Bisher hat die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung im Gegensatz zu den politischen Stiftungen anderer Parteien nichts von den üppigen öffentlichen Fördergeldern erhalten. Das verstößt gegen die politische Chancengleichheit, urteilte das Bundesverfassungsgericht heute.
Eine persönliche Bemerkung vorweg: Die Alternative für Deutschland (AfD) ist mir – weniger wegen des Programms, eher wegen mancher ihrer Protagonisten – nicht sympathisch, wenn auch nicht unsympathischer als die anderen Parteien, die derzeit die halsbrecherische Politik unseres Landes zu verantworten haben. Gleichwohl macht sie natürlich – wie andere Parteien auch – zuweilen ihre Punkte, und es ist schon deshalb gut, dass es sie gibt, weil es sonst gar keine richtige Opposition im Bundestag mehr gäbe. Sie ist gewissermaßen der pain in the ass der anderen Fraktionen und hat daher ihre Existenzberechtigung.
Unabhängig von der persönlichen Einschätzung muss man feststellen, dass der Umgang der Konkurrenz mit der AfD unterirdisch ist. Man denke nur an die Tatsache, dass die Partei seit ihrem Einzug in den Bundestag 2017 als einzige Fraktion noch nie im Parlamentspräsidium vertreten war, obwohl laut Geschäftsordnung jede Fraktion einen Vizepräsidenten stellen darf. Auch die Linke natürlich, aber eben nicht die AfD. Sämtliche Kandidaten – wenn ich richtig gezählt habe, waren es bisher zehn – verfehlten die Mehrheit, und die ist für die Besetzung des Postens notwendig. Die anderen Abgeordneten lehnen sie durch die Bank ab, egal, ob der jeweilige Bewerber ein Krawallbruder wie Stephan Brandner ist oder eine stets freundlich auftretende Juristin und Mutter dreier Kinder wie Mariana Harder-Kühnl. Ein krasser Fall von Ungleichbehandlung. Dennoch blitzte die Partei beim Bundesverfassungsgericht 2021 und 2022 mit dem Versuch ab, einen Vizepräsidenten-Posten juristisch zu erstreiten (siehe hier und hier).
So nimmt es nicht wunder, dass die sechs Parteien, die eigene „parteinahe“ Stiftungen unterhalten, also CDU, CSU, SPD, FDP, Grüne und Linke, die rechte AfD auch von den Fleischtöpfen fernhalten. Jährlich werden für die Stiftungen öffentliche Zuschüsse von insgesamt etwa 660 Millionen Euro gewährt (allein aus dem Haushalt des Bundesinnenministeriums sind für dieses Jahr 148 Millionen Euro an sogenannten „Globalzuschüssen“ eingeplant, die der politischen Bildungsarbeit dienen, der Rest kommt von den Ministerien für Entwicklung und Bildung sowie vom Auswärtigen Amt), nur die Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) sah bisher keinen Cent.
Statt die AfD zu stellen, kneift man
Unfair, findet die AfD – zu Recht, muss man sagen –, und klagte bereits 2019 gegen diese Ungleichbehandlung. Sie ist der Ansicht, dass der DES für 2022 fast acht Millionen Euro und für 2023 fast zwölf Millionen Euro zustehen. Perspektivisch sei mit jährlichen Fördermitteln von 80 Millionen Euro zu rechnen. Ihre Anträge im Verfahren hatte die Partei später mehrfach auf neue Haushaltsjahre erweitert. Diese seien zwar „verfristet“, wie das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe heute Morgen mitteilte, dennoch hat es die bisherige Praxis einer Förderung von parteinahen Stiftungen ohne regelndes Fördergesetz für verfassungswidrig erklärt. Der Ausschluss der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung von staatlicher Förderung hat die Partei 2019 in ihrem Recht auf Chancengleichheit verletzt, wie es im Urteil heißt (Az. 2 BvE 3/19).
Immerhin ein Teilerfolg, der erstmals die Benachteiligung einer demokratisch gewählten Partei durch die Konkurrenz gerichtsfest dokumentiert.
Was das Haushaltsjahr 2022 betrifft, wurde noch keine Entscheidung gefällt. Denn seither steht ein neuer Passus im Haushaltsgesetz, dem zufolge die Zuschüsse „nur politischen Stiftungen gewährt werden, die nach ihrer Satzung und ihrer gesamten Tätigkeit jederzeit die Gewähr bieten, dass sie sich zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen“. Womit selbstverständlich gemeint ist, dass die der AfD nahestehende DES diese Voraussetzung nicht erfüllt. Was zu beweisen wäre. Jedenfalls dürfte das, was die Rosa-Luxemburg-Stiftung veranstaltet, den Verdacht eher bestätigen.
Unabhängig davon, was der Desiderius-Erasmus-Stiftung rückwirkend an Millionen gezahlt werden muss, sollte das Karlsruher Urteil generell die bisherige Praxis im Umgang mit der AfD zur Diskussion stellen. Zu oft drängt sich der Eindruck auf, dass man die Auseinandersetzung mit dieser Partei scheut. Man kneift. Gleichzeitig sehen sich die Millionen Wähler der Partei ignoriert oder stigmatisiert. Auf diese Weise wird man die AfD nicht los. Vielmehr wird es sie so lange geben, wie die Gründe, die zu ihrer Entstehung und zu ihrem Aufstieg geführt haben, weiterbestehen.
Claudio Casula arbeitet als Autor, Redakteur und Lektor bei der Achse des Guten.