Boris muss weg! Eine Aktion der Süddeutschen Zeitung

„Ich hätte nicht gedacht, dass es so schnell geht!“ Dieser Satz ist ein beliebter Ausdruck von Empörung in einschlägigen RTL-II-Sendungen, wenn die 13-Jährige völlig überraschend ihrer 26-jährigen Mutter offenbart, sie sei schwanger. Ja. Manchmal, da geht es schnell, ab und an und eventuell sogar ganz schön schnell. Ob beim Liebesakt oder bei einer der größten Tageszeitungen, der SZ, dessen Probeabo ich sehr schnell wieder gekündigt habe.

Sie erinnern sich vielleicht an die knallharte Enthüllung der Süddeutschen, als sich 185 Schauspieler outeten – und zwar nicht als heterosexuell. Aufgrund dieser fesselnden Geschichte musste ich das SZ-Plus-Abo bestellen. Das machen sie schon geschickt, diese Spitzbuben! Die wirklich heißen Neuigkeiten verbergen sich hinter der Bezahlschranke. Und so hatte ich Glück, dass mein Vertrag noch mehr als 20 Tage läuft, ich also den Beitrag der drei Herrschaften über den Journalisten Boris Reitschuster lesen durfte. 

Wunder gibt es nicht nur „immer wieder“, laut Katja Ebstein, man wundert sich auch immer wieder. Ja. Immerzu aufs Neue. In „Störfunk“, wie der SZ-Artikel vielsagend heißt, nehmen die Journalisten unliebsame Teilnehmer der Bundespressekonferenz, unter anderem Boris Reitschuster, auseinander. Alleine die Tatsache, dass Journalisten immerhin die Seite 3 der Printausgabe dazu nutzen, einen Kollegen zu schreddern, halte ich für bemerkenswert. Denn das Hauptaugenmerk sollte bei allen Hauptstadtjournalisten das gleiche sein: Kritik an der Regierung. 

Kritische Fragen sind Populismus

Sollte. Ich brauche Ihnen nicht erzählen, dass von Süddeutsche bis Öffentlicher Funk eine unheilige Allianz zwischen Journaille und Kanzleramt gepflegt wird. Freilich implizit. So braucht es keine große Verschwörung zwischen Verlagen und Merkel mit Barzahlungen und Repressionen, wenn doch eine viel stärkere Verbindung herrscht: die selbe Ideologie und die gleiche Überzeugung zwischen Journaille und dem Regierungskurs. Exakt das kritisiert Reitschuster. Eine Ausnahme ist sicherlich Tilo Jung, der in diesem Fall jedoch eine unrühmliche Rolle spielt. Doch hierzu später mehr. 

Der erste Vorwurf in dem Artikel an Reitschuster ist, dass er während der Pressekonferenz eine Maske trägt, auf der ein „X“ abgedruckt ist. Etwas später wird ihm vorgeworfen, dass er den Mund-Nasen-Schutz bei einem Wortbeitrag abnimmt. Hm, okay. Da kann wohl einer nichts richtig machen. Würde er zwei Masken tragen, was bereits empfohlen wird, hieße es, der Reitschuster würde nur provozieren. Laut dem Blogger hätte im Übrigen der Vorsitz der BPK gestattet, die Maske bei Fragen abzunehmen, wenn der Mindestabstand gewahrt ist. 

Doch es wird noch absurder. In verschiedenen Pressekonferenzen wollte Reitschuster wissen, wie hier von RKI-Chef Wieler, warum das Robert-Koch-Institut, anders als die WHO, bei einem positiven PCR-Test auf COVID ohne Symptome nicht einen zweiten Test empfiehlt. Kurzer Einschub: Praktisch hat diese Handhabung zur Folge, dass Menschen mit einem falsch positiven Testergebnis 10 beziehungsweise 14 Tage sinnlos in Quarantäne sind – übrigens selbst, wenn sie innerhalb der Zeit einen negativen Test nachreichen. Das interessiert die Gesundheitsämter wenig, weil das RKI, gewissermaßen ein Teil eines Bundesgesundheitsministeriums, dies nicht anordnet. 

Es folgen einige Halb- und Unwahrheiten, die Reitschuster selbst auf seinem YouTube-Kanal widerlegte. Den sprichwörtlichen Vogel schoss jedoch Tilo Jung ab, dessen Arbeit in der BPK ich durchaus schätze: „Das Entscheidende ist, dass er (Reitschuster) keinen Journalismus macht, sondern Desinformation und Propaganda“ und weiter in der SZ: „Es sei auch ein großer Unterschied, ob jemand mit Journalismus Geld verdiene oder wie Reitschuster mit Desinformation Spenden auf seiner Webseite sammle.“

Doch diese berechtigte, überfällige Frage scheint für die SZ Majestätsbeleidigung zu sein. „Die Methode ist klassisch populistisch. Weil sie ein kleines Wahrheitsmoment aufgreift, nämlich das offiziöse Sprechen, und daraus etwas Falsches macht“, sagt der Soziologe Ulf Bohmann, der hier den Experten mimt. Das ist schon erstaunlich: Eine einfache Frage ist hierbei bereits populistisch und damit ihrer Berechtigung entzogen? Wenn jemand zwei Wochen ohne Grund im Hause eingesperrt wird, bei der Familie noch Unsicherheit und Ängste produziert, was tausendfach der Fall war und ist, dann ist das eine Frage wert, die eine Antwort verdient. Doch das gilt offenbar nicht bei der SZ. 

