Der Vergleich hat einen Fehler. Den Mäusen wurden die paradiesischen Bedingungen von einer externen Instanz (“Mäusegott”) zur Verfügung gestellt. In unserer Gesellschaft muss alles, was verfressen wird, von einer schwindenden Zahl Arbeitsmäuse geschaffen werden, der alte Mann im Rollstuhl gehört nicht dazu. Wenn diese Gruppe die Lust verliert, bevor die Einwanderer entsprechende Kompetenzen und Selbsdiszplin erworben haben, fängt es im Käfig an zu knallen.
Das biologistische Mäuse-Modell einer «Gesellschaft» erscheint mir, auf den Menschen übertragen, zumindest fragwürdig. Ich möchte dies mit einem Zitat begründen, das ich in bei Rémi Brague gefunden habe [in dem Buch «Les ancres dans le ciel», der Autor ist Professor für Philosophie an der Sorbonne und an der Ludwig-Maximilians Universität München]. Brague verweist auf die Metaphysik als essentiellen Teil der menschlichen «Infrastruktur». Der Menschheit stelle sich zunehmend die Frage der Legitimität ihres Fortbestehens. Die Antwort – notwendigerweise eine metaphysische - hat entscheidenden Einfluss auf die Vitalität einer Gesellschaft. «Es braucht keine Metaphysik, geschweige denn (ihre populäre Version) eine Religion, um zu wissen, was für das Zusammenleben gut ist. Es genügen eine gute Moral, wirksame Gesetze und eine gute Politik, die sie durchsetzt. Das genügt, wo es nur darum geht, dass Menschen in Frieden miteinander leben. Aber der heutige Mensch hat sein Schicksal selbst in die Hand genommen. Er will und kann frei entscheiden, zu sein oder nicht zu sein. Daher stellt sich von nun an eine neue Frage: die der Legitimität des Menschen. Es genügt nicht, dass das Leben für die heute Lebenden angenehm oder interessant ist - niemand bestreitet das. Aber das Leben des Menschen an sich muss gut sein, damit er ein Recht hat, andere ins Leben zu rufen. Es ist aber eine metaphysisches Urteil, zu behaupten, dass die Existenz der Menschheit besser ist als ihr Nichtsein. Eine starke Metaphysik ist erforderlich, damit das menschliche Leben legitim bleibt. Metaphysik ist nicht - oder mehr - ein „Gebäude in den Wolken“: sie ist zur Infrastruktur des menschlichen Lebens geworden. Der Mensch ist im wörtlichen Sinn das „metaphysische Tier“ in der Welt.» Säkulare Gesellschaften, die die Frage der Legitimität (bzw. des Sinns) der menschlichen Existenz nicht mehr positiv beantworten können, haben - nach Brague - einen Vitalitätsnachteil, der vielleicht die Bevölkerungsstagnation der westlichen Welt mit erklärt.
kleine genetische und evolutionsbiologische Unschärfen außer Acht gelassen (hier werden tierexperimentelle Ergebnisse in die soziopolitisch-kulturelle Sphäre transponiert: Die europäische Bevölkerung ist selbst als Bruchteil der Weltbevölkerung groß genug, um eine genetische Inzuchtgefahr kategorisch ausschließen zu können - der Finanzminister braucht sich also über die Gene seiner Wähler keine Sorgen zu machen, umso mehr über die Meme) eine SUPER-Analyse.
Das ist aber eine recht eigenwillige Interpretation des Experimentes. Wesentlich war doch die Abgeschlossenheit des Versuchsraume und die hohe Dichte an Tieren. Ob die Zufuhr von neuen Tieren diese Gesellschaft wieder aufbaut oder stabilisiert ist aus dem Versuch nicht zu erkennen.
Wow, wieder mal große Klasse! Ich habe seit Jahren das Gefühl in einem SchleFaz Science-Fiction gefangen zu sein, wo eine verückte Wissenschaftlerin die Weltmacht an sich reißen will und eine neue Menschenrasse züchten will. Aus Rache für ihr zerstörtes Labor im Ostblock. Das schlimmste ist, wie in “Und ewig grüßt das Murmeltier“ wird die Verhuschte von ihren Versuchs-Menschen immer wieder gewählt. Vielen Dank Herr Vahlefeld
Interessante neue Aspekte (für mich)! Auch causa Schäuble betreffend! Ja, wenn der Genpool einer Auffrischung bedarf, dann sollte das “Material” mit Bedacht gewählt werden. Zu spät. Einerseits würde ich gern erleben, wie die trägen Eitlen und Guten erschreckt aufwachen, andererseits tut’s mir in der Seele weh um alles Erreichte und Erschaffene und drittens bin ich qua Gnade der relativ frühen Geburt dann schon nicht mehr unter den hier Lebenden…
In Tibet kann man aktuell erleben wie ein Volk durch ein anderes ersetzt wird. Viele viele Völker in der Geschichte wurden schon ersetzt und sind ausgestorben. Für die allermeisten dieser Völker und deren Menschen war es kein schöner Vorgang. Außerdem waren das auch öfters “dunkle Zeitalter”, in denen die vorherige schriftliche Zivilisation zusammengebrochen ist, so dass es kaum schriftliche Aufzeichnungen über diese Zeit gibt. Meist dauerte dieses “dunkle Zeitalter” Jahrhunderte. Ob das alles so “erhebend” ist, wage ich zu bezweifeln.
Ein hochinteressanter Artikel und die Analyse des Autors würde passen, wenn Deutschland kein Sozialstaat, also kein Calhounsches Mäuseparadies wäre, denn eben jener Sozialstaat wird das “wilde Genmaterial”, das Europa vor der “degenerierenden Inzucht” schützen soll, selbst zu “trägen Schönlingen” machen, da das angesprochene “Genmaterial” aufgrund seiner vielfältigen Defizite praktisch keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat und daher in Zukunft überwiegend von Sozialtransfers(Harz4) und damit im übertragenen Sinne im “goldenen Mäusekäfig” leben wird. Richtig?
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