Thomas Rietzschel / 06.01.2022 / 12:00 / Foto: Doris Antony / 81 / Seite ausdrucken

Zurück in die Platte!

Die neue „Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen“, Klara Geywitz, gehört nicht zu denen, die man aus dem Fernsehen kennt. Obwohl eine Vertraute des Kanzlers, die sich mit ihm 2019 um die Parteiführung der SPD bewarb, wird sie nicht alle naselang interviewt oder zu Talkshows eingeladen.

Und wenn man sie schon einmal zu Gesicht bekommt, fällt vor allem auf, dass sie spricht, ohne die geschlossenen Lippen zu bewegen. Statt dass sie redet, redet es aus ihr. So auch vor wenigen Tagen, als sie prophezeite, die neue Bundesregierung werde sich verstärkt um die Schaffung bezahlbaren Wohnraums kümmern, und zwar in Windeseile. 400.000 neue Behausungen pro Jahr würden angestrebt.

Um das Ziel zu erreichen, wolle man Städte, Gemeinden und Dörfer bei der Erschließung von Bauflächen unterstützen. Dass dafür viele Gewerbegebiete zu Wohngebieten umgewidmet werden müssten, weiß jeder, der sich am eigenen Wohnort umschaut. Beides darf sich in Deutschland gegenseitig nicht durchdringen. Im reinen Wohngebiet ist die Ansiedlung von Gewerbe untersagt. Im unmittelbaren Umfeld von Firmen, kleineren und größeren, oftmals Handwerksbetrieben und Handelsunternehmen, dürfen keine Wohnimmobilien entstehen.

Da Frau Geywitz aber nicht vom Fach ist, sondern Politologin mit dem Parteibuch der Sozialisten, steht sie nicht an, den Gemeinden zu versprechen, man werde „bei den komplizierten Planungen helfen“, kurzum, Mittel und Wege finden, bestehende Gesetze taktisch zu modifizieren. 

Stockwerk für Stockwerk

Auch wenn es darum geht, das Tempo des Bauens zu erhöhen, ist die Ministerin nicht um Einfälle verlegen. Ihr Zauberwort heißt „serielles Bauen“: „Module“, Wände, Decken, Balkone, Bäder und Toiletten sollen industriell in Serie vorgefertigt werden, um sie dann an jedem Standort auf eine gegossene Bodenplatte stellen und verschrauben zu können, Stockwerk für Stockwerk. Ganz neu ist das nicht, vielmehr eine Rückkehr zur „Platte“, mit der die DDR schon vor einem halben Jahrhundert ihr Wohnungsproblem zu lösen dachte.

Beschlossen wurde das Programm auf der 10. Tagung des ZK der SED Anfang der Siebziger. Wie in Halle-Neustadt entstanden danach fünf- bis sechsstöckige Häuser, in denen man aufpassen musste, nicht in die falsche Wohnung zu geraten, weil ein Block wie der andere aussah, innen und außen. Die Menschen durften sich darin fühlen wie die Karnickel in ihren Ställen.

Das DDR-Fernsehen indes zeigte glücklich strahlende Familien, die sich zu freuen hatten, wenn sie Erich Honecker bei Kaffee und Kuchen im neuen Heim besuchte. Gern stammelte der Staatsratsvorsitzende bei solchen Gelegenheiten: „Schön habt ihr es hier, fließend kaltes und warmes Wasser, Bad, WC und Heizung.“ Mit süßem Wein wurde auf die Errungenschaften des Sozialismus angestoßen. 

Auf dem Weg zurück in die Vergangenheit

Hunderttausende solcher Unterkünfte entstanden innerhalb weniger Jahre; drei Millionen sollten es werden. So weit ist es dann nicht mehr gekommen, weil die DDR kurz vor dem Ziel absoff. 

Kam Besuch aus dem Westen, fragte er sich, wie man unter derartigen Verhältnissen überhaupt leben konnte. Bald werden das freilich auch die Frankfurter, die Kölner, die Münchner oder die Hamburger lernen müssen. Die Bundesbauministerin hat die Fortsetzung des Wohnungsbauprogramms der DDR beschlossen. Ein weiterer Schritt auf dem Weg zurück in die Vergangenheit, seriell organisiert. Es kann doch nicht alles schlecht gewesen sein, was die Leute im Osten veranlasst hatte, die SED-Bonzen zum Teufel zu jagen. Jedenfalls scheinen Frau Geywitz und ihre rot-grünen Kabinettskollegen davon überzeugt zu sein. 

Was nun noch fehlt, ist der fortschreitende Verfall bestehender Bausubstanz in den Städten. Doch selbst das dürfte sich machen lassen, haben erst alle begriffen, dass siegt, wer von der DDR siegen lernt. Die „Platte“ war schließlich nur die Kehrseite einer Politik, die darauf abzielte, privaten Immobilienbesitzern den Garaus zu machen. Lässt sich doch auch so Raum für das „serielle“ Bauen schaffen.

Also ein Hoch auf die „Platte“, das Bauwunder des Ostens. Immerhin würden dabei, sprach es weiter aus der Ministerin, „sehr viel Baulärm und lange Bauzeiten“ vermieden. Das bauliche Antlitz des neuen Sozialismus wäre grün geschminkt. 

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Leserpost

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Albert Pflüger / 06.01.2022

Es ist nicht das Problem, zu bauen. Jedenfalls nicht das Hauptproblem. Es geht vielmehr darum, Wohnungen zu bauen, die für billiges Geld zu mieten sind. Da liegt der Hase im Pfeffer. Es fehlt an billigem Bauland, an billigem Material und an billigen Bauvorschriften, und es fehlt an zügigen Baugenehmigungen. Erst zuguterletzt fehlt es dann an den Baukapazitäten.

