Was für ein Theater: Die Bambis und die Schlächter

„Männer braucht das Land!“, blökte es aus der anderen Leitung. Und schwupps war ich dabei. Ich hätte nicht gedacht, dass es so einfach geht, Schauspieler zu werden. Aber wenn Wolfgang Schulz, Gott habe ihn selig, es am Telefon so sagt, dann folge ich ihm. Männer braucht also das Land. Ok. Stolz wie Oskar notierte ich mir den Tag, an dem ich zum Ensemble stoßen sollte. „Endlich werde ich berühmt!“, dachte ich mir. Auf den Brettern, die, die … na, Sie wissen schon.

Drei Tage später nahm ich teil an der ersten Probe. Und was soll ich sagen? Es übertraf jede Art meiner Vorstellung von Skurrilität. Ja. Da war alles dabei. Die Esoterikerin, die Intellektuelle. Der Hippie. Die bedeutende Vollblutdarstellerin und der dickliche Schwule. Das verkannte Genie und, natürlich, der General als Regisseur, ein Paradebeispiel absurder Originalität. Und alle hatten eines gemein: Sie waren schwer links. Und ich war mittendrin. 

Unser aller Text in dieser ersten Probe bestand aus einer choralen Anreihung von Worten wie „Brüssel“. Noch mal: „Brüssel.“ Immer wieder „Brüssel“. Ja, was ist denn in Brüssel? Und ehe ich mich's versah, kam die Antwort. „Brüssel brennt!“ Und nochmal. „Brüssel brennt.“ Und jetzt alle! Bis dann plötzlich in dieser irrsinnigen Litanei ein Kollege „An allen vier Ecken!“ hineinruft. Ok. Brüssel brennt an allen vier Ecken. Irgendwann kam der vollends bekloppte Chor zum diabolischen: „Anzünden!“ „An allen vier Ecken“, rief wieder der Andere. Und wieder alle: „Brüssel.“ So ging das 20 Minuten. Es war so entsetzlich abgedreht, dass ich die erste Probe bloß staunen konnte. 

„Erst wenn der Rehbock bellt, kommt auch die Ricke“

Das Stück hieß „Wer nicht kämpft, hat schon verloren“ und war im Grunde nichts weiter als ein linksextremistisches Pamphlet in prosaischer Form. Von Hartz IV wurde eine üble Linie zu den Terroranschlägen des 11. September gezogen – und wieder zurück. Nicht wenige der Protagonisten sahen die Bühne als Ort der Revolution. Und täte der Ischias nicht so zwicken oder wäre nicht gerade Theaterprobe, würden sie auch im Privatleben mit Pflastersteinen werfen.

Sie waren nicht nur links, sie waren linksextrem. Und das war okay. Keiner störte sich daran. Und auch ich spielte, bis auf ein paar Diskussionen einmal abgesehen, die Revolution auf der Bühne mit. Beim Vorgängerstück handelte es sich um ein Loblied an die RAF. Doch auch in „Wer nicht kämpft, hat schon verloren“ kam die Rote Armee Fraktion nicht zu kurz. In einer Szene wurde die Verschwörungstheorie um den Tod des Terroristen Holger Meins – „Sie ließen ihn bewusst verhungern“ – reaktiviert. In einer anderen Szene verkörperte ich (!) Andreas Baader mit einem einzigen Satz: „Erst wenn der Rehbock bellt, kommt auch die Ricke.“ Bitte fragen Sie mich nicht, was dieser Satz bedeutet. Ich habe bis heute keine Ahnung.

Jella Haase versteht die RAF 

Die eigentümliche Romantisierung der RAF oder deren Verbrechen hat bei vielen Linken Methode und ist Selbstzweck zugleich. Jüngstes Beispiel: Jella Haase (Foto oben), Schauspielerin, unter anderem in dem cineastischen Albtraum „Fack ju Göthe“. Diese außerordentliche Leuchtgranate erzählt in einem Interview, sie teile die Grundgedanken der RAF. Ich möchte Frau Haas nicht über Gebühr betonen, so wichtig ist sie nicht. Und doch ist sie und ihre Aussage prototypisch. 

