Etliche große Unternehmen kündigen massiven Stellenabbau an. Derweil gefällt sich die Bundesanstalt für Arbeit in Symbolpolitik.
Ein weitverbreitetes Phänomen ist die kognitive Dissonanz. Die Psychologie versteht darunter einen negativen Gefühlszustand, der durch sich gegenseitig ausschließende Wahrnehmungen evoziert wird. Dies können Ziele sein, aber auch andere Meinungen. Ein Beispiel: Jemand predigt den ganzen Tag Toleranz und ruft den vielbeschworenen „Kampf gegen rechts“ aus, verbietet aber gleichzeitig jede andere Meinung jenseits der eigenen Sichtweisen.
Kognitive Dissonanzen, jedoch ganz ohne negative Gefühlszustände, spielen sich auch in den Medien ab. Wer einmal Nachrichten gemacht hat, der weiß, wie simpel man Meldungen nach seinem Sinn erzählen kann. Das geschieht jeden Tag zu jeder Stunde, egal in welchem Medium. Und da mein Thema der Arbeitsmarkt ist, schaue ich auf die Zahlen und die Interpretation in Funk, TV und Print. Inwieweit korrelieren sie mit den Presseinformationen der Agentur für Arbeit? Oder simpel gesagt: Wie verkaufen Politiker in diesem Monat unangenehme Wahrheiten als Erfolg?
Die Süddeutsche als verlängerter Arm der Bundesregierung
In Nürnberg, keine drei Kilometer von dem Punkt, an dem diese Zeilen entstehen, verkündete Andrea Nahles am 1. März 2023 die Arbeitslosenzahlen für Februar. „Die Zahl der arbeitslosen Menschen ist im Februar geringfügig gestiegen. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist erneut gewachsen. Insgesamt zeigte sich der Arbeitsmarkt trotz der angespannten wirtschaftlichen Situation beständig“. Sätze, die auch vorm Vormonat hätten sein können. Es handelt sich hier um austauschbare Worte einer selbstzufriedenen Chefin der Agentur für Arbeit.
Die Wahrheit sieht freilich anders aus. Rechnet man alle Arbeitslosen zusammen, also auch Ältere oder Menschen, die sich in mehr oder weniger sinnfreien Maßnahmen befinden, kommt Deutschland nicht auf die 2.620.000 Bürger ohne Job, sondern auf fünf Millionen und mehr. Das weiß auch Andrea Nahles. Und das wissen auch Journalisten, die die Propagandazahl aus Nürnberg Monat für Monat verbreiten.
Derweil verstehen sich Gazetten wie die Süddeutsche Zeitung als verlängerter Arm der Bundesregierung. Hinter der Bezahlschranke des Artikels „Warum die Krise keine Jobs kostet“, versteckt sich ein irres Stück von Whitewashing, was die Arbeit um das Ressort von Minister Hubertus Heil angeht. Zwar stimmt es, dass die Zahl der Erwerbstätigen gestiegen ist. Doch die Frage ist: Um welchen Preis?
Ford will tausende Stellen streichen
Zum einen steigt die Zahl derer, die Kurzarbeitergeld erhalten, seit diesem Jahr wieder an. Zum anderen kündigen reihenweise Unternehmen an, Mitarbeiter zu entlassen. Währenddessen verkündet die Agentur für Arbeit, dass digitale Elternabende der Bundesagentur für Arbeit auf großes Interesse stößt. So setzt jeder seine Prioritäten.
Die Dichte der Meldungen angeschlagener Konzerne ist beängstigend. Aufgrund der anhaltenden hohen Energiepreise kündigt der Chemiekonzern BASF an, 2.600 Stellen abzubauen. Die meisten davon in Deutschland. „Die Wettbewerbsfähigkeit der Region Europa leidet zunehmend unter Überregulierung“, sagte Konzernchef Brudermüller gegenüber dem Spiegel. Hohe Produktionskosten und ein massiver bürokratischer Aufwand, was Genehmigungsverfahren betrifft, bremsen seit Jahren das Wachstum. Wie es mit dem Unternehmen in der Zukunft weitergeht, ist offen: Die Standortgarantie für Ludwigsburg gilt lediglich bis ins Jahr 2025.
