Gastautor / 28.09.2021 / 06:15 / Foto: Pixabay / 87 / Seite ausdrucken

Zwei Uni-Schicksale im Corona-Herbst

Hier zwei Fallbeispiele, wie ungeimpfte Erstsemester durch die neuen 3G-Kontrollen, gelinde gesagt, Schwierigkeiten bekommen. Ältere Semester sind ebenfalls betroffen, aber die Erstsemester trifft es besonders hart.

Von Gerald Dyker. 

Die handelnden Personen in den nachfolgenden beiden Kurzgeschichten sind fiktiv, aber das geschilderte Geschehen entspricht den aktuellen Verordnungen und Gesetzen.

Der erste Fall

Ilya kommt aus St. Petersburg und hat dort bereits als hochtalentierter Student ein Jahr lang Maschinenbau mit allerbesten Noten studiert. Er hatte sich schon früh beim Goethe-Institut beworben und ist in das Förderprogramm der Studienbrücke aufgenommen worden. Natürlich hatte seine Familie groß gefeiert, dass ihm diese einmalige Chance geboten wird. Das hatte er sich aber auch durch seinen Fleiß und sein Talent redlich verdient. Nunmehr wurde er bereits in seinem Heimatland sprachlich und besonders fachsprachlich auf ein Studium in Deutschland vorbereitet und es wurde ihm die deutsche Lehr- und Lernkultur nahegebracht, wie es auf der Homepage des Goethe-Instituts so schön formuliert ist. 

Im Wintersemester 2021/22 ist er dann rechtzeitig vor Vorlesungsbeginn nach Deutschland gereist. Das International Office seiner neuen Universität hatte gemeinsam mit der Studienbrücke für ein umfassendes Betreuungsangebot vor Ort gesorgt, damit er hier einen guten Start hat. Jetzt ist aber kurzfristig eine besondere Hürde aufgetaucht: die neue Corona-Verordnung, die eine strikte 3G-Kontrolle verlangt. Nur Geimpfte, Genesene und Getestete dürfen an Lehrveranstaltungen in Präsenz teilnehmen und Präsenzveranstaltungen sollen wieder zur Regel werden, schließlich ist ein Übergangssemester hin zum Normalbetrieb angekündigt. Wie Ilya nun an seinem neuen Studienort erfährt, wird hier seine Sputnik V-Impfung nicht anerkannt. Man bemühe sich um eine Lösung, ist aber im Moment ein wenig ratlos. Sich nochmal mit Pfizer/BioNTech impfen zu lassen, hat Ilya sich ausgerechnet, dauert durchaus 8 Wochen, bis er als vollständig geimpft gilt. Die Tests sollen laut Verordnung nur noch 24 Stunden Gültigkeit haben und sind kostenpflichtig. In den 8 Wochen braucht er also 40 Tests, was 1.000 Euro kosten wird. Dafür reicht sein Stipendium nicht! Er hatte kurz überlegt, ob er sich nicht doch ohne Test in die Vorlesungen schleichen sollte. Aber mit dem extra aufgestockten Sicherheitsdienst seiner neuen Universität ist offenbar nicht gut Kirschen essen, und es ist bereits offiziell angekündigt worden, dass jeder Verstoß gegen die 3G-Regeln rigoros als Hausfriedensbruch zur Anzeige gebracht wird. 

Ilya denkt an die Familienfeier zurück. Bei der ausgelassenen Stimmung war nur Onkel Tolya mit seinem Skeptizismus aufgefallen. „Ich wünsche Dir viel Glück, mein Junge!“ hatte Onkel Tolya gesagt. „Aber denke daran: Kafka war zwar Tscheche, aber was seine Beschreibungen von bürokratischen Sümpfen angeht, könnte er deutsche Verhältnisse gut zum Vorbild genommen haben.“ Warum nur musste Onkel Tolya immer recht behalten?

