiden wären mitverantwortlich für das aggressive Vorgehen Russlands gegen die Ukraine.

„Was soll die rückwirkende Schelte für Steinmeier und Merkel?“, fragt Schwarzer rhetorisch an und weist darauf hin, dass es „während der Amtszeit des Ex-Außenministers und der Ex-Kanzlerin keinen Krieg, sondern Frieden“ gegeben habe. (Außer in der Ostukraine, aber das vergessen wir mal.) Mehr noch: Mit dem Minsker Abkommen von 2014 habe Merkel „vielleicht einen Weltkrieg verhindert“, so Schwarzer.

Merkels Lieblingsfloskeln

Wie wir alle wissen, sind retrospektive Aussagen so ziemlich das Riskanteste, das man unternehmen kann. Wäre der Welt das Dritte Reich erspart geblieben, wenn Hitler an der Wiener Kunstakademie angenommen worden wäre? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Und wäre der Nahe Osten heute eine Region des Friedens, hätten die Juden ihren Staat irgendwo in Europa ausgerufen, entlang der Donau oder rund um das Nördlinger Ries? Ganz ausschließen kann man es nicht.

Was die Zukunft angeht, müssten sofort „Verhandlungen“ aufgenommen werden, es sei nämlich „wenig hilfreich, den russischen Präsidenten zu dämonisieren“. Das hätte Angela Merkel nicht schöner sagen können. „Wenig hilfreich“ war neben „Wir schaffen das!“ eine ihrer Lieblingsfloskeln.

Ich nehme zwei

Die Lieferung „schwerer Waffen“ an die Ukraine lehnt Schwarzer entschieden ab. „Wir sollten es besser dabei belassen“, schreibt sie, „maximale menschliche Hilfe zu leisten, für die Ukraine wie für die Flüchtlinge“.

Leider führt sie diesen Gedanken nicht weiter aus. Sollten „wir“ den Ukrainern helfen, ihre Toten zu begraben, oder lieber jeder Ukrainerin, die in Deutschland ankommt, ein Emma-Abo schenken?

Wenn das bereits „maximale menschliche Hilfe ist“, nehme ich zwei.

Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche.

Foto: Imago

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

H. Krautner / 24.04.2022

Waffen in die Ukraine liefern? Waffen sind da, um Krieg zu führen und nicht um Frieden zu bringen. Waffen sind da, um Menschen zu töten. Wer Waffen liefert, ist damit schuld am Tot von Menschen und am Elend von Familien.                Krieg wird nicht geführt um Menschenrechte und Demokratie zu verteidigen. sondern allein um Interessen von Staaten durchzusetzen (hier in der Ukraine die Interessen von Russland und von den USA).

Steffen Huebner / 24.04.2022

@Arne Ausländer - Sein Staatsgebiet verteidigen, das wollte damals das souveräne Jugoslawien auch. Nur kam dann auch der völkerrechtswidrige Überfall der Guten, nur Sanktionen gab es keine.

Dirk Jäckel / 24.04.2022

Ich verabscheue Merkel nicht wegen ihrer Russlandpolitik - da war ich genauso naiv wie sie. Ich verabscheue sie, weil sie in ihrer unsäglichen Arroganz es nicht fertigbringt, einen Fehler zuzugeben.