Als Reaktion auf das Verbot der Neuzulassungen von Verbrenner bis 2035 reagieren auch die Autobauer. So kündigte Ford an, 2.300 Stellen zu streichen. Betroffen sind auch Beschäftigte in Aachen und Köln. Gleichzeitig beschloss der US-Konzern, die Herstellung des günstigen Kleinwagens Fiesta einzustellen. Stattdessen setzt man in Nordrhein-Westfalen ganz auf Elektromotoren. Das Unternehmen, das mit der Einführung der Fließbandarbeit vor mehr als 100 Jahren die Herstellung von Gütern revolutioniert hat, beginnt sich dem woken Zeitgeist, befohlen aus Brüssel, anzupassen.
Bei RTL droht der personelle Kahlschlag
Auch der Autozulieferer Bosch muss Stellen streichen. Zwar ist die Anzahl der Stellen, die der Stuttgarter Weltkonzern abbauen will, noch nicht bekannt, der Betriebsrat benennt die Stimmung jedoch schlicht als „Alarmstufe rot“. In zehn Standorten sind Betriebsversammlungen einberufen worden. Experten fürchten gar das Abwandern ganzer Werke ins Ausland. Auch hier wirkt die angekündigte Verbotspolitik der EU. Man schätzt, dass in Deutschland knapp eine Million Beschäftigte direkt und indirekt am Erhalt des Verbrennermotors hängen.
Wenige hundert Kilometer weiter trat vor einigen Tagen Li Yong, Chef von KraussMaffei, vor die Mikrofone: „Angesichts der Herausforderung ist es wichtig, Maßnahmen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit zu ergreifen. (...) Deshalb haben wir verschiedene Maßnahmen (...) einschließlich des Abbaus von Arbeitsplätzen eingeleitet.“ Der bayerische Maschinenbauer beschäftigt rund 4.700 Mitarbeiter und ist seit 2016 im Besitz eines chinesischen Staatskonzerns.
Auch in der Medienbranche droht eine massive Stellenreduktion. Bei RTL prognostiziert der Chefredakteur des Magazins DWDL gar einen massiven Kahlschlag: „Spannend wird der kommende Dienstag (...). Während öffentlich fast ausschließlich die Zukunft der Gruner+Jahr-Marken diskutiert wurde, umfasst 'Project ONE' noch viele weitgehende Veränderungen bei RTL Deutschland. Seit Monaten hat man dafür Unternehmensberater im Haus, die nicht nur in Hamburg, sondern auch Köln alles auf den Prüfstand stellen. Bei allen Abteilungen wurden Vorschläge für Einsparmöglichkeiten eingefordert, sicher nicht ohne Konsequenzen." Derweil hat Axel Springer bereits Fakten geschaffen. So kündigte der Konzernchef Döpfner an, in den Bereichen Produktion, Layout, Korrektur und Administration würde es „deutliche Reduzierungen von Arbeitsplätzen” geben. Das teilte er der Belegschaft in einem Brief mit.
Bei der Agentur für Arbeit herrscht kein Handlungsbedarf
Die Liste der Unternehmen ist lang und dürfte noch länger werden. Schaeffler zum Beispiel. Der Autozulieferer denkt laut über die Verlagerung von Werken in die USA nach. Auch Volkswagen möchte in Zukunft in den Vereinigten Staaten investieren. Europa hängt sich selbst ab. Stellen werden außerdem bei Amazon gestrichen, bei Meta, Alphabet, Zalando und Otto.
Und was tut die Agentur für Arbeit dagegen? „Seit zwei Jahren bietet die Bundesagentur für Arbeit (BA) mit der App ,BA-mobil‘ Kundinnen und Kunden im Bereich der Arbeitslosenversicherung aktuelle Informationen sowie nützliche Funktionen direkt auf dem Smartphone an. Das Angebot wird auch in diesem Jahr weiterentwickelt.“, ließ die Behörde Anfang Februar verlauten. „Die beliebte Kunden-App” dürften in Zukunft wohl noch mehr Arbeitslose nutzen.
Andrea Nahles und Hubertus Heil sehen hier keinen Handlungsbedarf. Ihre kognitive Dissonanz ist himmelschreiend und dürfte in Zukunft eine Welle an Entlassungen mit sich bringen. Macht aber nichts: Durch ungezielte Einwanderung werden in Zukunft die Stellen besetzt, die es gar nicht mehr gibt. Vielleicht gibt es ja dafür dann auch eine App.
Julian Marius Plutz, 1987 geboren, betreibt seinen eigenen Blog neomarius.blog. Ferner erscheinen seine Texte auf TheEuropean.de, der Jüdischen Rundschau und Junge Freiheit. Hauptberuflich arbeitet er im Personalbereich.