Die Landtagswahl vom 26. September 2021 muss wiederholt werden. Der Berliner Verfassungsgerichtshof hat die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus 2021 für komplett ungültig erklärt. Die afrikanischen Verhältnisse in der Hauptstadt sind nun offiziell.
2015 erklärte die unabhängige Wahlkommission Tansanias wegen „schwerwiegender Unregelmäßigkeiten” die Ergebnisse der Wahlen im halbautonomen Archipel Sansibar für ungültig. 2017 annullierte das Oberste Gericht Kenias das Ergebnis der Präsidentenwahl. Nach Angaben des Richters hatte die Wahl nicht den Vorgaben der Verfassung entsprochen, die erfassten Stimmen aus den Wahlbüros waren manipuliert worden. Und 2019 erklärte das Verfassungsgericht in Malawi das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen wegen „systematischer und schwerer" Unregelmäßigkeiten für null und nichtig. Die Wahlkommission hatte zugegeben, dass die Ergebnisse mithilfe von Tipp-Ex (!) überschrieben und 1,4 Millionen der insgesamt 5,1 Millionen Stimmen manipuliert worden waren.
Offenbar passieren solche Dinge in Zweijahresabständen. Berlin wollte da nicht zurückstehen und zog im September 2021 nach. Das zeitigte spät, aber immerhin, Folgen: „Die verbundenen Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen werden im gesamten Wahlgebiet für ungültig erklärt“, sagte Verfassungsgerichtspräsidentin Ludgera Selting heute. Dies sei „wegen Häufigkeit und Schwere der Wahlfehler erforderlich“. Und Marcel Luthe, zuletzt parteiloser Spitzenkandidat der Freien Wähler, stellt fest: „Nun wird zu klären sein, ob eine nicht aus Wahlen hervorgegangene Versammlung ein Parlament sein kann. Dazu liegt dem Gerichtshof und dem 18. und 19. Abgeordnetenhaus mein Eilantrag vor. Wer nicht gewählt ist, ist kein Abgeordneter – und die Entscheidung des Gerichts gilt ab sofort."
Nach Prüfung von Wahlunterlagen aus allen 2.257 Wahllokalen steht fest: Im Vergleich zur deutschen Hauptstadt schneiden die eingangs erwähnten afrikanischen Staaten gar nicht so schlecht ab. In Berlin gab es weder genügend Wahlkabinen noch genügend Wahlunterlagen, mancherorts lagen sogar die falschen Wahlzettel (etwa die von Charlottenburg-Wilmersdorf in Friedrichshain-Kreuzberg) aus, wegen des zeitgleich stattfindenden Marathons kam der Nachschub nicht durch, gebietsweise war jedes zweite Wahlprotokoll fehlerhaft. Wähler warteten teilweise stundenlang vor den Wahllokalen, um dann unverrichteter Dinge nach Hause zu gehen. Resultate wurden mitunter geschätzt. „In Friedrichshain-Kreuzberg wurden die Wahlprotokolle lose in Pappkartons geworfen, auf vielen fehlten die Ergebnisse oder die Unterschrift, Zahlen wurden durchgestrichen und Spalten vertauscht“, fasst BILD die „Pannen-Wahl“ zusammen. „Es gab mehr Wähler als Wahlberechtigte und falsche Stimmzettel wurden für die Zweitstimme ausgegeben. Zwei Drittel der Wahllokale schlossen weit nach 18 Uhr, als die Prognosen schon bekannt gegeben wurden.“
Man klebt auf den Straßen und an Stühlen
Ein veritables Desaster, einer Demokratie unwürdig, anders lässt es sich leider nicht sagen. Der damalige Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD), der dafür die Verantwortung tragen dürfte, eine solche aber weit von sich weist, sitzt inzwischen als Abgeordneter im Bundestag. Seine Parteifreundin und Nachfolgerin Franziska Giffey, die, strenggenommen, infolge einer nicht verfassungskonformen Wahl die Stadt regiert, darf nun um ihren Posten bangen. Vor vier Tagen pfiff sie allerdings noch im dunklen Keller – tatsächlich liegt die SPD nach aktuellen Umfragen hinter Grünen und der Union –, als sie den Genossen beschied, „dass es ganz wichtig ist, dass wir uns weder beirren lassen noch bange machen.“
Andreas Geisel, zum Zeitpunkt der Wahl im September 2021 an der Spitze der für die Wahl zuständigen Innenverwaltung, ist nunmehr Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen und verschwendet ebenfalls keinen Gedanken an einen Rücktritt. In der Hauptstadt kleben sich nicht nur Klimaapokalyptiker auf Straßen fest, sondern offenbar auch Politiker an ihren Stühlen.
Jetzt dürften sich die Grünen Hoffnungen machen, ihre Spitzenkandidatin Bettina Jarasch ins Rote Rathaus zu bringen, während die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde herumkrebst. Neben zahlreichen Einzelpersonen und Kandidaten war die AfD die einzige Fraktion, die gegen den Wahlausgang Widerspruch eingelegt hat. Das ist die Partei, der von den anderen gern „Demokratiefeindlichkeit“ vorgeworfen wird in der Bananenmetropole Berlin.
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