Thomas Roth / 06.01.2022

Seien Sie Mal nicht so destruktiv. La Défance in Paris ist so ziemlich das Modernste, was ich an Stadtplanung und Umsetzung gesehen habe. Motorisierter Verkehr (Autos, Bahnen sowieso) komplett unterirdisch, Kunst, (z B. Jean Miró), Ministerien, Wohnungen, Einkaufsläden, Restaurants. Wenn man boshaft sein will, eine Plattenbausiedlung. Aber keine mit dem Tristen Charme sowjetischer Wohnsilos oder balkanischer Verwahrlosung wie in Rumänien oder dem preußischen Einheitslook der DDR. Plattenbau ist nicht per se schlecht.

P. F. Hilker / 06.01.2022

At Wolf Ludwig. Wenn ich so einen Mist lese, wünsche ich mir die Mauer wieder und Sie auf der anderen Seite.

Carsten Bertram / 06.01.2022

Weniger Zuwanderung und schon braucht es keine Platte

Sabine Schönfelder / 06.01.2022

Wolf@Ludwig, SIE allein betreiben hier Spaltung. Aufgrund eines kritischen Artikels über Plattenbau- Archtektur. Dabei entlarven Sie nur Ihre antrainierte sozialistisch-linke Denke aus alten DDR-Kader-Erinnerungen. DAMALS, als der passionierte SED-MIT-Läufer, s i c h t b a r überzeugt, noch von den kargen Vorteilen innerhalb linksfaschistoider Vettern-Wirtschaft profitierte. Auch die DDR war gespalten, Sie realitätsfremder Nostalgiker. In Merkelisten und Fußvolk. In Erdulder und Spitzel. Der Plattenbau ist eine architektonische Mißgeburt. Dem nackten Versorgungsprinzip untergeordnet. Ohne Ästhetik, Liebreiz, Raffinesse. Ohne baulichen Enthusiasmus, Menschlichkeit oder Wohlfühl-Esprit. Sie verwechseln, - und ich nehme an ganz bewußt und „korrektiv“, -  das verbindende Mangelbewußtsein der kleingehaltenen Ossis in Käfighaltung mit Wohnambiente und notgeborener gegenseitiger Hilfeleistung. Gott zum Segen existieren diese Bausünden nicht nur in der ehemaligen DDR. Sie können nach Frankreich ziehen bis die neue Generation an Platte fertiggestellt ist. Sie Glückspilz. Übrigens, haben Sie schon einmal in einem wunderbaren kleinen Haus am Meer gelebt? Frei und unabhängig, ruhig, nur von wunderschöner Natur umgeben? Ich wohne darin; und zwar gern. Nach der Wende und auch davor durfte ich erfahren, daß es „driiim“ viele traumhaft gestaltete Gebäude in Mitteldeutschland gibt. In Dresden, dieser großartigen Barock-Stadt, ist die Platte geradezu ein baulicher Alptraum und soll jetzt noch „baudenkmalig“ veredelt werden. Eine Schande, initiiert von denjenigen, die eine herrliche Altbauwohnung ihr eigen nennen. Ganz schöne Heuchler. Finden Sie nicht auch, Herr Ludwig?

Roland Stolla-Besta / 06.01.2022

Bezahlbarer Wohnraum im Plattenbau!?! Das kling doch nicht gerade nach artgerechter Haltung von Stimmvieh! Da sollte mal unser neuer Landwirtschaftminister einschreiten!

Hans Reinhardt / 06.01.2022

Serielles Wohnen für den seriellen Menschen, die Einheitswohnung passend zum neuen Einheitsdenken. Das mit der Heizung und dem warmen Wasser sollte man aber nicht zu ernst nehmen, man kann sich auch an dem Gedanken erwärmen, dass man immerhin gerade die Welt rettet. Ist das etwa nichts? Wenn man die neuen Plattenbauten entsprechend isoliert, (ich meine, wer braucht schon Fenster?), dann kann auf eine Heizung sowieso verzichtet werden, der Pöbel heizt seinen Wohnblock in der Zukunft durch seine eigene Körperwärme. Der Begriff GVE (Großvieheinheit) wird bei der Bedarfsberechnung die Kilowattstunde ablösen und wenn wir alle schön in unseren Wohnboxen bleiben, dann haben wir es auch kuschelig warm dort. Mit der Maskenpflicht wurde schon erfolgreich das Einheitsgesicht durchgesetzt, an der einheitlichen Volksvergiftung durch eine einheitliche Impfung wird gerade auf Hochtouren gearbeitet, und wenn wir demnächst alle solidarisch auf Flüge, Individualverkehr, Fleisch und überhaupt eine eigene Meinung verzichten, dann sind wir endgültig in der Ameisenrepublik Deutschland angekommen. Willkommen in der “Neuen Normalität”. Das alte “Normal” wird nur noch in Gruselgeschichten für Kinder überleben bzw. hinter hohen Mauern für die Eliten.

Uwe Schäfer / 06.01.2022

Ich will’s mal so sagen: Wenn die regierenden Ökostalinisten-Sozialisten sich das, was in der Zone einigermaßen funktioniert hat, abgucken, dann zerstören sie unser Land wenigstens nicht vollkommen. Immerhin haben sich ja Erich und Co wenigstens im Rahmen der beschränkten sozialistischen Möglichkeiten bemüht und nicht wie die Linksgrünen mit voller Absicht das Land zerstört. Dann werden wir eben, falls sie hoffentlich die nächste Wahl verlieren, beim Stand von 1990 mit einer Regierung, die zum Wohle des deutschen Volkes handelt, noch einmal von vorn anfangen.

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