So spricht sie: „Die RAF hat Menschen umgebracht, dass darf und will ich nicht verharmlosen. (…) Aber den Grundgedanken, die Kapitalismuskritik, den teile ich.“ Grundgedanke super, Umsetzung ausbaufähig. Wow. Wir alle wissen, inwieweit die Floskel „Das möchte ich nicht verharmlosen“ als Distanzierung von etwas taugt: Richtig, gar nicht. Sie möchte also keine Terrortoten verharmlosen. Da haben die Angehörigen der 34 Opfer, die die RAF auf dem Gewissen hat, aber Glück gehabt. Ich möchte auch keine Kinderschänder verharmlosen. Das muss ich auch betonen. Natürlich will keiner Mord verharmlosen. Goldene Regel, Zehn Gebote, gesunder Menschenverstand, was auch immer. Es versteht sich von selbst.

Wenn Frau Haase und Friends den Grundgedanken der RAF teilen, dann teilen sie denklogisch auch den Terror. Denn alles, was die RAF aussagen wollte, haben sie mit ihren Taten ausgesagt. Mit dem Verbreiten von Angst und Schrecken. Das war ihre Botschaft. Der Rest war reines Geschwätz von Töchtern aus Hamburger Villen und Kleinkriminellen. Was soll denn von der Ideologie einer Terrorgruppe lobenswert sein, die sich nach den Sowjettruppen nannte? Was kann man von ideologischer Gewalt und systematischem Hass lernen? Die RAF betrieb keine Hochschule oder schrieb bedeutende Bücher, aus denen man lernen und schöpfen kann. Die Bande war nichts weiter als Schlächter. 

Gesinnung vor Verantwortung

Die Relativierer erklären ihre Liebe zur richtigen Gewalt mit der sogenannten Kapitalismuskritik. Hierzu könnte man vieles sagen. Nun ist Kritik auch in ihrer Sinnfreiheit berechtigt. Jedoch kann niemals Gewalt ein adäquates Mittel sein und Mord darf nie auch nur in Kauf genommen werden, um ein System zu kritisieren. Ein System im Übrigen, das den Protagonisten und ihren Opfern zu atemberaubendem Wohlstand verholfen hat. Ich finde es immer wieder erstaunlich, dass man selbsternannten Humanisten das Einmaleins des Humanismus erklären muss. Nicht zuletzt und zu allererst ist es die Marktwirtschaft, die Humanismus erst möglich macht. Denn im Handel(n) steckt die Freiwilligkeit und der Wahlakt, zwischen Optionen zu wählen. Etwas, das der dirigistische Sozialismus nicht gewährleisten kann – erfolgt doch alles aufgrund großer, jahreumspannender Pläne. 

Ein weiteres Stück der Bühne, der Theaterwerkstatt zu Würzburg, auf der ich anno dazumal fast zum Star wurde, handelte von Che Guevara. Der ewige Posterboy realitätsferner Linken reiht sich ein in die Galerie der Schlächter. Wahrscheinlich teilt Frau Haase auch den Grundgedanken des argentinischen Revolutionärs. Bestimmt sogar. In einer Welt von guter und schlechter Gewalt drückt man schon mal das eine oder andere Auge zu. Für Empörung reichen Sympathiebekundungen von Linksterroristen nicht. Schade. Die Angehörigen der Opfer verhöhnen sie damit. Doch das ist ihnen egal. Die Gesinnung zählt vor der Verantwortung.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Julian Marius Plutz' Blog Neomarius.

Foto: Peter Hartwig CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Andreas Rühl / 25.02.2021

Vor einiger Zeit fragte mich mal jemand, warum ich es so kategorisch ablehne, ein deutsches sprechtheater zu besuchen. Ich habe keine Antwort gegeben, nur gelacht.

Manni Meier / 25.02.2021

“„Brüssel“. Noch mal: „Brüssel.“ Immer wieder „Brüssel“. Ja, was ist denn in Brüssel? ... „Brüssel brennt!“ Und nochmal. „Brüssel brennt.“ ... Und wieder alle: „Brüssel.“ So ging das 20 Minuten.” Hach, Nostalgie, wie lieb ik dir. Ist doch schön zu hören, dass das experimentale revolutionäre Theater sich seit den 68-igern treu geblieben ist. Keiner weiß so genau was das soll, aber man findet’s ganz toll fortschritlich. Hab ich ja ‘ne Menge Kohle für Eintrittskarten gespart, und brauche es nicht zu bereuen.

Hans Reinhardt / 25.02.2021

Gut, sollen sie doch den Kapitalismus kritisieren. Zum Glück fristet der gemeine Schauspieler sein Leben als Hungerleider. Das hat er dann davon, wenn die Moral vor dem Fressen kommt. Lasst sie ruhig von der RAF träumen, vor diesen Armleuchtern muss sich niemand fürchten, die erschlägt man leicht mit einem nassen Lappen.

