Claudio Casula / 26.10.2022 / 14:00 / Foto: Pixabay / 91 / Seite ausdrucken

Volksverhetzungs-Paragraf im Schweinsgalopp verschärft

Von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt, ohne Ankündigung und nach ultrakurzer Debatte zu später Stunde hat der Bundestag Ende voriger Woche überraschend eine Verschärfung des Volksverhetzungs-Paragrafen 130 StGB beschlossen. Warum so heimlich? 

War bisher nur die Billigung von Straftaten (Paragraf 140 Strafgesetzbuch) sowie die Leugnung und Verharmlosung des Holocausts (Paragraf 130 Absatz 3) strafbar, so stellt nun ein neuer Absatz 5 auch das „öffentliche Billigen, Leugnen und gröbliche Verharmlosen“ von „Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen“ unter Strafe – „wenn die Tat in einer Weise begangen wird, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören“. Eine wahrscheinlich gewollt schwammige Formulierung (Stichwort „Gummiparagraf“), die Staatsanwaltschaften bedenklich viel Interpretationsspielraum lässt. Aufstachelung zum Hass wird ja mittlerweile schon jedem vorgeworfen, der die Kompetenz von Politikern ohne jegliche Ausbildung infrage stellt oder über die Korpulenz einer Parteivorsitzenden witzelt.

Nun gibt es folgenden Hintergrund: Die Änderung musste offiziell wegen der Umsetzung einer EU-Richtlinie erfolgen. Gegen die Bundesrepublik war laut Bundesjustizministerium ein von der EU-Kommission im Dezember 2021 angestrengtes Vertragsverletzungsverfahren anhängig. Die Kommission hatte gerügt, dass Deutschland den vom 28. November 2008 stammenden EU-Rahmenbeschluss zur Bekämpfung von Rassismus nur unzureichend umgesetzt habe. So sei nach deutschen Recht das öffentliche Leugnen oder das gröbliche Verharmlosen von Völkerrechtsverbrechen nicht unter Strafe gestellt.

Hier stellt sich allerdings die Frage, warum die Gesetzesverschärfung, mit der die öffentliche Billigung, Leugnung und gröbliche Verharmlosung „ausdrücklich pönalisiert“ werden soll (entsprechende Straftaten können mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe belegt werden) vom federführenden Rechtsausschuss in einem unscheinbaren, sachfremden Gesetz zum Bundeszentralregister versteckt und dann im Schweinsgalopp durchs Parlament gepeitscht wurde. Wie die taz schreibt:

„Die Verschärfung des Strafrechts beruhte auf einer zunächst nicht öffentlichen ,Formulierungshilfe‘ des Justizministeriums von Marco Buschmann (FDP). Völlig unbemerkt von der Öffentlichkeit beschloss der Rechtsausschuss am Mittwoch, den Vorschlag in einem harmlosen Gesetz zum Bundeszentralregister unterzubringen. So konnte auf eine erste Lesung verzichtet werden. Und schon einen Tag später hat der Bundestag die Änderung abschließend beschlossen – als letzten Tagesordnungspunkt kurz vor 23 Uhr.“

„Hau-Ruck-Verfahren“

Die Ampelfraktionen stimmten dafür, ebenso wie die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, deren rechtspolitischer Sprecher Günter Krings zwar das „Hau-Ruck-Verfahren“ kritisierte und die Umstände für „ärgerlich wie bedenklich“ hielt, da es sich um einen wichtigen Straftatbestand handele, aber die Verschärfung „in der Sache richtig“ fand. 

Die AfD und die Linke stimmten dagegen. Laut Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte Amira Mohamed Ali, Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag: „Inhaltlich führt die Verschärfung dazu, dass nun deutsche Staatsanwaltschaften beurteilen müssen, ob ein Kriegsverbrechen vorliegt.“ Das sei jedoch „gerade bei den aktuellen Vorgängen“ kompliziert. Der rechtspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Thomas Seitz, monierte die Intransparenz des Verfahrens. Auch sei die Voraussetzungen für eine Strafbarkeit weiterhin zu unbestimmt.