Der zweite Fall

Rebecca ist im ostwestfälischen Rietberg aufgewachsen, hat in diesem Jahr ihr Abitur geschafft und wird als Erste in ihrer Familie ein Studium beginnen. Während des Lockdowns und der Quarantäne-Wochen der Schule hatte ihr der persönliche Kontakt zu den Mitschülern sehr gefehlt. WhatsApp oder Skypen sind einfach nicht das Gleiche wie ein Treffen in der richtigen Welt. Außerdem hatte Sie eine Autoimmunkrankheit entwickelt, deren Ursache ungeklärt ist. Zum Glück konnte die Krankheit zuletzt mit Cortison-Gaben fast völlig zurückgedrängt werden. Trotz dieser Widrigkeiten hatte ihr Abiturschnitt gereicht, um einen der begehrten Studienplätze in Psychologie zu ergattern. Auch bei der Suche nach einer Wohnung am Studienort hatte sie Glück, wenn man mal von der happigen Miete absieht. Als Ergänzung zum Bafög hatte ihre Oma ihr etwas Startkapital für ihr neues Studentenleben gegeben. Davon hatte der zu leistende Sozialbeitrag von fast 340 Euro bereits einen kräftigen Bissen verschlungen. Schön, dass darin eine Theater-Flat enthalten ist, sofern das Theater in diesem Semester überhaupt wieder öffnet und sie dann auch reingelassen wird. Auf jeden Fall freute sie sich darauf, sich in ihr Studium zu stürzen und natürlich neue Leute kennenzulernen. 

Bei der Begrüßungsveranstaltung zum Semesterauftakt mit Dekan, Studienberatern und der Psychologie-Fachschaft war sie in allerbester Stimmung, bis das Thema 3G-Kontrollen kurz angeschnitten wurde. Wegen ihrer Erkrankung und der notwendigen Behandlung mit nicht unproblematischen Medikamenten stand sie der Impfung eher reserviert gegenüber. Die kostenpflichtigen Tests konnte sie sich auf gar keinen Fall leisten. Jetzt hieß es, besser heute als morgen nach Rietberg zurückzufahren, um von ihrer Hausärztin ein Attest zu erhalten, damit die Kosten für die täglichen Corona-Tests übernommen werden. Leider vergeblich, ihre Hausärztin verweigerte ein solches explizites Attest. Am nächsten Morgen stieg sie ganz früh in den Zug zurück zum Studienort, um noch rechtzeitig zur ersten Vorlesungsstunde „Einführung in die Psychologie“ zu gelangen. Sie hatte zwar keinen gültigen Corona-Test dabei, aber die Hoffnung, dass sie mit Maske dennoch in den Hörsaal dürfe. 

Vor jedem der beiden Hörsaaleingänge standen Kontrolleure, die offenbar instruiert waren, sich die 3G-Belege ganz genau anzusehen. Sie wählte den linken Eingang und traf dort auf Bertram Knochel, bereits Psychologie-Student im 5. Semester. Bertram hatte die Gelegenheit ergriffen, sich für diesen 450-Euro-Job zu melden, als er am schwarzen Brett gelesen hatte, dass studentische Hilfskräfte für die 3G-Kontrolle im Wintersemester gesucht werden. Als wortgewandter, fortgeschrittener Psychologiestudent sah er sich für die Aufgabe bestens gerüstet. Bertram hatte im Internet ein wenig recherchiert, was Türsteher oder besser Bouncer, wie sie sich selber nennen, an psychologischen Tricks draufhaben sollten. Es gab ihm ein gutes Gefühl, in der Pandemie eine solch wichtige Aufgabe übernehmen zu dürfen, irgendwie mit dabei in vorderster Reihe beim Kampf gegen den Virus. Und vielleicht kann ihm sein Job als universitärer Bouncer auch für sein eigenes Psychologie-Studium als Praktikum anerkannt werden. In der Corona-Zeit ist schließlich so Einiges möglich geworden, woran man früher nicht einmal im Traum gedacht hätte.

Nun kam also diese Erstsemester-Studentin auf ihn zu, ohne einen Beleg in der Hand. Da hieß es für Bertram: Obacht geben! Rebecca fragte ihn höflich, ob sie mit Maske in die Vorlesung dürfe. Einen aktuellen Test habe sie gerade nicht dabei, aber sie sei vor zwei Tagen vor dem Semesterauftakt negativ getestet worden. Bertram griff mit seiner Antwort auf eigene Erfahrung zurück, die er vor einer Disco sammeln durfte, als er selbst mal abgewiesen wurde, und antwortete betont cool: „Du kommst hier nicht rein.“ Das war für Rebecca in diesem Moment zu viel und es entfuhr ihr ein „Was soll das werden? Ein fucking Milgram-Experiment oder eine Neuauflage von Die Welle?“. Bertram stutzte einen Moment, überrascht von den Begriffen, mit denen er in diesem Moment nichts anfangen konnte. Er blieb gelassen und antwortete: „Milram ist eine Quarkspeise und jetzt verzieh Dich.“ 

Ab Mitte Oktober sind solche Schicksale zwar nicht im Kino zu sehen, aber in Universitäten in Ihrer Nähe.

