Volker Seitz / 16.04.2022 / 14:00 / 9 / Seite ausdrucken

Volker Schlöndorffs Afrika-Film: Der Waldmacher

Volker Schlöndorff hat einen wertvollen Film über Entwicklungshilfe und Renaturierung in Afrika in die Kinos gebracht.

In einem früheren Artikel für die Achse des Guten hatte ich im Zusammenhang mit der „Grünen Mauer“ quer durch Afrika und der Geldverschwendung übereifriger „Geber“ darauf hingewiesen, dass Volker Schlöndorff eine Dokumentation über den australischen Experten für Wiederaufforstung und Landwirtschaft Tony Rinaudo drehte („Mit Milliarden Bäume pflanzen“).

Schlöndorfs Film "Der Waldmacher" über die Regeneration zerstörter Waldflächen in der Wüste ist dieser Tage ins Kino gekommen. Volker Schlöndorff hat deshalb mehrere Interviews gegeben. Aus dem ausführlichsten Gespräch mit der „Welt am Sonntag“ (Printausgabe, Seite 64) vom 10. April 2022 möchte ich ein paar interessante Bemerkungen festhalten:

„Man muss keine neuen Wurzeln züchten, man muss – sozusagen – das Kraftwerk dieses unterirdischen Wurzelnetzwerks nur wieder anwerfen, damit es seine Säfte erneut nach oben schießt. Das ist keine neue Erkenntnis, aber man hat sie nie systematisch eingesetzt, bevor Rinaudo kam. Dass das funktioniert, davon habe ich mich überzeugt.“

„Man kann das nicht mit eingeflogenen Helfern machen. Die Bauern selbst müssen es machen, und man muss sie dabei in den ersten Jahren unterstützen, bis die Böden regeneriert sind. Leider sind die Landwirtschaftsministerien vollkommen uninteressiert an diesem Konzept. Denen sind große Pläne viel lieber: Wir pflanzen jetzt eine Million Bäume, und dafür werden 100 Millionen Dollar lockergemacht. Aber dieses Geld bleibt in den Hauptstädten hängen und kommt nicht aufs Land.“

Zur derzeitigen Entwicklungshilfe:

„Ich besitze kein Patentrezept. Aber so, wie die Entwicklungshilfe jetzt läuft, kann es nicht weitergehen, es hat sich in 60 Jahren fast nichts entwickelt. Selbst afrikanische Wirtschaftstheoretiker sagen, es würde ohne Entwicklungshilfe größeren Fortschritt geben, weil man dann gezwungen wäre, eigene Lösungen zu finden“.

Zur Familienplanung:

„...ist dringend notwendig. Die wird aber bislang erst in Ruanda und in Kenia praktiziert.“

Schlöndorff hat in den letzten 12 Jahren, nach eigenen Angaben, ein Dutzend längere Reisen nach Afrika unternommen. Für den Film war er in sechs Ländern der Sahelzone, jeweils zwei, drei Wochen. Das Filmteam reiste nach Ghana, Niger, Burkina Faso, Mali, Senegal und Äthiopien. Schlöndorff begleitet Rinaudo durch die Länder, filmt ihn z.B. mit Dorfbewohnern im Niger. Hilfreich ist, dass Rinaudo Hausa spricht und die Leute auch deshalb Vertrauen zu ihm haben. Bis heute können die Bauern – durch die einfache und preiswerte Methode – die Renaturierung selbst durchführen und ihre Dörfer vor Hunger bewahren. Manche Dinge lassen sich nur vor Ort beurteilen, wenn man Fakten und Zusammenhänge kennt.

Ich konnte den Film noch nicht sehen, aber nach den bisherigen Äußerungen (zu Umwelt, Ernährung, Verschwendung von Entwicklungshilfe, Familienplanung) von Volker Schlöndorff glaube ich, dass „Der Waldmacher“ für den interessierten Laien eine sachliche Bereicherung in einem Feld ist, auf dem man sonst meist mit Klischees zu tun hat.

 

Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“. Die aktualisierte und erweiterte 11. Auflage erschien am 18. März 2021. Volker Seitz publiziert regelmäßig zu afrikanischen Themen und hält Vorträge (z.B. „Was sagen eigentlich die Afrikaner“, ein Afrika-ABC in Zitaten).

Foto: Martin Kraft CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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Walter Weimar / 16.04.2022

Da kommt doch wieder Deutschland ins Spiel, Meister Matz, wenn es um Hilfe für andere geht. Nur schön reinbuttern, konzeptlos, aber mit größtem Tamtam. Gut, als Ausgleich für das dortige Versagen richten wir unser Land auch nieder. Die Meldung dann, Entwicklungshilfeland nähert sich uns an.

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