Überall Leugner, Verharmloser, Volksverhetzer

Mit dem Ukraine-Krieg habe die Verschärfung des Paragrafen 130 StGB nichts zu tun, behauptet Justizminister Buschmann. Schon bisher sei die Leugnung und Verharmlosung von Kriegsverbrechen als Volksverhetzung strafbar gewesen. Allerdings sind entsprechende Gerichtsurteile nicht bekannt. Bisher war nur die Billigung des russischen Angriffskriegs justiziabel. Noch einmal die taz:

„Die beschlossene weitreichende Regelung wäre EU-rechtlich auch nicht zwingend gewesen. Denn der EU-Rahmenbeschluss von 2008 lässt den EU-Staaten durchaus gewisse Spielräume. So können sie etwa nur die Leugnung und Verharmlosung solcher Kriegsverbrechen unter Strafe stellen, die bereits durch ein internationales Gericht endgültig festgestellt wurden. Darauf kommt es nun aber nicht an. Es genügt für die Strafverfolgung von gröblich verharmlosenden Meinungsäußerungen, dass eine Staatsanwaltschaft bestimmte Handlungen als Kriegsverbrechen einstuft.“

Der Verdacht drängt sich auf, dass allzu viel Differenzierung und grundsätzliche Zweifel an offiziellen Darstellungen nun noch stärker als bisher Gefahr laufen, kriminalisiert zu werden. Nicht zuletzt brachte das kritische Hinterfragen der grundrechtseinschränkenden Maßnahmen in der Corona-Krise den Urhebern umgehend den Vorwurf ein, „Corona-Leugner“ zu sein und die ach so tödliche „Pandemie“ zu verharmlosen. Eine abweichende Meinung zu äußern, wird desto mehr zum Drahtseilakt, je schmaler der Graubereich zwischen zulässiger Meinungsäußerung und strafbaren Aussagen wird. Was wahr ist und was falsch und was man für wahr halten darf und was nicht, bestimmt zunehmend der Obrigkeitsstaat. Gesund ist das für eine freiheitliche Demokratie nicht. Das scheint auch der Regierung bewusst zu sein, sonst hätte sie die Gesetzesnovelle nicht einer derart fishy riechenden Nacht-und-Nebel-Aktion durchs Parlament geschmuggelt.

Foto: Pixabay

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Bernd Oberegger / 26.10.2022

Welche geäußerten Meinungen sind das? Vielleicht die folgende Meinung? Die Lage in der Ukraine ist vergleichbar mit dem spanischen Bürgerkrieg, einem Vorläufer und einer Übung für den zweiten Weltkrieg. Wir sehen auch eine “Legion Condor”, die ihre Waffen testet, Ärgeres plant, die Vernichtung von Menschenleben billigt. Es ist kein anderes Prinzip. Toten ist die Anklage verwehrt, die noch Lebenden sollten sie erheben.

Silas Loy / 26.10.2022

@ Théodore Joyeux - Sie haben den Überfall der USA und der “Koalition der Willigen” auf den Irak vergessen. Für die “Planung und Durchführung eines Angriffskrieges” wurde man in Nürnberg immerhin noch gehängt.

Christina Link / 26.10.2022

Wir sollen mundtot gemacht werden. Ist der Bürger mal unbequem, ist er gleich rechtsextrem. Gegen Ungeimpfte wurde derart gehetzt und diffamiert, das wurde alles aufgezeichnet, wer das war. Sind die jetzt auch alle dran oder ist das dann auf einmal nicht gültig. Andere Gruppen haben Narrenfreiheit. Ich kann nur kotzen was hier läuft und das jeden Tag 3 mal. Wenn das endlich auch mal die Masse begreifen würde, es ist nur noch furchtbar.