 

Gerald Dyker ist Hochschullehrer, als Studiendekan an seiner Fakultät dafür verantwortlich, dass die Lehre läuft, und wird als Studienberater bei Problemfällen konsultiert, wenn die Fortsetzung des Studiums auf der Kippe steht.

Lesen Sie als aktuelle Ergänzung zu diesem Beitrag auch: Corona-Regime an den Unis: Protest eines Vaters

Foto: Pixabay

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Leserpost

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M.Schoenfinkel / 28.09.2021

Hallo G.Sieger und alle anderen Verzweifelten: Bitte verlassen Sie dieses Land bzw schicken Sie Ihre Kinder ins Ausland. Es wird hier so bald nicht besser. Ich rate dies schweren Herzens, aber ich fürchte zumindest kurzfristig ist es die einzige Lösung. Den Kampf gegen Windmühlen hat selbst der “Ritter von der traurigen Gestalt” verloren.

F.Bothmann / 28.09.2021

Hier im Ruhrgebiet müssen die Studenten farbige Bändchen tragen um ihren „C-Status“ zu zeigen. Mir fehlen hierzu derzeit noch die Worte. Welche mir einfallen sind Apartheid oder Impffaschismus. Auf jeden Fall ist das ein gewaltiges Gesellschaftszerstörungpotential was da gerade an den Universitäten mit den jungen Menschen gemacht wird. - Wäre es nicht auch in diesem Fall ein gute Strategie diese Menschen ausfindig zu machen und zu benennen, die hierfür verantwortlich sind. Diese „Regeln“ fallen ja nicht vom Himmel sondern sind menschengemacht. Eine Aufgabe bspw. für investigative Journalisten. Oder der Gastautor kann mit seinem Wissen etwas näher die Quelle dieses faschistoiden Verhaltens beleuchten…

Jo Pabst / 28.09.2021

Alternative: dieses Land verlassen. Ist sowie besser, wg Untergang, Rente uä. Ein Maschinenbauer wird sehr wahrscheinlich überall in dieser Welt gern gesehen, von D einmal abgesehen. Nur bei Psychologie: eher schlecht, wenn dann USA, sonst d. g.

Belo Zibé / 28.09.2021

“Es gab ihm ein gutes Gefühl, [.........................] eine solch wichtige Aufgabe übernehmen zu dürfen, irgendwie mit dabei in vorderster Reihe beim Kampf gegen [.........]”.  Ja, die Roberts [“Die Welle”]  haben wieder Hochkonjunktur und sie nehmen das, was sie unter Kampf verstehen äusserst ernst.

M. Schulte / 28.09.2021

An unserer Hochschule wird jetzt im kommenden Semester wieder in Präsenz unterrichtet. Zutritt zu Vorlesungen und Klausuren erhält nur, wer Geimpft, Getestet oder Genesen ist. Der Test hat 48h Gültigkeit und am Eingang der Hochschule wird vom Sicherheitsdienst kontrolliert und tagesaktuelle Armbändchen verteilt… Ein freundlicher Hinweis in der Rundmail: ab Oktober gibt es kostenlose Tests nur noch für Studierende, die nachweisen können, dass sie nicht geimpft werden können. Nach zwei Semestern digitaler Vorlesung folgt nun ein Semester im Selbststudium ohne Vorlesung, da ich mich nicht 3x die Woche testen lassen werde…

Sirius Bellt / 28.09.2021

@Thomas Wetzel. Ihre Argumente sind absolut nachvollziehbar. Ihre Wut und Enttäuschung auch. Stünde ich vor dieser Entscheidung, die letztlich nichts anderes als eine Erpressung für Studenten mit schmalem Budget ist, würde ich der Uni erstmal den Rücken kehren und eine solide Handwerksausbildung machen, bei einem Chef dem der Impfstatus egal ist. Alles Gute für Sie und bleiben Sie aufrecht, auch wenn das sicher der schwerere Weg ist.

Peter Holschke / 28.09.2021

@Boris Kotchoubey - ganz einfach, es gibt offenbar nur vier wesentliche Professoren an der Universität.

Fred Burig / 28.09.2021

@Gunter Hesse: “.. Und die Wähler:innen und :außen haben es am Sonntag zum zweiten Mal wie schon 2017 mit überwältigender Mehrheit sanktioniert ” Ja, es ist nur noch zum “Fremdschämen”! MfG

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