W. Hoffmann / 25.02.2021

Schauspiel- und sonstige Bühnen habe ihren Auftrag erfüllt: das Linke salonfähig machen. Jetzt sind alle Schaltstellen besetzt, die Arbeit ist getan. Damit kann die Truppe abtreten, sie wird nicht mehr gebraucht. Der Lockdown kam wie gerufen, um hinterrücks den Theatern den Geldhahn zuzudrehen. Als nächstes sind die Wildwüchse bei Rundfunk und Fernsehen und bei der Presse dran. Wenn nur noch eine Meinung zu verkünden ist, braucht man keine Vielfalt an Medien. Willkommen in Nordcorona.

Frank Stricker / 25.02.2021

“Mein Name ist Haase, ich weiß von nix”. Ein neuer Stern am (extrem)linken Firmament. Zwar nicht die hellste Kerze auf der Torte, aber für die taz oder die Süddeutsche dürfte ihr überschaubarer Intellekt reichen…....

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Julian Marius Plutz, Gastautor / 07.06.2023 / 14:00 / 23

Arbeitsmarkt im Mai: Viele ungelernte Migranten

In Deutschland haben 2,5 Millionen Menschen zwischen 20 und 34 keine Berufsausbildung – jeder zweite davon hat Migrationshintergrund. Diese Ungelernten haben auf dem Arbeitsmarkt kaum eine…/ mehr

Julian Marius Plutz, Gastautor / 05.05.2023 / 16:00 / 26

Arbeitsmarkt im April: Jobs verschwinden, das Bildungsniveau sinkt

Während die Klebekinder Paul Lafargues Motto „Das Recht auf Faulheit“ ins 21. Jahrhundert transportieren, sinkt das Bildungsniveau in Deutschland. Einwanderung hilft da kaum, denn es…/ mehr

Julian Marius Plutz, Gastautor / 03.04.2023 / 16:00 / 12

Arbeitsmarkt im März: Agenda-Erfolge und Migranten-Arbeitslosigkeit

Fachkräfte werden fast überall gesucht, selbst ältere sind auf dem Arbeitsmarkt gefragt, derweil sind Menschen „mit Migrationshintergrund“ unter Arbeitslosen und Bürgergeldempfängern deutlich überrepräsentiert. Ich weiß…/ mehr

Julian Marius Plutz, Gastautor / 02.03.2023 / 16:00 / 26

Arbeitsmarkt im Februar: Massenentlassungen angekündigt

Etliche große Unternehmen kündigen massiven Stellenabbau an. Derweil gefällt sich die Bundesanstalt für Arbeit in Symbolpolitik. Ein weitverbreitetes Phänomen ist die kognitive Dissonanz. Die Psychologie…/ mehr

Julian Marius Plutz, Gastautor / 06.02.2023 / 14:00 / 25

Arbeitsmarkt im Januar – Die Fachkräfte verlassen Deutschland

Die offiziellen Arbeitslosenzahlen blenden weiterhin viele Arbeitslose aus, und beim Fachkräftemangel soll Zuwanderung helfen. Dabei wird gerade die Abwanderung der deutschen Fachkräfte zunehmend zum Problem. Andrea…/ mehr

Julian Marius Plutz, Gastautor / 03.01.2023 / 14:00 / 12

Arbeitsmarkt 2023: Ein Ausblick ohne viel Hoffnung

Haben Sie auch die Nase voll von 2022? Rückblicke des Grauens, des Grusels und der Gräueltaten? Ähnlich ging es bei einem meiner Themen, dem Arbeitsmarkt,…/ mehr

Julian Marius Plutz, Gastautor / 02.12.2022 / 12:00 / 21

Arbeitsmarkt im Dezember – kaum Entspannung

Die Lage am Arbeitsmarkt bleibt prekär. Und das geplante „Bürgergeld”, das erst recht keinen Anreiz schafft, eine Beschäftigung anzunehmen, ist geeignet, die sozialen Spannungen im Land weiter zu…/ mehr

Julian Marius Plutz, Gastautor / 03.11.2022 / 16:00 / 19

Arbeitsmarkt im Oktober: Azubis fehlen an allen Ecken

Azubis werden in allen Branchen händeringend gesucht. Dax-Konzerne wie Continental oder Commerzbank können nicht alle ihre Ausbildungsstellen besetzen. Das Zauberwort als Lösungsvorschlag der Linken ist…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com