Michael Müller / 24.04.2022

Für mich ist immer wieder erstaunlich, dass diese Frau, die ständig mit denselben Argumentationstricks arbeitet, so viel Anklang in der Gesellschaft findet. Sie schreiben völlig zurecht, dass “wenig hilfreich” eine beliebte Floskel von Frau Merkel war. Entweder wird das Übernehmen solcher sprachlichen Besonderheiten von Leuten wie Schwarzer intuitiv oder aus eiskalter Berechnung vollzogen. Diese Floskel hat sich eben bewährt, wie man bei Frau Merkel sah. Jeder Depp stimmt dann schnell zu, dass die Dämonisiering von irgendjemandem nun wirklich nicht sehr sinnvoll ist. Übersehen wird da sehr leicht, dass doch eigentlich niemand gefordert hat, Putin zu demonisieren. Frau Schwarzer arbeitet von jeher mit solchen argumentativen Tricks und Verdrehungen und kommt damit beim rot-grün-verblödeten Volk auch immer gut an. Eine weitere Eigenart von Frau Schwarzer ist es, völlig aus der Luft gegriffene absurde Thesen aufzustellen und diese am besten noch ein bisschen “feminin” zu entschärfen, indem man das Wort “vielleicht” hinzufügt. Ich habe noch nie von einem seriösen Kenner der Geschehnisse von 2014 die These gehört, dass mit dem Minsker Abkommen “vielleicht” ein Weltkrieg verhindert wurde. Tja, was mit dem Wort “vielleicht” so alles möglich ist. Im Übrigen: Männer fallen auf solche Argumentationstricks wie die von Schwarzer, Spiegel (und wie die nicht alle heißen) viel leichter rein als Frauen.

Gudrun Meyer / 24.04.2022

Nachträgliche Schelte für die Genossen Merkel und Steinmeier wäre “wenig hilfreich”. Dieselbe Alice Schwarzer hält nachträgliche Verurteilungen längst verstorbener Mitläufer (nicht Mittäter, aber auch da kann sie nicht unterscheiden) im NS für angemessen und gegenwartsaktuell. Dass diese Mitläufer ganztags unter Propagandabeschuss standen, übersieht sie gern, obwohl die Gegenwart genauso von Propaganda bestimmt wird, die Mehrheit diese Propaganda genauso hilflos schluckt, und obwohl die herrschende Minderheit einen “nur” in “Einzelfällen” blutigen Krieg gegen das eigene (im Sinne von Eigentum) Volk führt. Wenn A. Gauland sagt “wir wollen Deutsche bleiben, damit sind wir Weltbürger genug”, erklärt der Kampfdienst-gegen-Rechts den harmlosen Spruch, der noch um 2000 niemanden aufgebracht hätte, für “im Ansatz verfassungsfeindlich”. Die Aussage richte sich irgendwie gegen die Menschenwürde Nicht-Deutscher. Derselbe Haldenwang´sche Kampfdienst-gegen-Rechts interessiert sich genauso wenig für die Menschenwürde zwangsweise gentherapierter Menschen wie für medizin- und verfassungsrechtliche Fragen im Kontext mit der “Impfung”, der verantwortungslosen Propaganda dafür und der bestehenden “einrichtungsbezogenen Impfpflicht”. Auch der Druck auf alle, am medizinischen Experiment teilzunehmen, gehört zur Kriegsführung. - Alice Schwarzer weigert sich, Merkel und Steinmeier in irgendeiner negativen Sache als verantwortlich zu sehen. Schwarzer gehört seit langem selbst zur Elite, da sieht sie Belastungen und Entrechtungen der Untertanen gar nicht. Je mehr Wein jemand säuft, desto lauter und selbstverständlicher predigt er/sie den anderen Wasser.

Klaus Fritz / 24.04.2022

Tja, so tickt die. Und so ticken viele andere ihres Milieus. Einen Massenmörder darf man nicht “dämonisieren”. Muss man sich immer wieder vor Augen halten, auch wenn Schwarzer gelegentlich mal recht hat, etwa bei der Transgenderei.

Horst Jungsbluth / 24.04.2022

Alice Schwarzer sollte eher Liebesromane schreiben und sich aus der Politik raushalten,  da sie in diesem Bereich wohl ebenso fahrlässig agiert wie bei der Abfassung ihrer Steuererklärungen. So wollte sie uns nach dem gewaltsamen Tod von Gert Bastian und Petra Kelly im “Spiegel” ein Märchen auftischen, das von der Stasi-Verbindung Bastians und der geradezu infantilen Naivität Kellys ablenken sollte.  Den Einmarsch des Iraks in Kuweit fand sie nicht so “absurd”, aber als die NATO Kuweit befreien wollte, da jubelte sie (so HMB in dem Buch “Erbarmen mit den Deutschen) in ihrer “Emma”: “Seit dem 17. Januar befinden wir uns im dritten Weltkrieg”. Als dann das an dem Krieg gar nicht beteiligte Israel von Hussein mit Raketen beschossen wurde und die Amerikaner einen Schutz organisierten, da waren “Emma” Schwarzer und all die Friedensfreunde bis hin zum “Judenhasser” Ströbele von den Grünen aufs äusserste empört und sofort auf den Barrikaden, denn wenn man angegriffen wird, darf man sich nicht wehren.  Da ist eben das Dogma unserer “Friedensfreunde und unsere “Emma” ist sich nur treu geblieben!

