Auch in der vergangenen Woche war es wieder Heiko Maas, der den Vogel abschoss. Nachdem er uns erst unlängst erklärte, dass es sich nicht gehöre, die Regierung bei der Umsetzung ihrer Pläne auf das Recht festzunageln, kündigte er nun Gesetze an, die uns vor dem Anblick erotisch reizvoller Frauenkörper in der Werbung bewahren sollen. Wahrlich ein Problem, das der Gesellschaft unter den Nägeln brennt, auch wenn uns das bisher noch gar nicht so bewusst gewesen ist.
Allerdings muss ich gestehen, in der Sache befangen zu sein. Bei der Beurteilung dessen, wovor uns der Justizminister bewahren will, fällt es mir persönlich schwer, objektiv zu bleiben. Es geht nicht, es wäre wider die Natur. Schließlich schaut mir, wann immer ich in den Spiegel blicke, ein Mann entgegen. Seit Jahr und Tag trage ich einen Bart, und nicht nur das. Schöne Frauen, die unverhüllt posieren, sehe ich lieber als den perfekt gedressten Bundesjustizminister. Ich bin zweifelsohne ein Sexist.
Das unterscheidet uns, mich und den coolen Heiko, der es offenbar leid ist, sich von der „herabwürdigenden Werbung“ erotisch und optisch herausfordern zu lassen. Als „geschlechtsdiskriminierend“ will er sie so schnell wie möglich verbieten.
Nur, wer wird da eigentlich von wem diskriminiert und so dargestellt, dass sein Anblick Abscheu erregen müsste und uns veranlassen könnte, die Gezeigten zu verstoßen? Denn nichts anderes bedeutet ja der Begriff der Diskriminierung als die Herabsetzung und den Ausschluss einzelner oder ganzer Gruppen und Ethnien wegen ihres bloßen Soseins.
Diskriminiert waren die Frauen, solange die Männer ihnen das Wahlrecht oder den Zugang zu Universitäten verwehrten. Den Tatbestand der Diskriminierung erfüllte die Darstellung der Afrikaner als Buschwilde in den Hochzeiten des Kolonialismus, insbesondere zum Ausgang des 19. Jahrhunderts. Auch die Karikaturen, mit denen „Der Stürmer“ und der „Völkische Beobachter“ die Juden verunglimpften, waren eine widerliche Diskriminierung.
Kann man der Werbung unserer Tage ähnliches vorwerfen? Warum sollte sie Abscheu wecken wollen vor den Frauen, seltener auch den Männern, die sie zeigt? Versucht sie nicht vielmehr, sich ein Schönheitsideal zunutze zu machen, das wir seit der Antike vor uns her tragen? Nahezu jede Anzeige, jedes Plakat, auf dem die Beine oder der Busen einer Frauen zu sehen sind, huldigt der weiblichen Schönheit.
Wer das verbieten will, der müsste in einem nächsten Schritt auch dafür sorgen, dass die Venus von Milo zerschlagen wird, Goyas „Nackte Maja“, Manets „Olympia“ und sein „Frühstück im Grünen“ für immer in den Depots der Museen versteckt, wenn nicht gleich verbrannt werden. An den Ursprung der Welt von Gustave Courbet sei nur der Vollständigkeit halber erinnert.
Dass er solche Werke verbannen möchte, wollen wir nicht einmal Heiko Maas unterstellen. Wie er aber auf den Gedanken verfallen kann, dass eine Bikini- oder Strumpfwerbung diskriminierend verstanden werden könnte, müssen wir uns schon fragen. Bei den Frauen, die dafür posieren, kann es sich jedenfalls nicht um die Ausgegrenzten handeln, die man ausschließen, nicht mitmachen lassen wollte. Oder sollte sich am Ende gar Heiko Maas selbst diskriminiert fühlen, weil man ihn noch nicht als Unterhosen-Model entdeckte, es noch keine Einladung zum Shooting in einem tank top gab?
So bleibt nur die Feststellung, dass es bei dem albernen Versuch eines gesetzlichen Verbots freizügiger Werbung abermals um die Machtanmaßung eines Staates geht, der alles und jedes reglementieren möchte, um seine totalitäre Expansion zu rechtfertigen. Doch glücklicherweise gibt es dann wieder Politiker vom Format eines Heiko Maas. Ausgestattet mit dem Durchblick eines Kleiderständers, macht er es uns leicht, ihm und seinesgleichen auf die Schliche zu kommen. Wir warten gespannt, welchen Vogel er demnächst abschießen wird.