Claudio Casula / 22.02.2023 / 12:00 / Foto: Imago / 90 / Seite ausdrucken

Teilerfolg der AfD in Karlsruhe 

Bisher hat die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung im Gegensatz zu den politischen Stiftungen anderer Parteien nichts von den üppigen öffentlichen Fördergeldern erhalten. Das verstößt gegen die politische Chancengleichheit, urteilte das Bundesverfassungsgericht heute.

Eine persönliche Bemerkung vorweg: Die Alternative für Deutschland (AfD) ist mir – weniger wegen des Programms, eher wegen mancher ihrer Protagonisten – nicht sympathisch, wenn auch nicht unsympathischer als die anderen Parteien, die derzeit die halsbrecherische Politik unseres Landes zu verantworten haben. Gleichwohl macht sie natürlich – wie andere Parteien auch – zuweilen ihre Punkte, und es ist schon deshalb gut, dass es sie gibt, weil es sonst gar keine richtige Opposition im Bundestag mehr gäbe. Sie ist gewissermaßen der pain in the ass der anderen Fraktionen und hat daher ihre Existenzberechtigung.

Unabhängig von der persönlichen Einschätzung muss man feststellen, dass der Umgang der Konkurrenz mit der AfD unterirdisch ist. Man denke nur an die Tatsache, dass die Partei seit ihrem Einzug in den Bundestag 2017 als einzige Fraktion noch nie im Parlamentspräsidium vertreten war, obwohl laut Geschäftsordnung jede Fraktion einen Vizepräsidenten stellen darf. Auch die Linke natürlich, aber eben nicht die AfD. Sämtliche Kandidaten – wenn ich richtig gezählt habe, waren es bisher zehn – verfehlten die Mehrheit, und die ist für die Besetzung des Postens notwendig. Die anderen Abgeordneten lehnen sie durch die Bank ab, egal, ob der jeweilige Bewerber ein Krawallbruder wie Stephan Brandner ist oder eine stets freundlich auftretende Juristin und Mutter dreier Kinder wie Mariana Harder-Kühnl. Ein krasser Fall von Ungleichbehandlung. Dennoch blitzte die Partei beim Bundesverfassungsgericht 2021 und 2022 mit dem Versuch ab, einen Vizepräsidenten-Posten juristisch zu erstreiten (siehe hier und hier).

So nimmt es nicht wunder, dass die sechs Parteien, die eigene „parteinahe“ Stiftungen unterhalten, also CDU, CSU, SPD, FDP, Grüne und Linke, die rechte AfD auch von den Fleischtöpfen fernhalten. Jährlich werden für die Stiftungen öffentliche Zuschüsse von insgesamt etwa 660 Millionen Euro gewährt (allein aus dem Haushalt des Bundesinnenministeriums sind für dieses Jahr 148 Millionen Euro an sogenannten „Globalzuschüssen“ eingeplant, die der politischen Bildungsarbeit dienen, der Rest kommt von den Ministerien für Entwicklung und Bildung sowie vom Auswärtigen Amt), nur die Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) sah bisher keinen Cent.

Statt die AfD zu stellen, kneift man

Unfair, findet die AfD – zu Recht, muss man sagen –, und klagte bereits 2019 gegen diese Ungleichbehandlung. Sie ist der Ansicht, dass der DES für 2022 fast acht Millionen Euro und für 2023 fast zwölf Millionen Euro zustehen. Perspektivisch sei mit jährlichen Fördermitteln von 80 Millionen Euro zu rechnen. Ihre Anträge im Verfahren hatte die Partei später mehrfach auf neue Haushaltsjahre erweitert. Diese seien zwar „verfristet“, wie das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe heute Morgen mitteilte, dennoch hat es die bisherige Praxis einer Förderung von parteinahen Stiftungen ohne regelndes Fördergesetz für verfassungswidrig erklärt. Der Ausschluss der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung von staatlicher Förderung hat die Partei 2019 in ihrem Recht auf Chancengleichheit verletzt, wie es im Urteil heißt (Az. 2 BvE 3/19).

Immerhin ein Teilerfolg, der erstmals die Benachteiligung einer demokratisch gewählten Partei durch die Konkurrenz gerichtsfest dokumentiert.

Was das Haushaltsjahr 2022 betrifft, wurde noch keine Entscheidung gefällt. Denn seither steht ein neuer Passus im Haushaltsgesetz, dem zufolge die Zuschüsse „nur politischen Stiftungen gewährt werden, die nach ihrer Satzung und ihrer gesamten Tätigkeit jederzeit die Gewähr bieten, dass sie sich zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen“. Womit selbstverständlich gemeint ist, dass die der AfD nahestehende DES diese Voraussetzung nicht erfüllt. Was zu beweisen wäre. Jedenfalls dürfte das, was die Rosa-Luxemburg-Stiftung veranstaltet, den Verdacht eher bestätigen.