Der gefällige Journalismus

Ok, langsam und Schritt für Schritt. Zunächst halte ich es für erstaunlich, dass der eine Journalist, ohne einschlägige Ausbildung in diesem Bereich, einem anderen mit einschlägiger Ausbildung in diesem Bereich abspricht, er sei Journalist, sondern vielmehr ein Propagandist. Ferner ist es gut so, dass Journalismus nicht eindeutig definiert und der Begriff nicht geschützt wird. Wie unvorstellbar hielte ich eine staatsnahe Kammer, die dem angehenden Journalisten ein Siegel zuteilt, das ihn womöglich für Veranstaltungen wie die Bundespressekonferenz erst legitimiert. 

Der zweite Teil ist jedoch noch viel abenteuerlicher: Boris Reitschuster nimmt Spenden. Wie kann er nur! Was haben wir für ein Glück, dass das Tilo Jung selbst nicht tut. Ferner halte ich Journalismus, der nicht alleine auf Werbeanzeigen angewiesen ist, wesentlich freier als Medienmodelle aus dem vorigen Jahrtausend, die mit meterlangen, staatlichen Werbekampagnen über Wasser gehalten werden. Von den Anstalten, die von Zwangsgebühren finanziert werden, brauche ich erst gar nicht reden.

Die SZ entblößt sich mit diesem Artikel als ein gefälliges Blatt. Für sie sind kritische Fragen an die Regierung allenfalls theoretisch eine Option. Journalismus bleibt eine Frage der Haltung. Hat man die richtige, ist man dabei. Hinterfragt man die der Bundesregierung, betreibt man Propaganda und Desinformation. Dies degeneriert die Süddeutsche zu einem Teil der PR-Maschinerie der Herrschenden.

Wenn Journalisten unliebsame Kollegen bekämpfen, statt ihren Job zu machen, dann sind sie deutlich vom Wege abgekommen. Deshalb istes  wichtig, mit denen zu stehen, die ihre Arbeit noch ernst nehmen und ihre bockbeinigen Fragen stellen. 

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Neomarius.

Foto: Heinrich-Böll-Stiftung CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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M.Riedl / 22.02.2021

Kann man einen “gefälligen Journalismus”  überhaupt noch als Journalismus bezeichnen ?  Und wann gedenkt Fr. Merkel endlich einen verbindlichen,  klaren Plan zur Rückkehr zum GG und unseren   Grundrechten vorzulegen ?  Aus gutem Grund   gab es bisher strengste Regeln für Entmündigung und Betreuung . Das IfSG macht die pauschale , dauerhafte   Entmündigung aller   erwachsenen Bürger und die ungeregelte   “Betreuung”  mit   unbegrenzter Macht der selbsternannten Betreuer möglich .  Wo bleibt der “Ethikrat ”  ,wenn man ihn mal braucht ?      

Klein Mike / 22.02.2021

Ich habe der SZ daraufhin geschrieben :  Ein Tag die SZ zu lesen ist möglich , aber sinnlos !!!!!!!

Jana Hensel / 22.02.2021

Das Scheissblatt (Zitat Broder) welches unironisch dazu aufruft “Mehr Diktatur (zu) wagen!”, stört sich an Reitschuster? Ein Ritterschlag für jeden demokratisch gesinnten Journalisten mit Ehre. Also von Leuten, die niemals für die SZ oder andere merkelianische Erbauungspostillen schreiben würden.

Milan Viethen / 22.02.2021

Haha, Hr.Stein, wunderbar . Wenn Ihrer Katze doch mal langweilig wird, koennen Sie das mit jeder anderen Zeitung von FAZ ueber BILD bis Tagesspiegel machen , dann alternativ weiter mit den grossen Wochenmagazinen . Sie taugen allesamt nicht zu mehr . Gruss

Miriam Große / 22.02.2021

Nichts gegen Herrn Reitschuster persönlich und seine selbstverfassten Beiträge auf seiner Seite, aber dass er tatsächlich Desinformationen verbreitet ist leider eine Tatsache. Alleine der heutige Artikel einer Gastautorin mit dem Titel “Irreführende Zahlen des RKI und der Landesbehörden” trifft bezüglich dieses Vorwurfes ins Schwarze, ebenso einige Beiträge des Herrn Fögen oder kürzlich ein Beitrag (Autorenname habe ich jetzt nicht parat)  in dem allen Ernstes behauptet wurde, das SARS Cov2-Virus sei nie isoliert worden (durch kurze Recherche widerlegbar). Sorry, aber das sind nun mal Desinformationen um nicht das böse V-Wort zu benutzen. Mit der Veröffentlichung solcher Beiträge disqualifiziert man sich selbst, da sollte Herr Reitschuster doch etwas Zeit in die Recherche investieren bevor er solche Gastbeiträge veröffentlicht.

Wiebke Lenz / 22.02.2021

Selbstredend muss dieses Subjekt eliminiert werden. Es erdreistet sich, die wohlüberlegten Gedankengänge der Obrigkeit von Gottes Gnaden in Frage zu stellen, die die geringen Untertanen nie zu erfassen vermögen.

Burkhard Mundt / 22.02.2021

Staatliche Werbeanzeigen gibt es halt nicht ohne Gegenleistung. Frau Merkel spendet nicht. Sie kauft ein. Herr Reitschuster ist nicht käuflich und daher frei in seinem Handeln. Damit stellt er seine Kollegen bloß. Und dafür hassen sie ihn.

Paul Siemons / 22.02.2021

SZ: Stürmer Zentralorgan. Das Deutsche Lügenblatt zum Kampfe gegen die Wahrheit. Der Platz von Julius Streicher in Nürnberg wartet schon. Ins Katzenklo würde ich das niemals legen. Das würde ja schlimmer stinken als ein monatelang vollgeka****** Klo.

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