Jörg Hensel / 26.10.2022

Dejure leben wir nach wie vor in der DDR, da die DDR-Verfassung nicht aufgehoben und das GG nicht in Kraft gesetzt wurde. Folge von Art. 4 Ziff. 2 EinigVtr. (Beseitigung der Rechtsgrundlage für den Beitritt). - Und das ist noch lange nicht alles!

Thomas Brox / 26.10.2022

Wer legt denn fest, was Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen sind? Wer legt fest, was eine Billigung oder gröbliche Verharmlosung ist? Wer legt fest, was Menschlichkeit ist. Ist z.B. die Hinrichtung von Schwerstverbrechern (Mörder, Drogendealer) unmenschlich? Da bin ich anderer Meinung. Ist das jetzt strafbar? ++ Von den 9 Menschenrechtsabkommen der UNO haben die USA genau 3 ratifiziert, siehe [Wikipedia: Menschenrechte in den Vereinigten Staaten]. Finde ich richtig. Ich bin ein entschiedener Anhänger der klassischen Bürgerrechte, aber kein Freund der aufgeblähten Menschenrechte (die inhaltliche Diskussion will ich jetzt nicht führen). Die klassischen Bürgerrechte sind in der US-Verfassung klar formuliert, zumindest im Vergleich mit dem angeblich so tollen GG. Ein fundamentales Bürgerrecht ist z.B. die Meinungsfreiheit. ++ Der ganze § 130 StGB ist ein Paradebeispiel eines aufgedunsenen, schwammigen Gummiparagraphen. Einfach mal das Meisterwerk durchlesen. Es wird nicht mehr lange dauern, dann wird der Phänomenbereich “Delegitimierung des Staates” in einem langen, schwammigen Schachtelsatz ebenfalls Eingang in dieses Meisterwerk finden. Sozusagen als Abrundung könnte man auch gleich “niederschwellige Phänomene” unter Strafe stellen - die Definition wird dann in bewährter Weise der Justiz überlassen. Oder - noch besser - man übernimmt noch ein paar Anregungen aus dem Artikel 58 des Strafgesetzbuches der RSFSR, in der Fassung des Jahres 1934.

S. Andersson / 26.10.2022

Wenn ich das wieder lese, kann ich nicht umhin auf den Gedanken zu kommen das die Polit-Genossen es schon riechen können das es kurz vor Game Over ist. Betonbarrikaden, Polizeiübergriffe mit Agent Provokateur,  unsinnigste Verordnungen und Gesetze die mehr als grenzwertig sind. Gesteuerte Inflation die Menschen um ihr Erspartes bringen etc, etc. Da machen dann nur noch die Lakaien mit …. wenn der Unfug mal nicht dem nächst in ganz grossen Knall endet. Leute… so kommt ihr da ganz sicher nicht mit heiler Haut raus. Dringend mal von echten Profis rat ein holen!!

Silas Loy / 26.10.2022

Wollte Herr Buschmann vor einem Jahr noch und vor den Wahlen nicht das verfassungswidrige NetzDG ersatzlos streichen? Jetzt geht er also lieber gegen “Wehrkraftzersetzung” vor. Im Handstreich kurz vor Mitternacht. Und auch die CDU/CSU zog er mit, halb sank sie hin und die liberale Bürgerlickeit ward nicht mehr gesehen. Wie wär’s noch mit Majestätsbeleidigung? Walter der Staatsoberhauptende war ja gerade erst in Canossa-Kiew, das könnte noch für sehr unfreundlichen Spott sorgen.

T. Schneegaß / 26.10.2022

@Bettina Jung: Sie, aber nicht nur Sie, machen sich ab sofort immer strafbar, wenn Sie Regierungserklärungen widersprechen. Denn es ist immer entweder Hetze oder Delegitimierung, oder im Optimalfall beides.

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