Marc Greiner / 24.04.2022

Marc Chagall (1887–1985), russisch-französischer Maler, sagte 1939, es sei wenig hilfreich, den deutschen Führer zu dämonisieren. Natürlich sagte er das nicht. Aber ohne jetzt Chagall auf die Stufe von Schwarzer abwerten zu wollen, man stelle sich mal vor, eine bekannte Persönlichkeit hätte damals sowas gesagt. Und villeicht auch noch, nicht alle Deutschen sind Nazis. Absurd? Heute normal.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Henryk M. Broder / 03.04.2024 / 12:00 / 120

Kein Freibrief von Haldenwang

Von „Verfassungshütern“ wie Thomas Haldenwang geht die größte Gefahr für Meinungsfreiheit und Demokratie in unserem Land aus. Wenn die Bundesrepublik eine intakte Demokratie wäre, dann…/ mehr

Henryk M. Broder / 12.03.2024 / 14:00 / 62

Christian Wulff: Liechtenstein? Nein, danke!

Unser beliebter Ex-Präsident Christian Wulff hat Angst, Deutschland könnte auf das Niveau von Liechtenstein sinken. Das kleine Fürstentum hat auf vielen Gebieten längst die Nase…/ mehr

Henryk M. Broder / 07.03.2024 / 16:00 / 19

Aserbaidschanische Kampagne verhindert Armenien-Debatte

Eine in Berlin geplante Buchpräsentation und Diskussion über bedrohtes armenisches Kulturgut konnte aus Sicherheitsgründen nur online stattfinden. Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. (DGAP)…/ mehr

Henryk M. Broder / 04.03.2024 / 14:00 / 23

Michael Blume: Vom Zupfgeigenhansl zum Ersten Geiger?

In der Dienstzeit des Antisemitismus-Beauftragten Michael Blume hat die Zahl antisemitischer Straftaten in Baden-Württemberg erfolgreich zugenommen. Aber der Mann hat andere Sorgen. Ende Dezember letzten…/ mehr

Henryk M. Broder / 24.02.2024 / 12:15 / 35

Eilmeldung! Herr Schulz ist aufgewacht!

Im Büro der Bundestagsabgeordneten und Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses Marie-Agnes Strack-Zimmermann war nach einem Bericht von Achgut.com die Luft heute morgen offenbar besonders bleihaltig. Richtet man…/ mehr

Henryk M. Broder / 24.02.2024 / 06:00 / 125

Frau Strack-Zimmermann hat Cojones, ist aber not amused

Es spricht für Marie-Agnes Strack-Zimmermann (MASZ), dass sie mein Schaffen verfolgt. Deshalb hat sie noch eine Rechnung mit der Achse offen. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (MASZ) hat…/ mehr

Henryk M. Broder / 22.02.2024 / 10:00 / 80

No News aus Wolfsburg in der Tagesschau

In Wolfsburg stellt sich der VW-Chef auf die Bühne, um Weltoffenheit zu demonstrieren. Die Belegschaft hat derweil andere Sorgen. Die Tagesschau meldet, auch an diesem Wochenende hätten tausende…/ mehr

Henryk M. Broder / 18.02.2024 / 11:00 / 57

Eine Humorkanone namens Strack-Zimmermann

Ja, wenn einem deutschen Politiker oder einer deutschen Politikerin nichts einfällt, irgendwas mit Juden fällt ihm/ihr immer ein. Dass immer mehr Frauen in hohe politische…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com