Unabhängig davon, was der Desiderius-Erasmus-Stiftung rückwirkend an Millionen gezahlt werden muss, sollte das Karlsruher Urteil generell die bisherige Praxis im Umgang mit der AfD zur Diskussion stellen. Zu oft drängt sich der Eindruck auf, dass man die Auseinandersetzung mit dieser Partei scheut. Man kneift. Gleichzeitig sehen sich die Millionen Wähler der Partei ignoriert oder stigmatisiert. Auf diese Weise wird man die AfD nicht los. Vielmehr wird es sie so lange geben, wie die Gründe, die zu ihrer Entstehung und zu ihrem Aufstieg geführt haben, weiterbestehen.

 

Claudio Casula arbeitet als Autor, Redakteur und Lektor bei der Achse des Guten. 

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Michael Müller / 22.02.2023

Aua, das tat weh. Der Stachel sitzt tief, das Herz blutet. Was war geschehen? Hat etwa die Bundesregierung angekündigt, dass Frieren wegen der Ukraine einfach nicht mehr genug ist? Wurde jetzt ein Gesetz gemacht, dass Bürgerliche fortan mal richtig Steuern zahlen müssen und nicht mehr vom Dienstwagen bis zum Pornofilm alles Mögliche als unvermeidliche Ausgaben von der Steuer absetzen können? Gemach, ganz so schlimm ist es dann doch nicht!!! Ein Autor der Achse hat lediglich erwähnt, dass er weder die AfD noch die anderen Parteien sympathisch findet.  Für waschechte Putin:innen bzw. AfD:innen ist damit aber eine rote Linie überschritten: Blasphemie ist das und nichts anderes.  Erst diese komischen Artikel von diesem Osthold, der uns dauernd einreden will, dass Russland irgendwas mit dem Krieg in der Ostkokaine zu tun hat - und jetzt das. Nein, wir vergessen nicht. Das werden wir der Achse nie verzeihen.

Geert Aufderhaydn / 22.02.2023

Da habt’s den armen Claudio aber ganz schön abgewatscht, Ihr Nazis!

Stefan Zorn / 22.02.2023

In dem Moment, in dem die “Etablierten” sich mit den Argumenten der AfD sachlich auseinandersetzen, müssen sie zugeben, dass sie die Karre gegen die Wand gefahren haben. Also werden sie alles tun, damit es so weit nicht kommt…

Ferenc v.Szita - Dámosy / 22.02.2023

@Fred Burig: Lieber Herr Burig, vielleicht sollten SIE meinen Leserbrief ein wenig genauer studieren -ich grenze niemanden aus, sondern mache vielmehr darauf aufmerksam, daß radikalere Personen innerhalb der AfD für die selbsternannten ‘demokratischen’ Parteien das größte Glück und Segen sind; das ist doch unbestreitbar, ebenso, daß wenn es die verhängnisvolle Politik Angela Merkels nicht gegeben hätte, Gauland und Höcke wahrscheinlich immer noch in der CDU und Alice Weidel immer noch in der FDP säßen, sodaß wohl kein Mensch sich an ihnen anstoßen würde, nicht wahr…? Mein ‘bashing’ ist also v.a. gegen jenes Einheitsvolksfront-artige Etwas gerichtet, welches sich aus CDU/CSU bis zu den Linken zusammensetzt ...Herr Burig, ich glaube, Sie schießen hier in die falsche Richtung ;-D))) MfG zurück

B. Zorell / 22.02.2023

Bernd Haven / 22.02.2023   Solche Urteile rutschen immer wieder zwischen die Ordner, wenn ein gewisser Herr Harbarth seine kontemplative Phase im Bibelkreis in Heidelberg erlebt.  Es ist nur noch zu erkunden, welche Bibel da zur Zeit diskutiert wird.

Yehudit de Toledo Gruber / 22.02.2023

Oha, Herr Casula, ich habe irgendwo aufgehört, die vielen witzigen Kommentare über Ihr unnötiges aber heutzutage wohl “notwendig scheinendes Bekenntnis” zu lesen. Und bin natürlich ebenfalls verwundert darüber,  daß Sie das “sympatische” Parteiprogramm (Oppositionspolitik) hintan stellen wegen einiger unsympatischer Protagonisten. Mir sind die Gesichter egal, mir kommt es auf Wahrhaftigkeit, Mut und Haltung an.

B. Zorell / 22.02.2023

Fred Burig / 22.02.2023   Obwohl der Name ungarisch “klingt”, hat dieser Autor schon die Voraussetzungen für ein MSM-Jpurnalistendasein intus.

Sam Lowry / 22.02.2023

Mittwoch, in Doitscheland: „Heute kein Sexualstraftäter vorzeitig entlassen oder ausgebrochen.“

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